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Iris Spranger (SPD), Innensenatorin von Berlin.

© dpa/Jens Kalaene

Update

„Kann ich Polizei und Feuerwehr schließen“: Berlins Innensenatorin wehrt sich gegen Sparvorgaben

Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte Vorgaben des Finanzsenators kritisiert. Die Innensenatorin schließt sich ihm an – und warnt vor drastischen Folgen.

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Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stemmt sich gegen die pauschalen Vorgaben von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) an alle Ressorts. „Wenn das so kommt, kann ich Polizei und Feuerwehr schließen“, sagte sie am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Dann wird Mitte eines Monats kein Einsatzwagen mehr fahren können, weil das Benzin nicht mehr bezahlt werden kann.“

Spranger forderte wie zuvor SPD-Fraktionschef Raed Saleh, dass über Sparpotenziale je nach Ressort entschieden werden müsse. „Man kann nicht pauschal per Gießkanne über alle Ressorts sparen, das muss politisch entschieden werden“, sagte sie.

Da nicht beim Personal oder Mietkosten gespart werden könne, blieben nur die Sachausgaben und Investitionen übrig. Davon müsste nach Vorgaben und Berechnungen der Innenverwaltung die Hälfte gestrichen werden. Das beträfe Spritkosten, neue Ausrüstung wie Bodycams, Taser und neue Fahrzeuge, aber auch Boote, Waffen und Munition.

Für die Polizei stehen etwa in diesem Jahr 2,06 Milliarden Euro zur Verfügung. Nach Abzug der Kosten für Personal und Mieten blieben noch 276 Millionen Euro für Sachmittel und Investitionen übrig, bei denen gespart werden könnte. Mit Evers’ Rotstiftplan müssten dort knapp 50 Prozent wegfallen.

Ähnlich ist es bei der Feuerwehr: Beim Budget von 484 Millionen Euro blieben als Sparpotenzial 119 Millionen Euro übrig – 24 Prozent davon würden dann den Einsparungen zum Opfer fallen.

Inneres, Bildung und Justiz könnten besonders betroffen sein

Weil Personalausgaben von der verbindlichen Sparvorgabe des Finanzsenators ausgenommen sind, träfe es die Ressorts Inneres, Bildung und Justiz besonders hart. Dort ist der Kostenanteil für Personal besonders hoch, der übrige Anteil der Kosten, bei denen gespart werden müsste, ist geringer. Im Bildungsressort liegt der Anteil der Personalkosten bei knapp 66 Prozent, bei Justiz bei 57 Prozent und im Innenressort bei 69 Prozent.

Die Einsparungen sind notwendig, weil im Anfang Dezember vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Doppelhaushalt eine Finanzierungslücke klafft. Dort sind fast vier Milliarden Euro eingeplant – sogenannte Pauschale Minderausgaben –, die nicht ausgegeben werden können und demnach eingespart werden müssen. Laut Vorgabe der Finanzverwaltung sollen alle Berliner Senatsverwaltungen im kommenden Jahr 5,9 Prozent ihres jeweiligen Haushaltsvolumens einsparen. 

SPD-Fraktionschef Saleh hatte am Mittwochmorgen im RBB die pauschale Vorgabe kritisiert und gefordert, für die konkreten Sparpläne die Steuerschätzung im Mai abzuwarten. Finanzsenator Evers hatte die Senatoren in einem Schreiben kurz vor Jahresende gebeten, ihm Vorschläge zu Einsparungen bis Ende Februar zu schicken.

Nach dem Vorstoß Salehs präzisierte eine Sprecherin der Finanzverwaltung, alle Senatoren seien gebeten worden, bis Ende Februar „erste Vorschläge“ zu entwickeln.  „Auch die Steuerschätzung im Mai wird eine Rolle für die abschließende Einigung im Senat spielen“, sagte sie. 

Spätestens zur Mitte des Jahres sei dem Parlament mitzuteilen, wie genau die nötigen Einsparungen erbracht werden sollen. Die Entscheidung darüber treffe nicht der Finanzsenator, sondern der Senat insgesamt. In diesem Prozess gebe es „naturgemäß Raum für Diskussionen“, entscheidend sei das Ergebnis.

