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Seit dem Angriff auf Israel am 7. Oktober hat der Antisemitismus auch in Deutschland zugenommen.

© dpa/Thomas Banneyer

Update

Trotz der Vermittlungsangebot von Zentralrat der Juden: Ampel und Union streiten weiter über Antisemitismusbekämpfung

Gemeinsam wollten Regierung und Opposition mehr Engagement gegen Antisemitismus einfordern. Doch die Union setzt nun auf einen Alleingang. Es droht eine unwürdige Debatte am Freitag im Bundestag.

Diesen Freitag wird der Bundestag über Antisemitismus sprechen. Denn nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober nahmen auch hierzulande antisemitische Straftaten deutlich zu. Mit einem Entschließungsantrag fordert die Union nun jüdisches Leben in Deutschland besser zu schützen. Ein hehres Ziel, doch es gibt ein Problem.

Im November hatte man einen gemeinsamen Antrag der Ampelfraktionen und von CDU und CSU verabredet. Anfang der Woche sagte die Union jedoch endgültig ab – und setzt nun auf einen eigenen Antrag. Statt über Antisemitismus dürfte der Bundestag deshalb vor allem darüber reden, wer Schuld ist an dem Debakel. Auch eine Mehrheit für den Unionsantrag ist nicht in Sicht. Es droht ein unwürdiges Schauspiel.

Der Schutz jüdischen Lebens lässt keinen Raum für politisches Taktieren

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Nun unternimmt der Zentralrat der Juden in Deutschland einen letzten Versuch, dieses Szenario noch zu verhindern. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Parlamentskreisen. Ein Sprecher des Zentralrats bestätigte, dass die Fraktionen am Freitagmorgen zu einem Vermittlungsgespräch in den Zentralrat eingeladen wurden. „Der Schutz jüdischen Lebens lässt keinen Raum für politisches Taktieren“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster unlängst in der „Jüdischen Allgemeinen“. Eine Sternstunde des Parlaments dürfe nicht untergehen im Kleinmut.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

© dpa/Jörg Carstensen

Der Sprecher des Zentralrats verdeutlichte auf Nachfrage, wie wichtig dem Zentralrat ein aus der Mitte des Bundestages gefasster Entschluss zu diesem Thema sei, der im Geist der Anträge vom November 2023 stehe. Aus dieser Zeit liegen bereits zwei Anträge vor – einer von der Union und einer von der Ampel.

Beide Anträge forderten unter anderem das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels als Voraussetzung für die Einbürgerung. Sie sollten nun zu einem gemeinsamen Antrag verschmolzen und dann vom Bundestag beschlossen werden. Die Parteien machen sich wechselseitig große Vorwürfe.

Die Ampelfraktionen hätten sich den weitgehenden Vorschlägen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Bekämpfung des Antisemitismus nicht angeschlossen, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Andrea Lindholz, dem Tagesspiegel. Die Ampel habe sich untereinander über Wochen nicht auf eine Linie verständigen können.

Die CSU-Politikerin erkennt auch keine Bereitschaft der Ampel, sich auf wesentliche Forderungen der Union einzulassen. Konkret fordern die Christdemokraten einer Verurteilung der BDS-Bewegung, die Israel boykottieren wil. Zudem soll ein Bekenntnis zur Ablehnung des Antisemitismus Voraussetzung für die Einbürgerung werden. Die Leugnung des Existenzrechts Israels soll als Volksverhetzung gelten.

In der Ampel sieht man keine wesentlichen inhaltlichen Differenzen. Vermutet wird, dass CDU-Chef Friedrich Merz die Ablehnung eines gemeinsamen Antrags zur Profilierung nutzen will. Den Vermittlungsversuch des Zentralrats der Juden nimmt man in der SPD mit Erleichterung auf.

Ampel erleichtert über Initiative des Zentralrats

„Bei uns als SPD stehen alle Türen offen, um doch noch einen gemeinsamen Antrag mit der Union zu erreichen“, sagte der zuständige SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Tagesspiegel. „Wir sind daher froh über jeden, der vermittelt, um CDU-Chef Friedrich Merz zur Räson zu bringen.“

Wir sind froh über jeden, der vermittelt, um CDU-Chef Friedrich Merz zur Räson zu bringen.

Dirk Wiese, SPD-Fraktionsvize

Es sei ehrlich gesagt beschämend, „dass nun der Zentralrat sich hier einschalten musste“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor dem Tagesspiegel. „Das sollte die Union auch so sehen.“ Sie habe bis zum heutigen Tage kein einziges inhaltliches Gegenargument gegen den Ampel-Text gehört.

Die Verzögerung bei der Erarbeitung des gemeinsamen Antrags läge auch nicht nur an der Ampel, betonte Wiese. „Dass Friedrich Merz diese Verzögerung nun anführt, um die Gespräche abzubrechen, ist daher völlig unverständlich. Das müsste er eigentlich besser wissen.“

Die Ampelkoalition hat inzwischen einen Vorschlag für einen gemeinsamen Antrag erarbeitet. Er biete eine gute Grundlage für offene Gespräche mit der Union, sagte Wiese. „Sicherlich wird die Union hier Änderungen fordern. Das ist doch selbstverständlich. Aber dafür muss man miteinander reden.“

Notfalls plant Ampel Alleingang

Die geplante Vermittlung durch den Zentralrat der Juden scheiterte am Donnerstagabend. „In der Kürze der Zeit konnte ein solches Gespräch, das auch zielführend sein muss, leider nicht realisiert werden“, teilte der Zentralrat mit. Man sei zudem der Auffassung, dass die Fraktionen untereinander einigen Klärungsbedarf hätten, bevor es zu dieser Vermittlung kommen könne. Der Zentralrat will es nun zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal probieren.

Damit wird der Bundestag am Freitag über den Antrag der Union verhandeln. Sollte die Union sich nicht bewegen, will die Ampel in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages ihren Antrag ohne die Stimmen der Opposition beschließen.

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