zum Hauptinhalt
Kleine Karte, großer Streit. Die bundesweite Bezahlkarte für Geflüchtete beschäftigt die Ampel.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Ärger um die Bezahlkarte: Die Grünen in der Zwickmühle

Im Dezember hatten sich die Länderchefs mit dem Kanzler auf eine Bezahlkarte für Geflüchtete verständigt. Doch weil die deutlich restriktiver als gedacht werden könnte, haben die Grünen nun ein Problem.

Stephan Stracke knöpft sich die Grünen vor: Wie im Tollhaus verhalte sich die Partei in der Ampel, sie blockiere und torpediere Vorhaben, sagte der CSU-Politiker im Bundestag. „Diese Koalition ist in der Migrationspolitik handlungsunfähig.“ Stracke sprach von einer „Selbstblockade-Koalition.“ Er appellierte direkt an die Grünen: „Machen Sie den Weg frei für eine rechtssichere Bezahlkarte.“

Der Streit um die bundesweite Bezahlkarte für Geflüchtete, der die Ampel seit dem Wochenende zum wiederholten Mal beschäftigt, hat am Donnerstag auch den Bundestag erreicht. CDU und CSU hatten das Thema als Aktuelle Stunde auf die Agenda gehoben - und so vor allem die Grünen weiter unter Druck gesetzt.

Es stehe nicht zur Debatte, dass die Bezahlkarte komme, versicherte der Vize-Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch. „Bezahlkarten sind rechtmäßig möglich“, sagte der Neuköllner Abgeordnete und verwies auf Hannover und Hamburg, wo es bereits solche Karten gibt, und Bayern, wo sie kurz vor der Einführung steht. Das Ob steht für die Grünen nicht zur Debatte, das Wie aber schon.

Denn der Beschluss der Länderchefs mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Dezember war dazu nur schwammig. Die Bargeldauszahlung solle eingeschränkt und der Verwaltungsaufwand minimiert werden, hieß es damals. Doch nun, da 14 Länder einen Anforderungskatalog für die Ausschreibung einer solchen Bezahlkarte formuliert haben, zeigt sich, dass die Karte deutlich restriktiver werden könnte. So soll es unter anderem möglich sein, dass die Karte nur regional nach Postleitzahl funktioniert und einige Branchen, etwa Geschäfte für Alkohol oder Glücksspiel, ausgeschlossen sind.

Die Grünen wollen eine Bezahlkarte light

Genau dagegen sträuben sich die Bundes-Grünen und wollen deshalb keine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Audretsch warnte davor, dass Geflüchtete in Zukunft nur noch in einzelnen Stadtteilen einkaufen und Kinder von Geflüchteten ausgegrenzt werden könnten. „Es könnte dazu führen, dass sie sich am Schulkiosk kein Brötchen mehr kaufen können.“

Die Grünen wollen die Bezahlkarte so beschränkungsfrei wie möglich. Also so wie in Hannover. Dort hat die Stadt mit dem grünen Oberbürgermeister Belit Onay an der Spitze im Dezember eine eigene „Socialcard“ eingeführt, die Geflüchteten einen diskriminierungsfreien Zugang zum bargeldlosen Zahlen bieten soll. Zwar ist auch in der niedersächsischen Hauptstadt die Entlastung der Verwaltung ein Grund für die Bezahlkarte.

Doch Onay betont auch, es gehe darum, Menschen in Notsituationen eine Teilhabe zu ermöglichen. Daher soll es keinerlei Beschränkungen geben. Die Socialcard in Hannover habe hinsichtlich Branchen, Bargeldabhebung, regionaler Reichweite oder Onlinehandel keine Einschränkung, teilte eine Sprecherin der Stadt dem Tagesspiegel mit. Weder in der Ausschreibung noch im Auftrag für die Karte seien solche Beschränkungsmöglichkeiten enthalten gewesen.

Mit der Bezahlkarte wird die gesellschaftliche Ausgrenzung von Geflüchteten vorangetrieben.

Katharina Stolla, Vorsitzende der Grünen Jugend, hält die Bezahlkarte für falsch.

Dagegen sieht die im rot-grün regierten Hamburg gerade erst eingeführte „Socialcard“ für Geflüchtete Beschränkungen vor. Sie kann ausschließlich in Deutschland benutzt werden, es sind keine Online-Käufe möglich. Zudem können maximal 50 Euro Bargeld pro Monat an Geldautomaten abgehoben werden. In einigen Branchen ist das Zahlen mit der Karte nicht möglich: Glücksspiel, Geldtransfer, Überweisungs- und Bargeldservice, Gutscheinverkauf, Finanzprodukte, virtuelle Währungen.

Es gibt bei den Grünen jedoch auch generelle Kritik an dem Projekt: „Mit der Bezahlkarte wird die gesellschaftliche Ausgrenzung von Geflüchteten vorangetrieben“, sagte Katharina Stolla, Chefin der Grünen Jugend, dem Tagesspiegel. Sie hält den Anforderungskatalog der Länder für die Bezahlkarte für diskriminierend. „Deswegen dürfen die Grünen einer Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht zustimmen.“

Es ist die Zwickmühle, in die die Grünen geraten sind. Die Wünsche der Länder auf der einen Seite, auf der anderen die Ablehnung der eigenen Basis. Die Bezahlkarte, deren Ausschreibung nach Tagesspiegel-Informationen am Freitag veröffentlicht wird, dürfte wohl noch häufiger Thema im Bundestag werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false