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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einer Kabinettssitzung.

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Der Kanzler und seine Vorbehalte bei Taurus: Nicht die Ukraine – Russland muss verlieren!

Das Nein von Olaf Scholz zur Lieferung der Mittelstreckenwaffe Taurus an Kiew bringt auch Koalitionsabgeordnete gegen ihn auf. Denn es geht um viel: um die Sicherung des Westens gegen den zynischen Putin.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wann endlich hört das auf? Olaf Scholz denkt, dass er einfach immer recht hat, unbedingt. Jetzt schon wieder, diesmal beim Militär, ob zur Lieferung von Taurus oder anderem. Als wüsste nur er, was geht – und wenn es auch längst widerlegt ist.

Das ist wie bei der Sache mit den Finanzen im Bundesetat. Da meinte der Kanzler ja auch, er sei im Besitz der höheren Weisheit. Weit gefehlt. Das Verfassungsgericht fuhr ihm in die Parade. Die Folge: ein riesiges Haushaltsloch.

Schauen wir jetzt auf die Ukraine. So sieht es aus: Emmanuel Macron, Frankreichs Staatspräsident, schließt die Entsendung westlicher Soldaten nicht aus. Und das denkt nicht er allein, auch andere in der EU gehen in diese Richtung.

Warum? Weil die Ukrainer immer weiter in die Defensive geraten. Sie verlieren Ortschaft um Ortschaft, haben keine Munition. Ihre Truppen sind ausgezehrt, die Verbände sind ausgedünnt. Es wird immer dramatischer. Soll es jetzt noch tragisch werden?

Wenn Macrons Vorstellungen dem Westen auch zu weit gehen mögen – Scholz‘ Argumentation, was nur schon bei Taurus, der Mittelstreckenwaffe, alles nicht möglich sein soll, wird da zur Provokation. „Das weiß auch jeder, der sich mit diesem System auseinandergesetzt hat“, sagt Scholz. Fachleute von Rang, Koalitionsabgeordnete, Offiziere widersprechen.

Und wenn es Roderich Kiesewetter ist, der Unionsabgeordnete und Oberst, wird es dennoch nicht verkehrt. Immerhin ist er preisgekrönt als bester Soldat seines Generalstabs-Jahrgangs.

Kiesewetter verweist darauf: Die ukrainischen Soldaten sind an der Front im Verhältnis von eins zu fünf und eins zu zehn bei der Munition unterlegen. „Die Verweigerung von Taurus durch Scholz ist de facto eine Stärkung Russlands.“ Er sieht militärisch die Notwendigkeit, russische Munitionslager und Lieferketten treffen zu können.

Wird die Ukraine jetzt nicht ausgestattet mit allem, was irgend möglich ist, kann es zu spät sein. Endgültig.

Stephan-Andreas Casdorff

Die Konsequenz könnte politisch sein, dass der Ukraine die Waffen geliefert werden, die sie dringend benötigt. Existenziell braucht, zum Überleben der Menschen wie des Staates. Auch Taurus.

Nun will der Bundeskanzler vielleicht das einzige Waffensystem, für das Deutschland von Russland respektiert wird, aufheben für den Fall, dass Wladimir Putin sich in zwei Jahren gegen die Nato wenden könnte. Das wird jedenfalls im Blick auf Taurus gerade ins Feld geführt.

Nichts ist zwangsläufig bei Taurus

Nur spricht dagegen vieles. Erstens national: Nichts ist zwangsläufig bei Taurus, nicht die Notwendigkeit eines Bundestagsmandats, nicht die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten auf ukrainischem Boden. Die Programmierung des Marschflugkörpers ist Herstellersache, sagt Sicherheitsexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations.

Zweitens international. Wird die Ukraine jetzt nicht ausgestattet mit allem, was irgend möglich ist, kann es zu spät sein. Endgültig. Jetzt geht es drum, nicht in zwei Jahren.

Es gibt gute Gründe, hier und heute zu entscheiden: Russland muss verlieren. Tyrann Putin zersetzt Staaten wie früher KGB-Agenten Menschen. Er will den Westen zersetzen, die Nato. Seine Destabilisierungskampagnen, siehe Moldau in diesen Tagen, und sein Zynismus kennen keine Grenzen.

Und wenn Russland am Ende zwei Millionen Soldaten geopfert hätte – bisher sollen es etwa 250.000 Gefallene und Verletzte sein -, würde Putin die zu Helden eines neuen großen vaterländischen Krieges erklären. Aktuell hat er mehr Soldaten als zu Beginn der Invasion in der Ukraine, 450.000 Mann sollen es sein. Die regulären ukrainischen Kampfverbände bieten nicht so viele Soldaten auf, berichten die Nachrichtendienste. Und die Ukraine kann im Gegensatz zu Russland nicht beliebig zum Wehrdienst einberufen.

Der Westen, der Kanzler, muss sich entscheiden. Muss sich scheiden von Hybris. Besserwisserei hilft keinem. Es helfen allein Antworten auf diese Fragen: Soll die Ukraine den Krieg nicht verlieren, ja oder nein? Soll sie sogar gewinnen, ja oder nein? Ausflüchte sind nicht mehr möglich. Die Lage lässt das nicht mehr zu.

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