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Raed Saleh ist Co-Chef der SPD Berlin und Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

© Imago/Bernd Elmenthaler

Nach offenem Brief von Gemeindechef Joffe: Jüdische Vertreter üben Kritik und solidarisieren sich mit Berliner SPD-Vorsitzendem Saleh

Gideon Joffe, Chef der jüdischen Gemeinde Berlin, hatte dem SPD-Vorsitzenden Raed Saleh vorgeworfen, zum Hamas-Terror zu schweigen. Vertreter des jüdischen Berlins sind irritiert.

Mit einem offenen Brief an den Berliner SPD-Chef Raed Saleh hat der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, viel Unmut in Teilen der jüdischen Stadtgesellschaft provoziert. In dem online im Tagesspiegel veröffentlichten Gastbeitrag hatte Joffe dem SPD-Landesvorsitzenden eine ungenügende Verurteilung des Hamas-Terrors seit dem Angriff auf Israel am 7. Oktober vorgeworfen.

Joffe schrieb darin, dass seine Bewunderung für Saleh einer „tiefen Enttäuschung“ gewichen sei. Nach dem terroristischen Angriff der Hamas habe Saleh mit „ohrenbetäubendem Schweigen“ reagiert. „Mittlerweile weiß ich, dass Du Dich entschieden hast, die Worte ‚Terror‘, ‚Hamas‘ und ‚Verurteilung‘ nicht in den Mund zu nehmen“, schrieb er an Saleh gerichtet. „Du bist der einzige SPD-Landesvorsitzende, der seine Solidarität mit den Opfern des bestialischen Massakers nicht zum Ausdruck gebracht hat.“

Die jüdische Gemeinde wolle die Zusammenarbeit mit Saleh bezüglich des Wiederaufbaus der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg beenden. Joffe forderte Saleh zum Rücktritt aus dem Kuratorium auf.

Synagogen-Kuratorium nennt Joffe „unzuverlässigen Partner“

Doch ausgerechnet der Vorstand und das Kuratorium des Jüdischen Zentrums Synagoge Fraenkelufer fordern nun ihrerseits den Rücktritt Joffes aus dem Kuratorium: „Wir würden den Rücktritt von Herrn Joffe aus dem Kuratorium begrüßen, denn er hat sich leider schon lange als unzuverlässiger Partner erwiesen“, hieß es in einer Stellungnahme.

Wir würden den Rücktritt von Herrn Joffe aus dem Kuratorium begrüßen.

Vorstand und Kuratorium des Jüdischen Zentrums Synagoge Fraenkelufer 

Man könne die Kritik an Saleh nicht nachvollziehen. „Raed Saleh meint es mit seinem Engagement für den Wiederaufbau der Synagoge ernst.“ Sein Einsatz für die Vielfalt an jüdischen Organisationen und Initiativen in Berlin sei beispiellos und errege weltweit Respekt. „In den vergangenen Wochen hat sich Herr Saleh tatkräftig für das jüdische Leben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin eingebracht“, hieß es in der Stellungnahme weiter.

Tatsächlich engagiert sich Saleh seit Jahren für den Wiederaufbau der Synagoge in Kreuzberg. Am Dienstagabend äußerte er sich zu den Vorwürfen und sagte der „Jüdischen Allgemeinen“, die Kritik Joffes habe ihn sehr getroffen, er habe sich immer klar positioniert gegen jede Form von Antisemitismus. Er verurteile selbstverständlich den Angriff der Hamas auf Israel, betonte Saleh.

Protokolle zeigen: Saleh verurteilte Terror im Beisein Joffes

Laut Protokollen aus einer Kuratoriumssitzung für den Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer, die dem Tagesspiegel inzwischen vorliegen, hatte Saleh dort schon am 9. Oktober den Angriff der Hamas „entschieden verurteilt“. Nach Informationen mehrerer Teilnehmer und einer Protokollnotiz war bei dieser Sitzung zwei Tage nach dem Massaker in Israel auch Gideon Joffe digital zugeschaltet.

