zum Hauptinhalt
Die Opposition in Kenia will ab jetzt jede Woche in der Hauptstadt Nairobi gegen die Regierung demonstrieren.

© AFP/LUIS TATO

Wut-Frühling in Afrika: Die Jugend des Kontinents begehrt gegen die Eliten auf

In vier der wichtigsten Staaten Afrikas formieren sich breite Protestbewegungen. Getragen werden sie vor allem von jungen Menschen. Die haben gute Gründe für ihre Wut.

Sie gehören zu den größten Playern des Kontinents – die mächtigen Staaten Kenia, Südafrika, Nigeria und Tunesien. Geografisch liegen sie weit auseinander, verteilt über ganz Afrika. Und doch haben sie viel gemeinsam: Alle vier Staaten gelten als stabile Demokratien und als wirtschaftlich vergleichsweise stark. Fast 350 Millionen Menschen leben dort.

Und noch etwas teilen die vier Länder: In jedem einzelnen regt sich der Unmut der Bevölkerung gegen die eigene Regierung.

Vor allem die Jugend ist unzufrieden mit der politischen Klasse – und trägt den Protest auf die Straße. Was steckt hinter dem Wut-Frühling in Afrika? 

Kenia: Enttäuscht vom „Schlitzohr“-Präsidenten

Er sei einer aus dem einfachen Volk – mit dieser Botschaft ist der kenianische Präsident William Ruto im vergangenen Jahr in den Wahlkampf gezogen.

William Ruto ist seit September 2022 kenianischer Staatspräsident.
William Ruto ist seit September 2022 kenianischer Staatspräsident.

© imago/Xinhua

Er nannte sich selbst einen „Hustler“, was – nach kenianischer Lesart – so etwas ist wie eine Mischung aus Überlebenskünstler und Schlitzohr. Einer, der mit allen Wassern gewaschen ist, aber auch viel schuften muss, um am Ende des Tages Essen auf den Familientisch zu bringen. So wie die vielen Straßenhändler, Kurierfahrer oder Schuhputzer im Geschäftsviertel der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Dort brachen am Wochenanfang gewalttätige Proteste gegen den Präsidenten aus. Jugendliche warfen Steine, die Polizei schoss mit Tränengas, auch auf Abgeordnete der Opposition.

Es ist Zeit, Stellung für unsere Demokratie und Zukunft zu beziehen.

Raila Odinga, kenianischer Oppositionsführer

Der Grund für die Krawalle: Die Menschen sind enttäuscht von Ruto, dem selbsternannten „Hustler“. Der hat einst als Hühnerverkäufer begonnen, heute zählt der studierte Biologe zu den Reichsten des Landes. Von seinem Versprechen, die Lebenserhaltungskosten zu senken, ist bislang nichts zu spüren. Im Gegenteil. Der Schilling, die nationale Währung, ist im freien Fall.

Rutos schärfster Konkurrent, Ex-Ministerpräsident Raila Odinga, will deshalb den Druck auf die Regierung erhöhen. Am Montag folgten Tausende in den Städten Nairobi und Kisumu seinem Protestaufruf. „Es ist Zeit, Stellung für unsere Demokratie und unsere Zukunft zu beziehen“, sagte Odinga, der die Wahlen 2022 als „gestohlen“ bezeichnet.

Raila Odinga hat schon mehrfach versucht, Präsident zu werden. Er gilt als schärfster Kritiker der kenianischen Regierung.
Raila Odinga hat schon mehrfach versucht, Präsident zu werden. Er gilt als schärfster Kritiker der kenianischen Regierung.

© REUTERS/Thomas Mukoya

Lokale Medien berichten, dass der 78-Jährige am Montag selbst von Sicherheitskräften mit Tränengas angegriffen wurde. Es gab mehrere Festnahmen. Odinga hat angekündigt, ab jetzt jede Woche gegen die Regierung zu demonstrieren. 


Südafrika: Keine Energie für den Alltag

Von einem „Wut-Frühling“ am Kap kann man zwar nicht sprechen. Auf der Südhalbkugel hat gerade der Herbst begonnen. Doch die neue Jahreszeit dürfte in Südafrika politisch umso heißer werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zwar wurde Anfang der Woche zunächst nichts aus dem „Nationalen Shutdown“, zu dem Regierungsgegner aufgerufen hatten. Nur vereinzelt schlossen Geschäfte, wohl aus Angst vor Krawallen. Die linksradikale Partei „Economic Freedom Fighters“ (EFF), mit knapp elf Prozent drittstärkste Kraft im Parlament, hatte einen Generalstreik angestrebt.

Ihr Vorsitzender Julius Malema wünscht sich die „Revolution“. Zugleich betont er, seine Bewegung sei friedlich. „Wir tun nichts“, sagte der 42-Jährige am Montag vor Tausenden in Pretoria. „Wir laufen nur schön herum und bringen unsere Anliegen vor.“ Das sind vor allem der Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die ungleiche Verteilung des Wohlstands. In der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen ist weit mehr als jeder Zweite ohne Job.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die marxistische EFF ist besonders in den Armenvierteln beliebt. Bei den Demos am Wochenanfang forderten deren Anhänger in Pretoria, Johannesburg, Kapstadt und Durban mit Sprechchören und Plakaten den Rücktritt von Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa. Er wird von vielen für die schwere Energiekrise des Landes verantwortlich gemacht.

