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Nicht nur für die Ukraine ist sein Wahlsieg eine schlechte Nachricht: Robert Fico entschied die Wahl in der Slowakei für sich.

© dpa/Pavol Zachar

Deutsche Einheit, Slowakei und USA: Gefährliche Drift in den Populismus

Ob Nein zur Ukrainehilfe oder Verachtung von Demokratie und Rechtsstaat: Den Linkspopulisten Robert Fico unterscheidet wenig vom Ungarn Orban. SPD und SD in Europa müssen sich von ihm trennen.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Nach Feiern ist wenigen zumute am 33. Tag der Einheit. In Deutschland wird mehr über das Trennende als das Gemeinsame gesprochen. International wachsen die Risiken. In den USA kann der befürchtete Government Shutdown nur um den Preis vermieden werden, dass die Ukrainehilfe aus dem Budget gestrichen wird.

In der Slowakei kehrt der Linkspopulist Robert Fico an die Macht zurück. 2018 war der ex-kommunistische Regierungschef durch Massenproteste aus dem Amt gejagt worden – wegen Korruptionsskandalen und des Verdachts der Verwicklung in die Morde an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová.

Welche dieser Entwicklungen ist die größere Gefahr? Auf den ersten Blick das drohende Ende der Ukrainehilfe. Wenn die USA aussteigen, der größte Geber von Waffen- und Finanzhilfe, und parallel die Slowakei, das nach Polen wichtigste Transitland für Waffenlieferungen, kann Wladimir Putin triumphieren.

Droht das Aus für die Ukrainehilfe?

Doch so weit ist es noch nicht. Die Anführer der Demokraten und der Republikaner im US-Senat, Chuck Schumer und Mitch McConnell, haben angekündigt, die Ukrainehilfe in einer separaten Abstimmung zu beschließen. In der Slowakei wollen Ficos potenzielle Koalitionspartner Kiew weiter unterstützen.

Die gravierendere Bedrohung, ob USA, Slowakei, Deutschland, Italien oder Skandinavien: Überall erstarken die politischen Ränder, nehmen Populismus und Polarisierung zu. Die Kräfte der Mitte wenden sich jedoch meist nicht gemeinsam gegen diese Gefahr. Sie sind selbst gefangen in der Polarisierung und wollen die Bedrohung nur im anderen Lager sehen, statt in den radikalen Rändern beider Seiten.

Ficos Sieg als Albtraum für die SPD

Man möchte hoffen, dass der Ausgang in der Slowakei vielen Deutschen die Augen öffnet. Hierzulande hat man sich daran gewöhnt, antidemokratische Bewegungen und die Aushöhlung des Rechtsstaats in der EU als „rechts“ zu verorten.

Das Comeback Ficos zeigt, dass es auch eine „linke“ Variante gibt. Der Sozialdemokrat steht für alles, was man sonst mit dem „rechten“ Ungarn Viktor Orbán verbindet. Er untergräbt Demokratie und Rechtsstaat, besetzt Schlüsselstellen in der Verwaltung, der Justiz und der Wirtschaft mit Parteigängern. Er droht Ermittlern und Richtern mit Rausschmiss, um eine juristische Aufklärung der Vorwürfe gegen ihn zu verhindern.

Und er zeigt ein bedenkliches Verständnis für Wladimir Putin. Sanktionen gegen Russland lehnt er ab. Das macht Absprachen in der EU noch schwerer.

Ficos Smer-Partei ist offizieller Partner der SPD und Mitglied der sozialdemokratischen Parteienfamilie SD im Europäischen Parlament. Sie kommen nun unter ähnlichen Druck, Fico und die Smer auszuschließen, wie zuvor die Christdemokraten, sich von Orban und seiner Fidesz zu trennen.

Die Slowakei ist kein Sonderfall ist. SPD und SD haben seit Jahren ähnliche Probleme mit ihren Partnern in Bulgarien und Rumänien. Auch die waren in Regierungszeiten in kriminelle Machenschaften verwickelt. Auch dort gab es Versuche, die Ermittlungen durch politischen Druck oder gar eine Amnestie niederzuschlagen.

Angesichts der politischen Praxis in der Slowakei, Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien wirken Unterscheidungen in einen brandgefährlichen „Rechtspopulismus“ und einen angeblich weniger bedrohlichen „Linkspopulismus“ willkürlich. Die Linken vereinnahmen das Nationale, die Rechten das Soziale. Im Grunde müsste man beide „nationalsozialistisch“ nennen, wäre dieser Begriff nicht durch die deutsche Geschichte tabuisiert.

Auf die Verschmelzung des Nationalen mit dem Sozialen zielt auch Sahra Wagenknecht mit ihrem Parteiprojekt.

Beiden Lagern und ihren Wählern gemeinsam ist die Sehnsucht nach einem starken, autoritären Staat, der die Volksgemeinschaft schützt und das Feindbild des Individualismus im liberalen Westen. In der Propaganda werden Anliegen wie Geschlechterfragen, Antirassismus und die Sorge um das Klima als „woke“ verteufelt – auch von Linkspopulisten wie Fico.

Durch das parallele Erstarken von linken wie rechten Populisten quer durch Europa, von Frankreich im Westen bis zur Slowakei im Osten, von Italien und Spanien im Süden bis Skandinavien im Norden, kommen die Demokraten in der Mitte unter Druck. Sie dürfen nicht mehr so tun, als habe nur das Gegenlager ein Problem mit seinen Rändern. Sie müssen sich gemeinsam gegen die Feinde von Demokratie und Rechtsstaat stellen.

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