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Streit in der Ampel: Experten erklären, wie es mit dem Ehegattensplitting weitergeht

SPD-Chef Lars Klingbeil hat mit seinem Vorschlag, das Ehegattensplitting abzuschaffen, eine heftige Debatte ausgelöst. Setzt er sich durch? Drei Expert:innen antworten.

Die Forderung nach einer Abschaffung des Ehegattensplittings erregt die Gemüter in Deutschland. In unserer Serie 3 auf 1 erklären drei Expert:innen, wie es jetzt weitergeht. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Alleinerziehende sind im Nachteil

Die liberale Abwehrlinie steht: In Sachen Abschaffung des Ehegattensplittings ist die Kompromissbereitschaft der FDP überschaubar. Es droht eine anstrengende Debatte. Auch wegen des Elterngelds, das Ausgangspunkt der Diskussion war, ist die Sache kompliziert: Geht es um Gleichstellungspolitik oder um Familienfinanzen? Wofür ist das Steuerrecht da, welche politischen Ziele müssen auf anderen Wegen erreicht werden?

Komplizierte Sachfragen mischen sich mit Problemen der gefühlten Gerechtigkeit. Am Ende haben im schlechtesten Fall alle das Gefühl, sie kämen zu kurz. Dabei wäre es sinnvoll, grundsätzlich zu überlegen, wie und warum Ehen oder Familien gefördert werden. In dem Streit zu wenig beachtet werden zum Beispiel die Interessen von Alleinerziehenden. Wer alleine 50.000 Euro Jahresgehalt hat, von dem er Kinder ernährt, zahlt darauf mehr Steuern als der Kollege mit nichtverdienender Ehefrau. Ungerechtigkeiten wie diese sind im Jahr 2023 nicht mehr vertretbar. Daher ist die Debatte alle Anstrengungen wert.


Unterhaltspflichten müssen berücksichtigt werden

Eine Woche lang hat der Vorstoß von SPD-Chef Lars Klingbeil zur Abschaffung des Ehegattensplittings Furore gemacht. Auch weil untergegangen ist, dass – eine schon ältere SPD-Forderung – dieser steuerliche Effekt nur bei Neuverheirateten nicht mehr gelten soll. Es würde mithin Bestandsschutz gelten. Warum also die Aufregung? Gegen ein Abschaffen bei neuen Ehen spricht nicht viel. Die Alleinverdiener-Ehe ist weitgehend Geschichte.

Der Vorteil des Splittings ist bei zwei Verdienenden überschaubar. Allerdings würde eine Abschaffung dem Fiskus gar nicht so viel bringen, wie manche derzeit glauben. Den in irgendeiner Form muss aus verfassungsrechtlichen Gründen steuerlich anerkannt werden, dass in Ehen Unterhaltspflichten gelten. Mindestens der Grundfreibetrag ist also anzurechnen – und der macht schon einen Gutteil der Wirkung beim jetzigen Ehegattensplitting aus. Kurzum: Die Ampel könnte sich so oder so entscheiden, sie würde nichts falsch machen. Das wichtigste steuerpolitische Problem ist das Ehegattensplitting ohnehin nicht.


Abschaffung ist illusorisch

Wer etwas über die Zukunft wissen will, sollte in die Geschichte blicken. 1958 wurde das Ehegattensplitting nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeführt. Das passte damals: Der Mann verdiente das Geld, die Frau blieb zu Hause. 65 Jahre später sind wir aber immer noch an dem Punkt: Es lohnt sich bei der Steuer besonders, wenn nur eine Person verdient. Zwar gab es immer wieder Pläne, wenigstens den Splittingvorteil zu begrenzen.

Es blieben Pläne. Das liegt einerseits an CDU/CSU und FDP, die damit Ehe und Familie schützen wollen – und eine Regierung ohne wenigstens eine von beiden scheint für die nächsten Jahre kaum vorstellbar. Doch andererseits gibt es einen ganz pragmatischen Grund. Im deutschen Steuerrecht etwas abzuschaffen und damit vor dem Bundesverfassungsgericht zu bestehen, ist die Königsdisziplin. Bliebe nur die Abschaffung des Splittings für zukünftige Ehepaare. Doch eine Zweiklassengesellschaft aus Alt-Ehepaaren mit und Neu-Ehepaaren ohne Splitting kann ich mir kaum vorstellen.

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