3500
Soldaten will Südafrikas Regierung im Kampf gegen die Kriminalität einsetzen.

Viele können ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen. Dazu kommt es immer wieder zu Blackouts. Auch stellt der staatliche Versorger Eskom häufig den Strom ab, um das marode Elektrizitätsnetz zu entlasten. So sitzen unzählige Haushalte oft bis zu zehn Stunden im Dunkeln. Die Krise lähmt den Alltag und bringt Südafrika an seine Grenzen.

Auf die Proteste reagiert die Regierung mit Abwehr. Noch vor Beginn des „Nationalen Shutdowns“ wurden Hunderte Kritiker von der Polizei verhaftet. Für Ruhe sorgen soll nun auch die Armee. Rund 3500 Soldaten wurden kürzlich für die Bekämpfung der Kriminalität abkommandiert, zunächst befristet bis zum 17. April.


Nigeria: Die Jugend vermutet Wahlbetrug

Mehr als drei Wochen nach der Präsidentschaftswahl kommt Nigeria nicht zur Ruhe. In einigen Bundestaaten des 220 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern zählenden Landes wurden in diesen Tagen zwischenzeitlich Versammlungsverbote und nächtliche Ausgangssperren verhängt ­– um der „Gefährdung von Recht und Ordnung vorzubeugen“, wie es aus dem nigerianischen Informationsministerium heißt.

Der Grund: Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl Ende Februar gibt es nach den Gouverneurswahlen vom 18. März erneut Vorwürfe des Wahlbetrugs. So stürmten etwa am Montag wütende Menschen das Büro der Wahlbehörde INEC im Bundestaat Enugu, im Süden des Landes, und verlangten Aufklärung. Die Stimmung ist angespannt.

Nigerias designierter Präsident Bola Tinubu (l) und der amtierende Staatschef Muhammadu Buhari.
Nigerias designierter Präsident Bola Tinubu (l) und der amtierende Staatschef Muhammadu Buhari.

© REUTERS/Nigeria's Presidency

Auch EU-Wahlbeobachter kritisieren Unregelmäßigkeiten bei den Abstimmungen. „Während unserer Mission haben wir gesehen, dass die Nigerianer einen großen Appetit auf Demokratie haben und sich vielfach gesellschaftlich engagieren. Allerdings wurden in vielen Teilen des Landes ihre Erwartungen nicht erfüllt“, sagte der Chef der EU-Delegation, der irische Europa-Abgeordnete Barry Andrews, diese Woche in der Hauptstadt Abuja.

220
Millionen Menschen leben in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas.

Vor allem die jungen Anhängerinnen und Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Peter Obi klagen über Wahlfälschung. Sie hatten auf einen Wandel gehofft. Obi hat inzwischen vor Gericht Beschwerde gegen das Ergebnis eingereicht.

Die Präsidentschaftswahl offiziell gewonnen hat der 70-jährige Bola Tinubu, ein Mann der Regierungspartei. Viele Junge zweifeln daran, dass er die vielfältigen Probleme Nigerias lösen kann. Diese reichen von Korruption über islamistische Gewalt und Kriminalität bis hin zur steigenden Inflation. Die Teuerungsrate in dem ölreichen Land lag zuletzt bei mehr als 20 Prozent. 


Tunesien: Angst um die Demokratie

Viele Menschen in Tunesien sorgen sich schon länger um den Zustand ihrer Demokratie. Seit Präsident Kais Saied im Juli 2022 das Parlament aufgelöst hat und sich immer mehr Befugnisse zu sichern versucht, macht unter Oppositionellen das Wort vom „Coup“ die Runde.

Die Situation in Tunesien ist sehr, sehr gefährlich.

Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter

Tunesien ist das einzige Land, das nach dem Arabischen Frühling 2011 zur Demokratie wurde. Damit, so lauten zumindest die Befürchtungen von Regierungskritikern, könnte es aber bald vorbei sein, sollte der Präsident seine Macht weiter ausbauen.

Seit Wochen gibt es in der Hauptstadt Tunis Proteste gegen die Regierung. Hier Mitglieder der tunesischen Gewerkschaft UGTT.
Seit Wochen gibt es in der Hauptstadt Tunis Proteste gegen die Regierung. Hier Mitglieder der tunesischen Gewerkschaft UGTT.

© REUTERS/ZOUBEIR SOUISSI

Tausende Menschen versammelten sich deshalb am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt Tunis zum Protest. „Das Volk will den Präsidenten absetzen“, hieß es in Sprechchören. Medienberichten zufolge nahmen auch Anhänger der islamistischen Ennahdha-Bewegung an der Demo teil.

Die Proteste richten sich nicht nur gegen Saieds zunehmend autoritären Kurs, der sich etwa in Verhaftungen von Kritikern und Journalisten zeigt.

Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung speist sich auch aus der desolaten wirtschaftlichen Lage. Tunesien ist hoch verschuldet, nach offiziellen Angaben liegt die Inflation bei mehr als zehn Prozent, die Arbeitslosigkeit bei mehr als 15 Prozent.

Ernsthafte Sorgen macht man sich darüber inzwischen auch in Europa. „Die Situation in Tunesien ist sehr, sehr gefährlich“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag nach einem Treffen der europäischen Außenminister in Brüssel. „Wenn das Land wirtschaftlich oder sozial zusammenbricht, werden neue Migrantenströme nach Europa kommen. Diese Situation müssen wir vermeiden.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false