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Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin.+

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

„Ein Schlag ins Gesicht“: Baerbock telefoniert nach Soldatenputsch mit Außenminister von Niger

Seit dem Umsturz ist Nigers Präsident festgesetzt. Die Putschisten hatten im TV die Machtübernahme in dem wichtigen Partnerland des Westens verkündet. Die Lage betrifft auch deutche Soldaten.

| Update:

Außenministerin Annalena Baerbock hat nach dem Putsch im Niger am Donnerstag mit ihrem Amtskollegen Hassoumi Massoudou telefoniert und dabei die „volle Unterstützung“ Deutschlands für die demokratische Entwicklung in dem westafrikanischen Land deutlich gemacht.

Dazu gehöre auch die umgehende Freilassung von Präsident Mohamed Bazoum, sagte die Grünen-Politikerin laut einer Mitteilung des das Auswärtigen Amts.

Nachdem Offiziere der Präsidentengarde den im Februar 2021 gewählten Bazoum am Vortag festgesetzt und für entmachtet erklärt hatten, stellte sich die Armee am Donnerstag auf die Seite der rebellierenden Militärs. Die Putschisten warnten ausländische Staaten davor, militärisch einzugreifen.

„Dass sich in Niger jetzt Militärs an die Macht putschen wollen, ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Nigrerinnen und Nigrer, die in den letzten Jahren so viel dafür gegeben haben, dass ihr Land eine bessere Zukunft hat“, betonte die Grünen-Politikerin auf Twitter.

Abzug der Bundeswehr aus Mali könnte beeinnträchtigt werden

Der Militärputsch in Niger könnte auch den Abzug der Bundeswehr aus dem benachbarten Mali nach Einschätzung des Sahel-Experten Ulf Laessing erheblich beeinträchtigen. „Der Abzug der Bundeswehr aus Mali wird durch die neue Lage deutlich schwieriger“, sagte der Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr in Nigers Hauptstadt Niamey solle das Drehkreuz für die Rückverlegung der Bundeswehr aus dem Nachbarland Mali sein, so Laessing. „Dort sollten Flugzeuge aus Gao ankommen, aber auch Transporte über Land.“

Von ihrem Stützpunkt im malischen Gao könne die Bundeswehr nicht durch Zentralmali Richtung Küste fahren, das sei ebenso wie der Landweg über Burkina Faso zu gefährlich. „Deswegen gehen alle Lkw der Bundeswehr über Niger“, sagte der KAS-Experte.

„Es ist zu hoffen, dass die künftige Regierung in Niger weiterhin mit der Bundeswehr kooperiert.

Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS)

„Es ist zu hoffen, dass die künftige Regierung in Niger weiterhin mit der Bundeswehr kooperiert. Sonst wird der Zeitplan des Abzugs aus Mali bis Jahresende stark gefährdet sein. Das bringt die Bundeswehr in eine sehr komplizierte Lage.“ Mit dem Ende der UN-Mission Minusma in Mali will die Bundeswehr ihren dortigen Einsatz bis Ende des Jahres beenden.

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat sich besorgt über mögliche Folgen des Putsches in Niger für den Abzug der Bundeswehr aus Mali gezeigt. „Die Lage in Niger ist sehr unübersichtlich“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag den Zeitungen

„Entscheidend für uns ist, dass der Abzug unserer Soldatinnen und Soldaten aus Mali, sofern über den Flughafen in Niger erforderlich, weiterhin geordnet stattfindet, und die Bundesregierung uns engst auf dem Laufenden hält.“ 

Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten sind laut Bundesverteidigungsministerium in Sicherheit. „Wir haben die Rückmeldung, dass unsere Soldaten in Sicherheit sind - das ist uns das Wichtigste“, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.

Der Bundestag hatte im Mai das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM Niger erteilt. Aktuell sind daran laut Bundesverteidigungsministerium etwa ein Dutzend Bundeswehr-Soldaten beteiligt.

