zum Hauptinhalt
Bunt. Der erster Christopher Street Day in Bautzen.

© Steinhaus Bautzen

Die wichtigsten CSDs finden in Kleinstädten statt: Auf nach Vechta, auf nach Zwickau!

Auf dem Land und in kleinen Städten sind queere Menschen oft heftigen Diskriminierungen ausgesetzt. In Großstädten hat es die LGBTQIA+-Community leichter – und hat sich in gemütlicher Ignoranz eingerichtet.

Ein Zwischenruf von Luca Lang

Es war der erste CSD, der in Bautzen stattfand. Etwa 350 queere Menschen zogen Anfang Juli durch die ostsächsische Kleinstadt, mit Regenbogen-Flaggen und Papp-Schildern, auf einem der Slogan „CSD statt AfD“. Am Straßenrand standen Bautzener Bürger*innen. Darunter solche, die die AfD 2019 zur stärksten Kraft im Landkreis gemacht hatten. Die Teilnehmende bedrohten und Eier auf den Demonstrationszug warfen. Trotzdem: Es kamen 350 Queers!

Am Samstag in Berlin wird es anders sein. Hier findet eine der größten CSD-Demos in Deutschland statt. Mehr als eine halbe Million Menschen werden erwartet. Sollten sich Gegner*innen versammeln, werden diese quantitativ kaum ins Gewicht fallen. Die übergroße Mehrheit wird sich und die LGBTQIA*-Community feiern. Wird sichtbar sein und laut.

Und wer ausgelassen feiern kann, kann sich auch mal ablenken, muss nicht vor Augen haben, dass queerfeindliche Tendenzen in aller Welt wieder erstarken.

In der Großstadt interessieren sich nur wenige für die Situation queerer Menschen auf dem Land

Queere Menschen in Bautzen können das nicht. Können es in kaum einer deutschen Kleinstadt. Denn Berlin ist nicht die Regel, Berlin ist ein Zufluchtsort für alle, die weg wollen aus ländlichen Regionen, weil Neonazis, Rechte und andere Queerfeinde dort nicht nur zum CSD am Straßenrand stehen und pöbeln.

Ihre Forderung, das Gendern an Universitäten zu verbieten, illustrierte die sächsische AfD in einem Social-Media-Post vor einigen Tagen mit einem Dreieck in Regenbogenfarben. Die Form zitiert den rosa Winkel der Nationalsozialisten – ein Symbol, das queere Häftlinge in Konzentrationslagern auf ihrer Kleidung tragen mussten. Der Post wurde inzwischen wieder gelöscht.

Bunt. Der erster Christopher Street Day in Bautzen.
Bunt. Der erster Christopher Street Day in Bautzen.

© Steinhaus Bautzen

Interesse dafür in den Großstädten? Nahe Null. Ebensowenig wie für die 350 Menschen in Bautzen. Dabei ging die Solidarität, die die queere Community sonst immer ausmachte, gerade von den Menschen aus, die besonders unter den widrigen Strukturen litten. Und auch aus ländlichen Regionen strömen regelmäßig Menschen für den CSD in die Großstädte. In die andere Richtung allerdings? Fehlanzeige.

Viele haben es sich in einer Art großstädtischem Elitismus gemütlich gemacht. Der Blick zurück auf das schwierige Landleben, auf die Enge der Kleinstadt – er ist meist ein abfälliger. Das kann nachvollziehbar sein angesichts der persönlichen Erfahrungen, die viele queere Menschen dort gemacht haben. Es schadet aber denen, die nicht wegziehen wollen oder können.

Es ist ganz wichtig, die Kleinstadt nicht den Gründen zu überlassen, aus denen man sie verlassen hat.

Lisa Wendler, Mitorganisatorin der Bautzner CSD

„Es gibt gute Gründe, warum man aus dem ländlichen Raum wegzieht“, sagt Lisa Wendler, eine der Mitorganisator*innen des Bautzner CSD. „Doch es ist ganz wichtig, die Kleinstadt nicht den Gründen zu überlassen, aus denen man sie verlassen hat.“

Darum: Bitte feiert in Berlin, so ausgelassen wie nur irgend möglich. Ich werde das auch tun. Und fahrt dann mit allen Fahnen und Transparenten in Kleinstädte und aufs Land! Ich werde das auch tun.

Nach Berlin finden noch 56 andere CSDs in Deutschland statt, in Krefeld, Lüdenscheid, Vechta, Zwickau. Und auch in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Und in der ein Kommunalpolitiker der FDP zum ersten CSD 2019 sagte, dass „so schwules Zeug keinen Platz bei uns“ habe. In ländlichen Regionen wird diese Aussage immer mehr zur Realität. Dagegen sollten wir uns wehren – am besten überall.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false