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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während des Bürgerdialogs in Dresden.

© dpa/Sebastian Kahnert

„Diplomaten statt Granaten in Richtung Moskau“: Fünf Scholz-Sätze, die noch wichtig werden könnten

Der Kanzler gibt beim Bürgerdialog in Dresden Einblicke in sein Denken. Der Ukraine misstraut er, Frieden müsse der Kreml bringen, in Israel sollen die Waffen schweigen. Scholz selbst bleibt unterkühlt.

Er hätte gern noch einmal 90 Minuten so weitermachen können, sagt Olaf Scholz. Einigermaßen lässig lehnt er dabei am Rednerpult und lächelt. Die Bürgerfragen seien, fügt der Bundeskanzler an, doch deutlich aufregender als manches Interview, das er, so hört es sich an, allzu oft mit Journalisten führen müsse. So endet also das 12. „Kanzlergespräch“ am Donnerstagabend, diesmal in Dresden.

90 Minuten hat Scholz an diesem Abend in einem alten Heizkraftwerk auf die Fragen von Bürgern geantwortet. Die Teilnehmer waren gelost, nicht von der Bundesregierung ausgewählt, betont die Moderatorin, wie zum Beweis saß auch die Frau eines sächsischen Rechtsextremisten im Publikum.

Ukraine, Kindergeld, Wirtschaftsschwäche, Gaza, Obdachlosigkeit, Tiktok, Klimawandel: Scholz musste vom Kleinen ins ganz Große wechseln, vom Krieg zum Frieden.

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Diese fünf Scholz-Sätze aus Dresden könnten in den kommenden Wochen noch wichtig für den Bundeskanzler und das Land werden:

Scholz misstraut der Ukraine

Olaf Scholz hat am Donnerstagabend die Gründe für sein Nein zur Lieferung der Langstrecken-Raketen vom Typ Taurus konkretisiert. Offenbar will der Bundeskanzler sichergehen, dass die Ukraine die Raketen nicht für Angriffe auf Moskau einsetzt. Der entscheidende Satz: „Eine Waffe, die 500 Kilometer weit reicht, die, wenn sie falsch eingesetzt wird, ein konkretes Ziel in Moskau erreicht, das kann man nicht einfach so entscheiden“, sagte der SPD-Politiker auf die Frage eines Bürgers. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir wissen, wo die landet, und dann müssten wir uns beteiligen.“

Damit spielte Scholz auf den Vorwurf an, eine Lieferung der präzisen Langstrecken-Waffe sei auch ohne den Einsatz deutscher Soldaten machbar. Dies sieht Scholz offenbar anders – und will die Kontrolle über die mächtigen Raketen nicht aus der Hand geben. Er wies zudem darauf hin, dass Deutschland längst der größte europäische Waffenlieferant für die Ukraine sei. „Wir machen nicht weniger als andere, wir machen ganz viel mehr“, sagte der Bundeskanzler und verwies auf die Lieferung schwerer Kampfpanzer, Flugabwehrraketen und Mehrfachraketenwerfer.

Scholz will Friedenskanzler sein

Gleichzeitig wirkte Scholz am Abend fast dankbar über Fragen nach mehr diplomatischen Bemühungen. Er betonte, wie häufig ihm diese Fragen gestellt würde, und dass er natürlich mit Wladimir Putin in Kontakt sei. Dieser wolle aber keine Diplomatie. Scholz kritisiert die deutsche Debatte, die in Fernsehshows anders laufe als im Land. Der entscheidende Satz: „In den Talkshows sitzt ein Generalfeldmarschall neben dem Nächsten.“ Den Rang gibt es im deutschen Militär allerdings seit der nationalsozialistischen Diktatur nicht mehr.

Als ein Vater ihm, so behauptete dieser, ein Geschenk seines Sohnes mit einem Anti-Kriegs-Slogan überreichte, das Scholz an Außenministerin Annalena Baerbock weiterreichen soll, murmelte der Bundeskanzler erst ein leises Danke und drehte den Satz dann um: „Diplomaten statt Granaten ist der Satz, den wir gemeinsam skandieren in Richtung Kreml nach Moskau.“ Es ist eine Parole, die auf russlandfreundlichen Demos oft gerufen wird. Scholz wendete sie gegen den russischen Präsidenten.

Scholz will einen Waffenstillstand in Gaza

Von einem ehemaligen syrischen Flüchtling wird Scholz nach mehr Engagement für einen Frieden in Gaza gefragt. Der Mann verurteilt den grausamen Terror der Hamas, erklärt aber, dass dies nicht das Sterben in Gaza rechtfertige. „Warum sorgen sie nicht für Waffenruhe?“, fragt er. Das erste Mal an diesem Abend gibt es starken Applaus für eine Frage.

Scholz wird so klar wie selten zuvor bei diesem diplomatisch schwierigen Thema. Der entscheidende Satz bei diesem Thema: „Wir brauchen jetzt ziemlich zügig einen länger anhaltenden Waffenstillstand.“ Geiseln müssten dann freigelassen werden und deutlich mehr humanitären Hilfe durch Israel erfolgen. Erneut positioniert sich der Bundeskanzler deutlich gegen einen israelischen Angriff auf die Stadt Rafah. Die Folgen, sagte Scholz, „will ich mir gar nicht ausmalen“. Es drohe eine humanitäre Katastrophe.

Scholz will auf Tiktok

Nur am Rande ging es in Dresden um die AfD. Aber die Überlegenheit der in weiten Teilen rechtsextremistischen Partei im Internet treibt offenbar auch den Bundeskanzler um. Vor allem auf der Plattform Tiktok: Mehr als sechs Millionen Likes und knapp 400.000 Followerinnen und Follower hat die AfD dort – und erreicht auf deutlich mehr Menschen als alle anderen Parteien. Scholz will gegenhalten.

Der zentrale Satz: „Auch die Bundesregierung diskutiert das, und ich halte das für richtig.“ Bald dürfte die Bundesregierung also Videos auf dem Netzwerk veröffentlichen, schon zuletzt gab es immer häufiger kurze Erklärvideos zu aktuellen Themen. Ob der Bundeskanzler bald selbst tanzend die Politik erklärt, darf bezweifelt werden, aber die Überlegenheit der AfD in den sozialen Netzwerken treibt ihn offenbar um.

Scholz bleibt Scholz

Nein, er wird wirklich kein Menschenfänger mehr. Unterkühlt hanseatisch geht es durch den Abend. Als eine Frau ihn fragt, warum die Bundesregierung ihrer Ansicht nach mehr über Abschiebungen als über die Vorteile und die Notwendigkeit von Migration für die deutsche Wirtschaft rede, antwortet Scholz: „Sie haben ein gutes Herz.“ Dann erklärt der Bundeskanzler, wie es wirklich ist, mithilfe seines Verstandes, anders lässt es sich nicht verstehen.

Längst würde die Regierung viele Barrieren bei der Einwanderung abbauen, man habe nun das modernste Staatsangehörigkeitsrecht Europas, überhaupt müsse mehr darüber gesprochen werden, was die Bundesregierung alles schon getan habe. Es ist eine Lehrstunde. Die Botschaft: Herz bedeutet noch nicht Verstand.

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