Festgesetzter Präsident appelliert an „Demokratie und Freiheit“ festzuhalten

Der bei dem Putschversuch von Militärs festgesetzte Präsident von Niger, Mohamed Bazoum, hat seinen Landsleuten das Festhalten an „Demokratie und Freiheit“ zugesagt. „Alle Nigrer, die Demokratie und Freiheit lieben, werden dafür sorgen“, schrieb er am Donnerstag bei Twitter, das in „X“ umbenannt wurde.

Der bisherige nigrische Außenminister Hassoumi Massoudou rief dazu auf, den „versuchten Staatsstreich“ nicht zu unterstützen. „Wir sind die rechtmäßige Regierung“, sagte Massoudou dem Sender France 24.

Nigers Präsident Bazoum – hier bei einem Gipfel Ende Juni in Paris – wurde von seiner Garde festgesetzt.
Nigers Präsident Bazoum – hier bei einem Gipfel Ende Juni in Paris – wurde von seiner Garde festgesetzt.

© Imago/Abaca/Stevens Tomas

Massoudou ist derzeit Interimsregierungschef des westafrikanischen Landes, weil der nigrische Ministerpräsident sich zum Zeitpunkt des Putschversuchs auf einer offiziellen Reise in Rom befand. „Es ist nicht die gesamte Armee, die sich an dem versuchten Staatsstreich beteiligt“, sagte er.

Er appelliere an alle Demokraten im Land, sich gegen die „schändliche Aktion zu wehren, die unser Land um Jahrzehnte zurückwerfen und den Fortschritt blockieren würde“. Die meuternden Militärangehörigen rief er dazu auf, Präsident Mohamed Bazoum freizulassen und ihre Forderungen im Dialog zu klären. Er habe außerdem mit Bazoum gesprochen und erklärte dazu, dass es dem Präsidenten gut gehe.

Der Generalstab der nigrischen Armee will unterdessen nach eigenen Angaben „die Erklärung“ der Putschisten „unterschreiben“ und damit „das Regime“ von Präsident Mohamed Bazoum „beenden“. Die Armeeführung habe „beschlossen, sich der Erklärung der (...) Sicherheitskräfte anzuschließen, um “eine mörderische Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften zu vermeiden„, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung von Generalstabschef Abdou Sidikou Issa.

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Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte unterdessen den „Versuch von Teilen des Militärs, die verfassungsmäßige demokratische Ordnung Nigers umzustoßen“. Deutschland fordere diese auf, den demokratisch gewählten Präsidenten unverzüglich freizulassen, betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Donnerstag. „Wir verfolgen die Ereignisse in Niger mit sehr großer Sorge“, fügte er hinzu.

In der Hauptstadt Niamey war die Lage am Donnerstag unklar. Eine Gruppe von Militärs hatte in einer Fernseh-Ansprache die Absetzung des Präsidenten und die Machtübernahme der Armee verkündet.

Oberstmajor Abdramane verkündet den Staatsstreich im Niger.
Oberstmajor Abdramane verkündet den Staatsstreich im Niger.

© dpa/ORTN/AP/Uncredited

Die Institutionen der siebten Republik seien aufgelöst, die Luft- und Landesgrenzen geschlossen und es herrsche eine landesweite Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr (Ortszeit), sagte Oberst Amadou Abdramane am späten Mittwochabend im nationalen Fernsehsender RTN.

Grund für Putsch im Niger: fehlende Sicherheit, schwache Wirtschaft

Demnach hätten die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte „entschieden, dem Regime ein Ende zu setzen“. Als Grund für den Staatsstreich führte Abdramane die Verschlechterung der Sicherheitssituation, die schwache Wirtschaft und die Regierungsführung Bazoums an.

Abdramane sprach von einem „Nationalen Rat zum Schutz des Vaterlandes“ (CNSP), der die Macht übernommen habe. Offen war zunächst, ob Abdramane und die neun weiteren Soldaten im Fernsehen für die ganze Armee sprachen.

