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Robert Habeck (re.), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, steht weiter hinter seinem Staatssekretär Patrick Graichen.

© imago/photothek/IMAGO/Nico Lepartz/photothek.net

Exklusiv

Filz-Affäre im Wirtschaftsministerium: „Gerüchte“ über Graichen-Freund waren schon länger bekannt

Den Verantwortlichen könnte frühzeitig klar gewesen sein, dass es bei der Personalsuche für den Job bei der Deutschen Energie-Agentur einen Fall von Befangenheit gab.

Im Fall möglicher Vetternwirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) waren Beteiligte wohl schon seit Längerem darüber informiert, dass zwischen Habecks Staatssekretär Patrick Graichen und dem früheren Bewerber für den Chefposten bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, eine freundschaftliche Beziehung bestehen könnte. So erklärte die zweite Dena-Geschäftsführerin Kristina Haverkamp auf Anfrage des Tagesspiegels, ihr seien bereits „während der Bewerbungsphase Gerüchte bekannt geworden, wonach Herr Schäfer ein Schulfreund von Herrn Graichen sei“.

Über Freundschaften oder Bekanntschaften sei offiziell nicht gesprochen worden, hieß es

Habecks Ministerium steht wegen der Personalsuche bei der Dena in der Kritik. So hatte Staatssekretär Graichen erst Wochen nach der Bestellung Schäfers angezeigt, dass es sich bei dem neuen Dena-Geschäftsführer um seinen Trauzeugen handelte. Habeck sprach daraufhin von einem Fehler, der ein neues Auswahlverfahren erfordere; er wolle Graichen aber als seinen Staatssekretär behalten. Schäfer kündigte an, nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Haverkamp war als Dena-Vertreterin zu Gast bei den Sitzungen der dreiköpfigen Personal-Findungskommission, zu der neben Habecks Parlamentarischem Staatssekretär Stefan Wenzel auch Graichen sowie ein weiterer Beamter aus dem Ministerium gehörten.

Der Wechsel von „Du“ und „Sie“ gehöre zur Parlamentspraxis, erklärt Habecks Ministerium

Die Dena teilte weiter mit, in den Sitzungen der Kommission am 2., 10. und 12. März sei nach Kenntnis Haverkamps eine persönliche Nähe, Freundschaft, Bekanntschaft oder sonstige persönliche Beziehung Graichens zum Bewerber Schäfer weder angesprochen noch sonst thematisiert worden.

Frau Haverkamp kann sich nicht daran erinnern, ob Herr Graichen Herrn Schäfer geduzt oder gesiezt hat.

Die Deutsche Energie-Agentur in einer Mitteilung über die Teilnahme ihrer Co-Geschäftsführerin an den Sitzungen der Findungskommission

Zur Frage, warum Haverkamp mit Blick auf eine Befangenheit Graichens die „Gerüchte“ nicht von sich aus gegenüber den Zuständigen ansprach, erklärte die Dena: „Frau Haverkamp beteiligt sich nicht an der Verbreitung von Gerüchten“. Sie könne sich auch nicht mehr erinnern, ob Graichen den Bewerber im Vorstellungsgespräch geduzt oder gesiezt habe, hieß es.

Sie habe bei dem Gespräch am 10. März indes den Eindruck gehabt, „dass Herr Graichen mehrere der Bewerber, darunter auch Herrn Schäfer, persönlich kannte“. Ein darüber hinausgehendes, besonderes Näheverhältnis zwischen beiden sei dagegen für sie „nicht erkennbar“ gewesen.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte auf Anfrage am Montag, Graichen habe nach seiner eigenen Erinnerung gegenüber den Mitgliedern der Findungskommission deutlich gemacht, dass er „einen Großteil der Bewerberinnen und Bewerber kenne“. Eine derartige Bekanntschaft habe sich im Fall Schäfers nach Ansicht des Ministeriums auch bereits aus dem Lebenslauf des Bewerbers ergeben, der – wie Graichen – in der Vergangenheit für die Lobbyorganisation „Agora Energiewende“ tätig war.

Auch über das konkrete Verhalten Graichens gegenüber den Bewerbern macht das Ministerium jetzt erstmals Angaben: „Nach der Erinnerung von Staatssekretär Graichen hat er einige der Bewerberinnen und Bewerber beim Hereinkommen geduzt; während der Sitzung hat er alle Kandidaten gesiezt“, teilte das Ministerium mit.

Offen bleibt damit, ob Graichen über seine persönliche Nähe getäuscht hat und mit diesem Motiv ausgerechnet den Bewerber Schäfer von Anfang an mit „Sie“ ansprach – auch schon beim Hereinkommen. Dies könnte für die Bewertung eines möglichen Dienstpflichtverstoßes eine Rolle spielen.

Nach Ansicht des Ministeriums sollen solche Details aber wohl weniger erheblich sein. Es sei darauf verwiesen, hieß es, „dass es auch im Bundestag Parlamentspraxis ist, dass man, wenn man im Plenum oder in Ausschüssen offiziell spricht, gesiezt wird, auch wenn man die Parlamentarier kennt und persönlich vielleicht einige duzt.“

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