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Der Bund plant zahlreiche Maßnahmen für queere Menschen.

© IMAGO/Shotshop / IMAGO/Addictive Stock

„Für eine Politik des Respekts“: Erster Aktionsplan des Bundes für LGBTIQ-Akzeptanz vorgestellt

Zum ersten Mal beschließt die Bundesregierung einen Aktionsplan für queere Menschen. Eine Demokratie müsse sich am Umgang mit Minderheiten messen lassen, sagt der Queer-Beauftragte.

Regenbogenfamilien sollen endlich rechtlich vollkommen anerkannt, Projekte zur Bekämpfung von queerfeindlicher Gewalt stärker unterstützt und Diversität am Arbeitsplatz mehr gefördert werden: Das sind drei von zahlreichen Maßnahmen des neuen Aktionsplans „Queer leben“ der Bundesregierung.

In dem Plan sind alle Vorhaben des Bundesregierung zur Akzeptanz und zum Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gebündelt, vorgestellt wurde er am Freitag in Berlin von Sven Lehmann (Grüne), dem Queer-Beauftragten der Bundesregierung und Staatssekretär im Bundesfamilienministerium.

Es ist das erste Mal, dass eine Bundesregierung einen solchen Aktionsplan überhaupt aufgestellt hat. Lehmann sprach daher von einem „historischen Tag“. Die Bundesregierung habe ein klares Leitbild: „Alle Menschen sollen selbstbestimmt, frei und sicher in unserer Gesellschaft leben können.“ Eine Demokratie müsse sich daran messen, wie sie mit Minderheiten umgehe.

Alle Menschen sollen selbstbestimmt, frei und sicher in unserer Gesellschaft leben können.

Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung

Dafür sei eine „aktive Politik gegen Diskriminierung“ nötig. Der Aktionsplan, den SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag angekündigt hatten, sei „die Agenda für eine Politik des Respekts und der Anerkennung von Vielfalt“, sagte Lehmann.

Der Plan umfasst mehrere große Themenfelder: „Rechtliche Anerkennung“, „Teilhabe“, „Sicherheit“, „Gesundheit“, „Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen“, „Internationales“.

Unter die rechtliche Anerkennung fallen etwa die bereits angekündigte Abschaffung des Transsexuellengesetzes, das durch ein Selbstbestimmungsrecht ersetzt wird. Die Reform des Familienrechts gehört dazu, um vor allem die Rechte lesbischer Mütter zu stärken, oder die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots von Diskriminierung wegen der sexuellen Identität im Grundgesetz.

„Zentrales“ Thema Sicherheit

Tatsächlich wurden viele Maßnahmen bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Der Aktionsplan sei dennoch „viel differenzierte und konkreter“, sagte Lehmann. Weitere vorgesehene Maßnahmen sind:

  • Überprüfung der Asylverfahren für queere Geflüchtete und Einführung einer besonderen Rechtsberatung
  • Forschung zur Lebenssituation von LGBITQ
  • Sensibilisierung von Kinder- und Jugendhilfe
  • Stärkung der Erinnerungsarbeit
  • Prüfung, wie eine Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen diskriminierungsfrei gefördert werden kann
  • Verbesserung der trans Gesundheitsversorgung
  • Stärkung der Menschenrechtsarbeit in Auslandsvertretungen 

Als „zentrales“ Themenfeld bezeichnete Lehmann das Thema Sicherheit. Jeden Tag würden drei oder vier Übergriffe gegen queere Menschen dokumentiert, die Dunkelziffer sei noch einmal viel höher. Vermehrt würden Übergriffe auf CSDs stattfinden.

Der Bund wolle Polizei und Länder unterstützen, Taten besser zu erfassen und die Anzeigebereitschaft von Opfern zu erhöhen. Tatsächlich hatte eine Tagesspiegel-Umfrage unter den Bundesländern unlängst ergeben, dass nur Berlin Hasskriminalität gegen LGBTIQ-Personen ausreichend und transparent erfasst.

Auch die endgültige Abschaffung des Blutspendeverbots für Männer, die Sex mit Männern haben, strebt die Bundesregierung an. Noch immer dürfen sie erst dann Blutspenden, wenn sie vier Monate lang keinen Sex hatten; ausgenommen sind Männer, die in einer monogamen Beziehung leben.

Sven Lehmann bei der Präsentation des Aktionsplans.
Sven Lehmann bei der Präsentation des Aktionsplans.

© dpa / Bernd von Jutrczenka

Konkrete Termine, bis wann das alles umgesetzt wird, sind im Aktionsplan nicht aufgeführt. Lehmann sagte, in den kommenden drei Jahren solle möglichst viel erreicht werden. Anfang 2023 werde es ein erstes großes Auftakttreffen der Ressorts mit Communityvertretungen geben. Der Bundestag soll 2024 über Fortschritte informiert werden.

Ihm sei wichtig zu betonen, dass der ganze Prozess und die Umsetzung für die Ministerien verbindlich ist, sagte Lehmann. „Ich werde als Beauftragter darauf achten, dass Ergebnisse erzielt werden.“ Im kommenden Haushaltsjahr sollten die Ministerien für die bei ihnen vorgesehenen Maßnahmen die entsprechenden Haushaltsmittel beantragen. Mit einer konkreten Summe ist der Aktionsplan bisher nicht hinterlegt.

Zu zwei zentralen Gesetzesvorhaben, die bereits in Arbeit sind, nannte Lehmann Zwischenstände. Für das Selbstbestimmungsrecht, das die Änderung des Geschlechtseintrags wesentlich vereinfachen soll, liege seines Wissens nach im Justizministerium der Gesetzentwurf „quasi fertig“ vor. Er hoffe weiterhin, dass das Gesetz Mitte 2023 in Kraft trete.

Beim Abstammungsrecht strebe das Justizministerium eine „große Lösung“ an, die nicht nur die Rechte lesbischer Mütter neu regele, sondern auch von anderen alternativen Familienkonstellationen. Seinen Informationen nach wolle das Ministerium Anfang 2023 dazu Eckpunkte veröffentlichen. Im Laufe des Jahres könnte dann der Gesetzentwurf kommen.

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