Nach Mali und Burkina Faso ist Niger der dritte Staat, der seit 2020 einen Putschversuch erlebt. Niger galt zuletzt als wichtigster Verbündeter der westlichen Staaten im Kampf gegen den Dschidahismus, seitdem die Militärjunta in Mali den Abzug der internationalen Soldaten gefordert hatte.

Bazoum und seine Familie sollen wohlauf sein

Am Mittwochmorgen hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, den seit 2021 amtierenden demokratisch gewählten Bazoum (63) in seinem Palast in der Hauptstadt Niamey festgesetzt und den Zugang zum Palast und mehreren Ministerien gesperrt.

Das Büro des Präsidenten teilte bei Twitter, das in „X“ umbenannt wurde, mit, der Präsident und seine Familie seien wohlauf. Aus dem Umfeld Bazoums hieß es, der Staatsstreich sei „zum Scheitern verurteilt“.

Im Zentrum der Hauptstadt Niamey versammelten sich nach Angaben von Journalisten Demonstranten, die dem Staatschef ihre Unterstützung ausdrücken wollten. Einige versuchten zum Amtssitz des Präsidenten zu gelangen, wurden aber von der Präsidentengarde mit Warnschüssen vertrieben, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP.

EU verhandelt offenbar mit Putschisten

Die Parteien von Nigers Regierungskoalition prangerten den „selbstmörderischen und anti-republikanischen Wahnsinn“ der Putschisten an. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, warf auf Twitter der Präsidentengarde vor, „in völligem Verrat an ihrer republikanischen Pflicht“ zu handeln. 

Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen.

Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter

Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) verurteilte den Putschversuch und forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Bazoums.

Die Europäische Union teile die Einschätzung der Ecowas, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei Twitter, das in „X“ umbenannt wurde, erklärte. „Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen.“

Nach Angaben von EU-Diplomaten haben Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum gesprochen. Er war demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz.

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Den Informationen der EU zufolge liefen am Abend Verhandlungen mit den Meuterern. Zudem sollte nach Gesprächen mit anderen Staatschefs der Region eine Delegation aus Nigeria im Niger eintreffen.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres sprach mit Bazoum, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte. Er habe seine volle Unterstützung und Solidarität zum Ausdruck gebracht.

Nachbarstaaten lehnen Machtwechsel im Niger ab

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hat die von Militärs verkündete Machtübernahme im Niger „auf das Schärfste“ zurückgewiesen. Präsident Mohamed Bazoum sei „weiterhin der von der Ecowas anerkannte legitime und rechtmäßige Präsident Nigers“, teilte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft am Donnerstag mit.

Sie verurteilte „den Putsch, der in völliger Verletzung der demokratischen Grundsätze steht, auf denen die Verwaltung der politischen Macht in der Ecowas-Region beruht“. Der Bund koordiniert die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit von 15 Mitgliedsstaaten in Westafrika.

USA fordern Freilassung des Präsidenten

Unterdessen forderte US-Außenminister Antony Blinken die sofortige Freilassung von Präsident Bazoum. „Wir fordern seine sofortige Freilassung, wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen“, sagte Blinken am Donnerstag vor Reportern während eines Besuchs in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington.

Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Nigers sowie mit Partnern in der Region und weltweit. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen, auch ein Kontakt zu Bazoum bestehe.

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Erst am Morgen habe Blinken mit Bazoum telefoniert, sagte der US-Außenminister in Wellington weiter. Dabei habe er klargemacht, dass die USA Bazoum als den demokratisch gewählten Präsidenten des Niger unterstützten. Man beobachte die Situation und die Entwicklungen in dem Land sehr genau.

Niger: Wichtiges Partnerland des Westens

Ein Umsturz hätte weitreichende Folgen. Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt.

Der Niger war nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde, und damit ein wichtiger Partner der USA und der EU im Kampf gegen wachsende Instabilität in der Region.

Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen. (lem, dpa, AFP)

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