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Ein Mann aus Mali wartet in einem Schleuserhaus in Agadez im Norden des Niger auf die Weiterreise.

© imago-images/Sebastian Backhaus

Schleuser bleiben künftig straffrei: Was die Aufhebung des Anti-Migrations-Gesetzes im Niger bedeutet

Der Niger zählt zu den wichtigsten Transitländern für afrikanische Migranten, die nach Europa gelangen wollen. Was bedeutet die Aufhebung eines Gesetzes, das 2015 auf Druck der EU entstand? Drei Experten geben Auskunft.

Die Schleusung von Migranten soll im westafrikanischen Niger künftig straffrei bleiben. Der Anführer der Militärjunta, Abdourahamane Tiani, habe das entsprechende Gesetz aufgehoben, sagte ein Sprecher des nigrischen Regimes am Montag. Das Gesetz war Teil der europäischen Strategie zur Begrenzung der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer.

Der Niger zählt zu den wichtigsten Transitländern für afrikanische Migranten, die nach Europa gelangen wollen. Seit 2015 arbeitete die EU mit dem Niger zusammen, um vor allem die Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren. Seit einem Putsch am 26. Juli wird der Niger vom Militär regiert. Die Beziehungen des Landes zu seinen bisherigen westlichen Partnern liegen seither überwiegend auf Eis.

Gesetz auf Wunsch der EU

Unter Druck der EU wurde das Gesetz 2015 verabschiedet. Es stellt den Schmuggel von Migranten von Agadez durch den Sahel bis zur Grenze mit Libyen unter Strafe. Bis zu zehn Jahre Haft drohten. Im Gegenzug sagte die EU dem Niger rund 75 Millionen Euro für Projekte zur Eindämmung von Migration zu.

„Das Gesetz wurde stark von europäischen Interessen und Geldgebern beeinflusst. Es hat nur bedingt den lokalen Kontext beachtet“, sagt Migrationsexpertin Franzisca Zanker vom Arnold-Bergsträsser-Institut dem Tagesspiegel. Es sei von Beginn an von Teilen der nigrischen Zivilgesellschaft kritisiert worden.

„Das Gesetz wirkte sich in vielerlei Hinsicht negativ aus, zum Beispiel auf die lokale Wirtschaft in Grenzstädten wie Agadez“, erläutert Zanker. Daher werde die Aussetzung von der Bevölkerung durchaus positiv aufgenommen. Das Regime erfahre dadurch Legitimierung.

„Nach der Einführung des Gesetzes haben viele Menschen in Orten wie Agadez ihre Lebensgrundlage verloren, die auf der Migration beruhte“, sagt Afrika-Experte Olumide Abimbola vom Thinktank Africa Policy Research Institute. Denn zwischen Niger und Libyen gebe es jahrhundertelange Wanderungsbewegungen.

Man dürfe auch nicht vergessen, dass der Niger nach dem Staatsstreich unter weitreichenden Sanktionen der EU stehe. All dies mache das Leben der Menschen schwerer. „Ich könnte mir vorstellen, dass das Regime mit der Aussetzung des Gesetzes auch auf den Druck der lokalen Gemeinschaften reagiert hat, die unter dessen wirtschaftlichen Folgen gelitten haben“, erklärt Abimbola.

Druckmittel des Regimes

Für Ulf Laessing, den Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung sind die Beweggründe anders gelagert. Das Militärregime habe das Gesetz ausgesetzt, um Druck auf Europa auszuüben in Richtung einer Anerkennung. „Das ist quasi der letzte Warnschuss der Junta, dass die EU mit ihnen den Dialog aufnimmt – oder ansonsten mehr Armutsmigration riskiert“, sagt Laessing.

„Einige EU-Staaten wie Deutschland und Italien, die mehr Migration fürchten, haben sich für Gespräche mit der nigrischen Junta ausgesprochen, konnten sich aber gegenüber Frankreich nicht durchsetzen“, erläutert Laessing. Das räche sich nun. Die Armut im Niger sei seit dem Putsch deutlich angestiegen. Ausländische Geber hätten sich zurückgezogen, die meisten Projekt seien eingestellt worden.

„Niger war immer Transitland für Migranten“, führt Laessing aus. „Jetzt werden auch viele Menschen aus Niger in die Nachbarländer wie Côte d’Ivoire auswandern oder versuchen, sich nach Europa durchzuschlagen.“

(mit dpa)

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