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Israel scheint derzeit eine Offensive im südlichen Gazastreifen vorzubereiten.

© REUTERS/Amir Cohen/Bearbeitung Tagesspiegel

Geisel-Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas: Kommt es zu einer Feuerpause an Ramadan?

Es gibt die Hoffnung auf eine Feuerpause in Gaza zu Beginn des Ramadan. Doch eine Katastrophe beim Verteilen von Lebensmitteln könnte das erschweren. Drei Experten analysieren die Lage.

Von
  • Johannes Becke
  • Hans-Jakob Schindler
  • Andreas Böhm

Noch vor wenigen Tagen war Joe Biden zuversichtlich, dass es Anfang kommender Woche eine Feuerpause in Gaza geben könnte. Doch nach dem Drama beim Verteilen von Lebensmitteln mit Dutzenden Toten ist der US-Präsident zurückhaltend, ob es rasch zu einer zeitlich begrenzten Waffenruhe kommt.

Tausende Menschen waren auf Lastwagen mit Hilfslieferungen zugestürmt, es gab Panik und Gedränge, zudem sollen Schüsse gefallen sein. Nun könnte der Druck auf Israel nochmals steigen, in eine Feuerpause einzuwilligen – möglichst noch vor dem Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan am 10. März. Drei Experten schätzen die Chancen darauf ein. Alle Folgen unserer Reihe „3 auf 1“ finden Sie hier.


Eine Feuerpause könnte einer Eskalation entgegenwirken, aber die Kriegsgefahr ist damit nicht gebannt

Vieles spricht für einen weiteren Deal zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas: Eine Feuerpause im Ramadan könnte einer regionalen Eskalation entgegenwirken – und angesichts des genozidalen Massakers, das die Hamas am 7. Oktober an israelischen Zivilisten verübte, kann sich jeder vorstellen, wie die Hamas mit den jüdischen Männern, Frauen und Kindern in ihrer Gewalt umgeht. Die Kriegsgefahr im Nahen Osten ist damit nicht gebannt: Solange Israel nicht in Rafah interveniert, ist die Hamas militärisch nicht besiegt.

Trotz ihrer brutalen Gewalt (oder gerade deswegen?) erntet die Hamas zudem begeisterte Zustimmung unter Palästinensern und in der progressiven Linken – wenn sie mit dieser Methode erfolgreich palästinensische Terroristen aus israelischen Gefängnissen freipressen kann, schafft das im schlimmsten Fall weitere Anreize für den nächsten 7. Oktober. Der Iran und seine Milizen schauen jedenfalls genau zu – und freuen sich über die „Israelkritik“ in der westlichen Welt.


Eine komplette Feuerpause ist unwahrscheinlich, verringerte Kampfhandlungen sind jedoch möglich

Eine komplette Feuerpause ist unwahrscheinlich, eine Reduzierung der Kampfhandlung ist eher realistisch. Die Hamas kämpft um ihren Fortbestand als Machtfaktor in Gaza und das Überleben ihres Führungspersonals. Die Regierung Netanjahu hat drei, sich zum Teil widersprechende Ziele: Zerstörung der Hamas-Infrastruktur in Gaza, die Befreiung der Geiseln, den Fortbestand der Regierung. Diese Positionen so in Einklang zu bringen, dass eine generelle Pause möglich ist, wird schwierig werden.

Dies zeigt die Ablehnung der Verhandlungsvorschläge durch die israelische Regierung vor rund zwei Wochen und durch die Hamas vor einigen Tagen. Daher ist davon auszugehen, dass in den kommenden Wochen und auch über Ramadan die Kampfhandlungen, wenn auch auf reduziertem Niveau, weitergehen werden. Teilabkommen, das heißt ein Austausch von einigen der verbleibenden Geiseln für eine Unterbrechung der Kampfhandlungen in einem Teil von Gaza, scheint jedoch in der aktuellen Situation ein erreichbares Ziel zu sein.


Es kommt auf das Kalkül der Kriegsparteien an und auf Katar, Druck auf die Hamas auszuüben

Kommt es zu einem Waffenstillstand? Die Frage stellt sich anders: Wovon hängt ab, ob es dazu kommt? Die Antwort darauf ist eindeutig: dem Kalkül der Parteien und dem politischen Willen von US-Präsident Biden sowie von Katar als Vermittler. Netanjahus radikale Partner suchen den Konflikt, um ihr Projekt einer ethnischen Säuberung voranzutreiben. Der Befreiung der Geiseln kommt, Finanzminister Smotrich zufolge, nur nachrangige Bedeutung zu.

Wird Israels Premier ihnen Einhalt gebieten? Und wird Biden auf Worte Taten folgen lassen und seinen Einfluss geltend machen? Andernfalls droht ihm die progressive Basis seiner Partei wegzubrechen. Die Hamas besteht auf einer permanenten statt einer temporären Waffenruhe.

Es liegt an Katar, auf das in Doha ansässige Hamas-Politbüro Druck auszuüben. Eine Waffenruhe würde nicht nur gravierende humanitäre Not lindern, sondern auch die Lage in Jerusalem entspannen, wo es während des Ramadans häufig zu Zusammenstößen kommt.

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