Evers’ Sprecherin verwies mit Blick auf die Steuerschätzung darauf, dass auch noch weitere Einschnitte folgen könnten. „Angesichts der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist nicht ausgeschlossen, dass zusätzliche Anstrengungen erforderlich werden“, sagte sie.

Saleh fordert intensive Diskussion um Prioritäten

SPD-Fraktionschef Saleh hatte am Mittwochmorgen dem RBB gesagt, der Finanzsenator mache es sich „sehr leicht“. Die „Methode Evers“ entspreche der Methode Rasenmäher.

Die Koalition müsse intensiv über die Prioritäten diskutieren. „Einige Häuser haben dann weniger Prozente und andere mehr“, sagte er mit Blick auf die verschiedenen Senatsverwaltungen.

CDU-Fraktionschef unterstützt Salehs Vorschlag

Auch CDU-Fraktionschef Dirk Stettner unterstützt den Vorschlag Salehs, die Steuerschätzung abzuwarten: „Natürlich ist die Steuerschätzung eine wichtige Information, von der wir derzeit noch nicht sagen können, wie sie ausfallen wird“, sagte er dem Tagesspiegel. Es sei sinnvoll, diese abzuwarten und anzugucken.

Stettner sagte, er gehe davon aus, dass die Senatsverwaltungen bereits seit Jahresanfang prüfen, wo sie einsparen können. Auf die Frage, welche Schwerpunkte er setzen wolle, sagte er: „Ich persönlich nehme da niemanden aus – alle müssen gucken, wo eingespart werden kann.“

Das klang beim Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) Mitte Dezember noch anders. Dieser hatte im Interview mit dem RBB angedeutet, dass die Innen- und die Bildungsverwaltung möglichst nicht angefasst werden sollten.

Wann genau die Sparvorschläge der Senatoren vorliegen müssen, dazu wollte Stettner keine Aussage treffen. „Die Vorschläge werden exekutiv vorbereitet. Und wenn sie vorliegen, werden wir sie bewerten.“

Kritik aus der Opposition

Von den Grünen und Linken im Berliner Abgeordnetenhaus kam deutliche Kritik. Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch verwies darauf, dass sowohl die Opposition als auch der Finanzsenator selbst seit Wochen davor warnten, dass die hohen Sparvorgaben nicht nur auf dem Papier stehen. Kaum fordere Evers seine Senatskollegen auf, ihren Beitrag zum Sparen zu leisten, gehe der Koalitionspartner von der Fahne.

„Der finanziellen Verantwortung fürs Land Berlin gerecht zu werden, ist für die schwarz-rote Koalition ganz offenbar eine Zerreißprobe, der sie kaum gewachsen ist“, sagte Jarasch. Wenn sich Senator Evers erneut nicht durchsetze, werde dort gespart, wo sich niemand dagegen wehren kann: „bei den Zuwendungen für die sozialen Projekte und Organisationen.“

Der schwarz-rote Doppelhaushalt entpuppt sich als das, was er immer war: eine Mogelpackung.

Carsten Schatz, Vorsitzender der Linksfraktion

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Carsten Schatz, äußerte sich ähnlich: „Der schwarz-rote Doppelhaushalt entpuppt sich als das, was er immer war: eine Mogelpackung.“ Das Chaos produziere maximale Unsicherheit bei den sozialen Trägern in der Stadt. Er forderte den Senat dazu auf, Vorschläge zur Auflösung des „Haushaltschaos“ zu machen.

Gewerkschaften warnen vor Sparzwang

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei warnte ebenfalls vor Sparmaßnahmen: Die Polizei könne ihre gesetzlichen Aufgaben dann nicht mehr erfüllen. „Dann können wir ganze Polizeiabschnitte abschließen, die Bußgeldstelle dicht machen und werden in Zukunft nur noch an vier Tagen in der Woche Funkwagen auf Berlins Straßen haben“, sagte Stephan Weh.

„Die Innere Sicherheit wird durch den Sparzwang derart geschwächt, dass es einem die Sprache verschlägt“, warnte Lars Wieg, Landeschef der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG). Bereits 2023 habe die Feuerwehr kurz davor gestanden, wegen ausstehender Rechnungen keinen Treibstoff mehr an den Tankstellen zu bekommen. Die Koalition müsse sagen, was ihr wichtiger sei – die innere Sicherheit oder hunderte Millionen Euro für das Berlin-Ticket.

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