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Der Journalist Paul Ronzheimer, Ex-Boxer Wladimir Klitschko und Tatjana Kiel, CEO Klitschko Ventures, nehmen an der Veranstaltung „Cafe Kyiv 2024 - Die Zukunft der Ukraine in Europa· im Colosseum in der Schönhauser Allee teil.

© dpa/Jörg Carstensen

Wladimir Klitschko im „Café Kyiv“ in Berlin: „Während wir hier sitzen, sterben Menschen“

Vor fast zwei Jahren begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Und er tobt immer noch. Wladimir Klitschko sprach in Berlin über seine Erlebnisse und die verschleppten Kinder der Ukraine

Vielleicht ist es Zufall, dass der ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko an diesem Abend ein tarngrünes Hemd trägt. Oder es ist eben eine Referenz auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich seit dem Angriff von Russland auf die Ukraine in fast nichts anderem als tarngrünen Shirts zeigt.

Fast genau zwei Jahre nach Beginn des Angriffskrieges redet Wladimir Klitschko auf einem Panel im „Café Kyiv“ bei einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung über den Krieg und die verschleppten Kinder der Ukraine. In lockerer Atmosphäre im Kino Colosseum in Pankow, mit Drinks, Elektro-Musik, einem Kunsthandwerksmarkt und einer Schlange vor der Tür, die mit denen der beliebteren Berliner Clubs mithalten könnte, wird in verschiedenen Sessions und Ausstellungen der Angriffskrieg gegen die Ukraine thematisiert.

Das Panel um Wladimir Klitschko findet im Kinosaal „Kyiv“ statt, normalerweise Saal zehn. Es ist ein großer Kinosaal, der gemäßigt gefüllt ist. Besser gefüllt als beim vorhergehenden Panel unter anderem mit CDU-Politiker Roderich Kiesewetter ist er allemal.

Das mag an Klitschkos Prominenz liegen – oder am Thema, das er im Gepäck hat: die verschleppten Kinder der Ukraine. Tief unten verstaut allerdings, denn das Interview mit ihm und seiner Mitarbeiterin Tatjana Kiel zu seiner Erinnerung an den Kriegsbeginn zieht sich weit über die eingeplanten 15 Minuten, 40 werden daraus.

„Entschuldigung, dass wir das Interview so überziehen“, sagt der Moderator des Gesprächs, der stellvertretende Chefredakteur der „Bild“ Paul Ronzheimer, „aber diese Sicht interessiert viele“. Damit hat er Recht, das Publikum hört gespannt zu.

Und dann war Kiew ruhig

Klitschko schildert den Moment, als er vom Krieg erfuhr. „Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich fast drei Tage nicht geschlafen habe. So hoch war das Adrenalin.“ Und dann war Kiew ruhig. Klitschko erinnerte das an eine Szene in dem Film „Diener des Volkes“ von 2016. Im Film und der zugehörigen Serie spielte der heutige Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj, damals noch Schauspieler, ironischerweise den Präsidenten der Ukraine. In einer Szene laufe der Film-Präsident durch die leeren Straßen Kiews und ruft „Wo seid ihr, Leute?“. Wie im Film sei die ukrainische Hauptstadt auch in diesen Tagen im Februar 2022 wie leergefegt gewesen. Dann kamen die ersten Verletzten, erzählt Klitschko.

Vor ein paar Tagen war Wladimir Klitschko noch auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), dort habe er für weitere Unterstützung geworben. Dass Russland auch irgendwann einen Nato-Staat angreifen würde, scheint für ihn klar. Er betont immer wieder: „Es geht nicht nur um uns“ er zeigt auf sich „es geht um UNS“ er deutet in den Saal. „Während wir hier sitzen, sterben Menschen, dieser Krieg ist keine Theorie“. Seit Monaten debattieren die Bundesregierung sowie der Bundestag, ob man der Ukraine „Taurus“-Marschflugkörper liefern sollte.

Über 19.000 vermisste urkainische Kinder

Die letzte viertel Stunde geht es dann doch noch um die verschleppten ukrainischen Kinder, über die Wladimir Klitschko und Tatjana Kiel ein Buch geschrieben haben. Dafür kommen Lanna Idriss, die Vorständin der SOS-Kinderdörfer weltweit, und Joshua Hofert, Vorstandsmitglied des Kinderhilfswerks „Terre des Hommes“, auf die Bühne. Wladimir Klitschko bildet die ruhige Mitte, zwei sitzen rechts von ihm, zwei links.

Beschrieben wird die Lage der Kinder aus den besetzten ukrainischen Gebieten, die nach Russland verschleppt und dort zu Ukraine-Hass umerzogen werden. „89 Kinder konnten wir zurückholen, über 19.000 sind noch vermisst“, schildert Lanna Idriss. Zurück blieben zerstörte Familien, denn selbst wenn die Kinder gerettet werden können, seien sie schwer traumatisiert. Auch da müsse die Hilfe ansetzten, sagt die Vorsitzende der SOS-Kinderdörfer. Die „Russifizierung“ der ukrainischen Kinder würde als Kriegswaffe eingesetzt, die Kinder sollen später gegen die Ukraine in den Krieg ziehen, führt sie weiter aus.

Als die Zeit um ist, verlassen die meisten Zuschauer mit Wladimir Klitschko den Saal. Für das Panel danach, in dem es weiter um die Schicksale der verschleppten Kinder geht, bleiben wenige.

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