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Bundeskanzler Olaf Scholz am 23. Oktober 2023 beim Besuch einer Bundeswehrkaserne in Köln.

© IMAGO/Political-Moments

Debatte über Verteidigungsausgaben: Bundeswehrverband fordert „Machtwort“ von Scholz

Die Ungewissheit über die weitere Finanzierung der Bundeswehr gefährde nicht zuletzt den Ausbau der Rüstungsindustrie, warnt Verbandschef Wüstner. Der Kurs müsse nun geklärt werden.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, hat ein „Machtwort“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Streit um die weitere Finanzierung der Bundeswehr gefordert.

„Wenn für unsere Regierung Worte wie Verteidigungsfähigkeit, Schutz oder Wehrhaftigkeit nicht bloße Worthülsen sein sollen, muss Bundeskanzler Scholz seine Richtlinienkompetenz wahrnehmen und ein Machtwort sprechen. Tut der das nicht, muss die Zeitenwende zumindest in der Bundeswehr für beendet erklärt werden“, sagte Wüstner der Deutschen Presse-Agentur.

Konkret warnte Wüstner auch davor, dass die deutsche Rüstungsindustrie den dringend nötigen Ausbau ihrer Kapazitäten nicht fortsetzen werde, wenn das sogenannte Sonderververmögen Ende dieses Jahres verplant sei, ohne dass der weitere Kurs erkennbar sei.

Die Bundesregierung hatte als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine militärische Zeitenwende ausgerufen. Erklärtes Ziel von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist es, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen.

André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands, Ende Februar als Gast einer Debatte zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik im Bundestag.

© dpa/Michael Kappeler

Die Bundesregierung sagte zudem zu, dass Deutschland den in der Nato vorgesehenen Mindestanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel - erreichen wird, erstmals wieder im laufenden Jahr. Mittel dazu ist der 100-Milliarden-Euro umfassende und kreditfinanzierte Sondertopf für die Bundeswehr.

Sondervemögen schon aufgebraucht?

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte am Montag berichtet, das Sondervermögen sei praktisch „schon weg“. „Das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr reicht nicht“, stellte die Zeitung fest.

Ohne eine Erhöhung des Verteidigungsetats würde Deutschland den gerade erst angelaufenen, schwierigen Prozess des Kapazitätsaufbaus in der Rüstungsindustrie abwürgen.

André Wüstner, Vorsitzender Bundeswehrverband

Derzeit sind laut Verteidigungsministerium rund 80 Prozent des Sondervermögens „gebunden“. Dieser Begriff umfasst verbindliche Entscheidungen, wie Verträge, verbindliche Aufträge oder auch politische Festlegungen.

Bis Ende dieses Jahres werden den Planungen nach 100 Prozent so gebunden sein. Dann können keine neuen Vorhaben aus dem Sondervermögen finanziert werden, allerdings sehr wohl aus dem mehr als 50 Milliarden Euro umfassenden Verteidigungsetat („Einzelplan 14“).

Ende des Jahres 2027 ist dann das Sondervermögen dem Stand der Planungen nach „verausgabt“. Das Geld ist dann abgeflossen oder für Restzahlungen geblockt.

Ausbau der Rüstungsinudstrie sei massiv gefährdet

„Gut, dass mittlerweile viele in der Regierungskoalition und auch in der Opposition davon sprechen, den Verteidigungsetat zu erhöhen. Besser wäre, sie würden es tatsächlich tun“, forderte Wüstner.

„Ohne eine entsprechende Erhöhung des Verteidigungsetats würde Deutschland den gerade erst angelaufenen, schwierigen Prozess des Kapazitätsaufbaus in der Rüstungsindustrie abwürgen“, erklärte Wüstner. Seine Sorge zielt darauf ab, dass der Kuchen aus Sicht der Industrie dann gewissermaßen verteilt sein könnte.

Zudem warnte Wüstner vor den Folgen steigender Betriebskosten, die ebenfalls aus dem Sondervermögen bestritten werden müssten, weil die Forderung des Verteidigungsministers nach mindestens 10 Milliarden Euro extra nicht erfüllt wurde. „Die von Boris Pistorius angestrebte Reform der Bundeswehr ist nun ebenso gefährdet wie die Stationierung der Brigade Litauen oder die Erfüllung der Nato-Zusagen ab 2025.“

Unklar sei nun vor allem, wie es nach dem Jahr 2027 weitergehen soll. Das sei misslich, so Wüstner. „Wir würden weiterhin eine nur bedingt verteidigungsfähige Bundeswehr unterhalten und wie schon nach den Gipfel-Beschlüssen von Wales 2014 und Warschau 2016 erneut als wenig zuverlässiger Verbündeter innerhalb der Nato dastehe“, sagte er.

„Angesichts der russischen Aggression mit ihrer Bedrohung auch für unseren Frieden in Freiheit und vor dem Hintergrund der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl wäre es gleich doppelt verantwortungslos, Zweifel an der Einhaltung unserer Zusagen zuzulassen.“

Er warnte auch davor, die deutschen Verteidigungsausgaben schön zu rechnen. Wüstner sagte: „Aktuell nennt die Bundesregierung für den Haushalt 2024 einen Wert von 2,1 Prozent vom BIP für die Verteidigung, doch es ist hinlänglich bekannt, dass dazu auch 15 Milliarden Euro aus anderen Etats gerechnet werden, sogar fünf Milliarden Euro Zinslast für das Sondervermögen werden mitgezählt.“ (dpa)

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