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230301 -- ABUJA, March 1, 2023 -- President-elect Bola Tinubu C, Front celebrates with his supporters after his victory in Nigeria s presidential election in Abuja, capital of Nigeria, March 1, 2023. Bola Tinubu from Nigeria s ruling All Progressives Congress party has won Nigeria s presidential election with over 8.79 million ballots, the country s electoral body said Wednesday. Photo by /Xinhua NIGERIA-NEW PRESIDENT-BOLA TINUBU EmmaxOsodi PUBLICATIONxNOTxINxCHN

© imago/Xinhua/Emma Osodi

Nigerias neuer Präsident : Wie kann Bola Tinubu sein Land aus der Krise führen?

Nigerias Wirtschaft hängt fast komplett an einem Produkt, das bald niemand mehr haben will: dem Erdöl. Das stellt den neuen Präsidenten Bola Tinubu vor eine historische Aufgabe.

Ein Präsident als Zentrum der Staatsgewalt – ein Arrangement, ganz anders als in Deutschland. Wie auch in den USA ist die Präsidentschaft in Nigeria eine starke Institution. Daher blicken die Bürgerinnen und Bürger ganz anders auf den neu gewählten Präsidenten als die Deutschen auf ihren Kanzler. 

18 Präsidentschaftskandidaten haben sich in den zurückliegenden Monaten den wohl hitzigsten Wahlkampf in Nigerias Geschichte geliefert. Gewonnen hat Bola Ahmed Tinubu. Doch sollte man ihm dazu nun gratulieren – oder ihn eher bemitleiden? Angesichts des Zustands Nigerias kann man sich auch fragen: Warum will irgendjemand gerade jetzt ausgerechnet diesen Job haben?

Denn die Aufgaben, vor denen Tinubu steht, sind gewaltig. Islamisten und Kriminelle terrorisieren das Land, Korruption zersetzt den Staat – Enttäuschte im Norden und Südosten stärken separatistische Bewegungen.

Eine historische Aufgabe

Die Gründe für all das sind vielfältig – doch extreme wirtschaftliche Ungleichheit spielt in allen nigerianischen Krisen eine wesentliche Rolle. (Von dieser Ungleichheit profitieren nationale Eliten ebenso wie die vielen internationalen Geschäftspartner, darunter viele in Europa und Deutschland).

Um überhaupt eine Chance zu haben, wird der Präsident zunächst ein grundlegendes Problem lösen müssen: die Staatskasse sanieren und die Wirtschaft ankurbeln. Es ist eine historische Aufgabe. Denn Nigerias Staatswesen hängt fast komplett an einem Gut, das in Zukunft niemand mehr haben will: dem Erdöl. Etwa 80 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Ölsektor.

Das macht das Land anfällig für Krisen. Zwischen 2015 bis 2021 lag das Wachstum bei durchschnittlich 1,1 Prozent, weil der Ölpreis zwischen 2014 und 2016 um 70 Prozent gesunken war. Die bisherige Regierung hat stets mit Krediten gegengesteuert. Deshalb ist Nigeria hoch verschuldet.

80
Prozent seiner Einnahmen muss Nigeria zur Schuldentilgung einsetzen

Hohe Zinssätze sorgen auch hier für eine fragwürdige Umverteilung öffentlicher Gelder in nationalen und internationalen Privatbesitz. So hat der Staat im vergangenen Jahr 80 Prozent seiner Einnahmen nur für die Schuldentilgung ausgegeben. Bis 2027 wird das Land Schätzungen der Weltbank zufolge 160 Prozent seiner Einnahmen für den Schuldendienst ausgeben, wenn sich die Situation nicht ändert.

Nigeria muss also die Steuern erhöhen und die Ausgaben senken. An beiden Fronten wird der neue Präsident schwierige Entscheidungen treffen müssen. Die Steuerquote lag in Nigeria im Jahr 2020 bei 5,5 Prozent. In Südafrika war sie im selben Jahr fünf Mal so hoch.

Nigeria wird also entweder die Steuersätze erhöhen oder bei der Steuererhebung effizienter werden müssen. Letzteres ist wohl die zweckmäßigere Option. Bislang ist die Einhaltung der Steuervorschriften dürftig. Das wird der Präsident ändern müssen, was ihm aber freilich keine Freunde bescheren wird.

Der Bus von Präsident Tinubu bei der letzten Wahlkampf-Rally.
Der Bus von Präsident Tinubu bei der letzten Wahlkampf-Rally.

© afp/John Wessels

Auf der Ausgabenseite wird der neue Präsident die Subventionierung von Erdölprodukten abschaffen müssen. Nigeria subventioniert den Import von Benzin, obwohl es selbst jeden Tag 1,6 Millionen Barrel Rohöl (rund 215.000 Tonnen) aus der Erde holt. Da es aber kaum eigene Raffinerien hat, muss es Treibstoff teuer aus dem Ausland kaufen.

Nach dem Anstieg des Ölpreises als Folge des russischen Einmarsches in die Ukraine, gingen zwar auch Nigerias Einnahmen in die Höhe. Doch die steckte die Regierung in den Import von Benzin. Das ist als politische Praxis sehr populär in der Wählerschaft, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher direkt davon profitieren.

1,5 Millionen Klimaflüchtlinge

Mehrere Versuche, die Subventionen abzuschaffen, stießen in der Vergangenheit auf öffentliche Empörung – und scheiterten. Inzwischen scheint die Elite die Tatsache akzeptiert zu haben, dass sich etwas ändern muss. Doch dafür wird Präsident einiges an politischem Kapital aufwenden müssen.

Unterstützer von Präsidentschaftskandidat Atiku Abubakar in Kano, Nordwest Nigeria.
Unterstützer von Präsidentschaftskandidat Atiku Abubakar in Kano, Nordwest Nigeria.

© afp/Pius Utomi Ekpei

Noch schwerer wird der Kampf gegen den Klimawandel, der das Leben der Nigerianerinnen und Nigerianer besonders hart trifft. Alleine im vergangenen Jahr mussten etwa 1,5 Millionen Menschen wegen Überschwemmungen ihre Häuser verlassen. Mehr als 600 starben. Solche Katastrophen werden künftig noch mehr werden.

Es wird also viel Geld für die Anpassung und zur Unterstützung derjenigen brauchen, die von Überflutungen, der fortschreitenden Wüstenbildung und der allgemeinen Unvorhersehbarkeit der Wetterverhältnisse betroffen sind.

Um den Klimawandel aufzuhalten, will sich die Welt in den kommenden Jahren vom Erdöl verabschieden – von Nigerias wichtigster Ressource. Der Präsident braucht also nicht nur einen Plan, um die desolate Wirtschaft seines Land wieder in Gang zu bringen und den Staat zu sanieren. Er wird auch eine Idee entwickeln müssen, wie er das auf eine nachhaltige Weise umsetzen kann.

Das würde ihm die Unterstützung internationaler Geldgeber sichern. Es ist jedoch ein Kunststück, wie es bislang noch kein Land vollbracht hat: ein radikaler Neuanfang, ein Sprung vom fossilen Zeitalter in eine grüne Zukunft. Für den neuen Präsidenten ist es eine Aufgabe, um die man ihn nicht beneiden kann. Aber es ist auch eine Chance für ihn, Geschichte zu schreiben.

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