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Die Regenbogenfahne auf dem Reichstagsgebäude.

© IMAGO/Virginia Garfunkel

Kein Gesetzesvorhaben verabschiedet: Queerpolitische Ampel-Bilanz – Wo bleibt der Aufbruch?

Die Ampelregierung ist seit einem Jahr im Amt. Sie hatte sich queerpolitisch viel vorgenommen, doch umgesetzt wurde bisher noch wenig.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Viertel der Legislatur der Ampelregierung ist jetzt verstrichen. Mit dem Koalitionsvertrag hatten die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP einen queerpolitischen Aufbruch versprochen. Zahlreiche Vorhaben zur Verbesserung der Situation queerer Menschen sind aber noch nicht angegangen worden.

Mit der Vorstellung des Eckpunktepapiers für ein neues Selbstbestimmungsgesetz und dem Kick-off zur Umsetzung des Aktionsplans „Queer leben“ der Bundesregierung gab es erste Schritte. Außerdem hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Dienstanweisung Asyl aktualisiert und der Anwendung des sogenannten Diskretionsgebots einen Riegel vorgeschoben.

Doch ist bis heute kein einziges Gesetzesvorhaben aus dem queerpolitischen Aufbruch verabschiedet worden. Der Schwulen- und Lesbenverband kritisiert am Tag des ersten Ampeljubiläums vor diesem Hintergrund, dass trans Menschen in Deutschland immer noch „tagtäglich den pathologisierenden, diskriminierenden und teuren Prozess der Personenstandsänderung wegen des sogenannten Transsexuellengesetzes durchlaufen“.

Es geht um die rechtliche Absicherung der Vielfalt

Dabei müsse in einer demokratischen Gesellschaft der Schutz der persönlichen Freiheit die Grundlage staatlichen Handelns sein, nicht eine ideologisch aufgeladene Ordnungsvorstellung über Geschlechtszugehörigkeit.

Zu den benannten Versäumnissen zählt, dass Regenbogenfamilien seit nunmehr vielen Jahren auf eine rechtliche Gleichstellung warten: Fast fünf Jahre nach der Ehe für alle und mehr als zwei Jahre nach Einführung des dritten Geschlechtseintrags „divers“ fehlten immer noch die erforderlichen rechtlichen Reformen im Familien- und Abstammungsrecht. Dabei geht es um die gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Absicherung der Vielfalt an gelebten Familienformen wie Zwei-Mütter-Familien, Zwei-Väter-Familien, Mehrelternfamilien oder Familien mit trans- und intergeschlechtlichen Eltern.

Die geltende Gesetzeslage behindert weiterhin Blutspenden von Männern, die Sex mit Männern haben. Außerdem stehen bis heute wichtige Änderungen im Antidiskriminierungsrecht aus. Ein Beispiel ist der flächendeckende Ausbau und die nachhaltige Finanzierung eines Netzwerks von Beratungsstellen gegen Diskriminierung.

Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass der Aktionsplan „Queer leben“ die bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen bekräftige.

Damit der Aktionsplan Leben verändern könne, müsse der nun aber tatsächlich umgesetzt und wirksam finanziert werden. Der Schwulen- und Lesbenverband schlägt in diesem Fall die Einrichtung eines Sonderfonds vor. In den Regierungsfraktionen trifft diese Idee auf Sympathie. Allerdings hat noch keine weitere Befassung mit den Forderungen und Hinweisen der LSBTIQ*-Community stattgefunden.

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