Schon im Mai 2022 wurde dagegen vom Verein für den Wiederaufbau beschlossen, dass die Jüdische Gemeinde nicht mehr bei der Planung des Neubaus beteiligt sein wird. Der Neubau der Synagoge findet nur auf den beiden landeseigenen Grundstücken statt, nicht wie ursprünglich geplant auch auf dem der Jüdischen Gemeinde. Grund sind laut Darstellung mehrerer Mitglieder des Kuratoriums fehlende Gespräche mit dem Gemeindevorsitzenden Joffe.

Raed Saleh hat sich als treuer Freund und Unterstützer des jüdischen Lebens in Berlin erwiesen.

Die Jüdische Gemeinde Kahal Adass Jisroel in einer Stellungnahme

Am Mittwoch reagierten auch weitere Persönlichkeiten des jüdischen Lebens in Berlin mit Irritation auf die Aussagen Joffes und solidarisierten sich mit Saleh. Yehuda Teichtal, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin, sagte, er habe den SPD-Politiker als Persönlichkeit kennengelernt, die aktiv Programme zur Stärkung des jüdischen Lebens und zur Bekämpfung des Antisemitismus in Berlin unterstützt habe.

Auch die Jüdische Gemeinde Kahal Adass Jisroel betonte in einem Statement beim Kurznachrichtendienst X die anhaltende Unterstützung für den SPD-Vorsitzenden. „Raed Saleh hat sich als treuer Freund und Unterstützer des jüdischen Lebens in Berlin erwiesen“, hieß es. Man erkenne „seine wichtigen Beiträge zu einem blühenden, sicheren und sichtbaren jüdischen Leben in unserer Stadt“ an.

Anfangs Fragen über mögliche Zurückhaltung auch bei CDU und SPD

Der Vorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Dervis Hizarci, verteidigt Saleh ebenfalls gegen den Angriff Joffes: „Raed Saleh engagiert sich sehr lange und wirklich unermüdlich für die Synagoge und auch darüber hinaus, für die Stärkung der Zivilgesellschaft. Er hat als einer der ersten Berliner Politiker gleich zu mehreren großen Runden nach dem 7. Oktober eingeladen“, sagte Hizarci. „Dort hat er sowohl die Hamas verurteilt als auch Schweigeminuten für die Opfer gehalten. Ich kann die Kritik absolut nicht verstehen und nachvollziehen.“

In der Presserunde nach dem ersten dieser Treffen am 3. November hatte Saleh vom „fürchterlichen Angriff der Hamas auf Israel“ gesprochen und berichtet, dass man eine Schweigeminute „für die vielen Opfer der brutalen Morde, der Verbrechen der Hamas am 7. Oktober“ gehalten habe.

Innerhalb von CDU und SPD gab es hinter vorgehaltener Hand anfangs auch Fragen über eine mögliche Zurückhaltung des in Palästina geborenen SPD-Chefs bei der Bewertung des Angriffs. Dazu trug auch bei, dass Saleh bei einer Debatte dazu im Abgeordnetenhaus nicht anwesend war. Saleh war zu dieser Zeit nachweislich erkrankt. In einer von seiner Fraktion und der CDU-Fraktion ausgearbeiteten Resolution, die im am 19. Oktober verabschiedet wurde, hieß es: „Das Abgeordnetenhaus von Berlin verurteilt den Terror der Hamas gegen Israel auf das Schärfste“.

Auf die Vorwürfe Joffes gegen ihren Co-Vorsitzenden angesprochen, sagte SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey am Mittwoch, Saleh setze sich „seit Jahren für mehr Verständigung, den interreligiösen Dialog und den Kampf gegen Antisemitismus“ ein. Sie sei überzeugt davon, dass er das auch weiterhin tun werde.

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