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Risse in einer Straße in Chiang Rai, Thailand

© stock.adobe.com/Tawatchai Khid-arn

Riskantes Bohren im Boden: Wenn der Mensch die Erde beben lässt

Der Mensch kann Erdbeben verursachen, wenn er etwa Wasser in den Untergrund pumpt. In Berlin und Potsdam forschen sie daran, wie man das künftig besser kontrollieren kann.

Bohrt der Mensch kilometertief in die Erde, presst Flüssigkeiten hinein oder pumpt sie heraus, kann das den Untergrund durcheinanderbringen und Erdbeben auslösen. Wie in Basel: Dort sollte Anfang der 2000er Jahre mithilfe von Erdwärme kaltes in heißes Wasser verwandelt werden. Doch die damit verbundenen Tiefenbohrungen verursachten kleinere Erdbeben und Risse an Häusern, sodass das Projekt „Deep Mining Heat“ beendet wurde.

Expert:innen setzen trotzdem Hoffnungen in solche Technologien. Geothermie und die Speicherung von CO₂ in der Tiefe sollen helfen, die Erderwärmung zu begrenzen und unseren Energiehunger zu stillen. Doch auch die Förderung von Öl und Gas im großen Umfang sowie Fracking können geologische Spannungen verursachen. An der Freien Uni (FU) in Berlin sowie am Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) beschäftigen sich Forschende mit menschengemachten Erdbeben – und wie wir sie besser kontrollieren.

Glatte und raue Oberflächen

So hat ein Team um den Geophysiker Lei Wang am GFZ untersucht, welchen Einfluss die Oberflächenbeschaffenheit von Verwerfungen auf den Entstehungsprozess von Erdbeben hat. Verwerfungen sind Zonen, entlang derer sich Gesteinsschollen im Untergrund verschieben. Glatte Verwerfungen sind wie ein sauberer Schnitt im Gestein, raue dagegen uneben und verhaken sich leichter.

Marco Bohnhoff, Professor für Experimentelle- und Bohrlochseismologie, hat an der GFZ-Studie mitgewirkt und sagt: „Wenn sich Erdplatten aneinander vorbeibewegen, verhaken die Verwerfungen an den Plattenrändern durch Reibung und es staut sich Energie an.“ Irgendwann wird die Verwerfung instabil und die Erde bebt.

Je rauer, desto aktiver

Im Labor untersuchten die GFZ-Forscher, wie die Rauigkeit einer Verwerfung mit der Stärke eines Erdbebens zusammenhängt. „An rauen Verwerfungen haben wir deutlich mehr seismische Aktivität und vor allem stärkere Einzelereignisse gemessen als an glatten“, sagt Marco Bohnhoff. Das bedeutet: Je rauer eine Verwerfung, desto wahrscheinlicher ist es, dass es dort zu starken Erdbeben kommt.

Für ihr Experiment holten sich die Forscher kaffeebechergroße Standsteinstücke ins Labor. Sie sägten Verwerfungen in das Gestein und bohrten Löcher hinein, durch die sie später Wasser pressen konnten. Außerdem befestigten sie Sensoren am Sandstein, mit denen sie die Aktivität im Gestein messen konnten.

Die Geophysiker verkabelten ein Stück Sandstein und bestückten es mit zahlreichen Sensoren.
Die Geophysiker verkabelten ein Stück Sandstein und bestückten es mit zahlreichen Sensoren.

© GFZ Potsdam

Mithilfe dieser Maschine setzten sie das Gestein unter Druck, so sehr, dass darin winzige Erdbeben entstanden.
Mithilfe dieser Maschine setzten sie das Gestein unter Druck, so sehr, dass darin winzige Erdbeben entstanden.

© GFZ Potsdam

Knistern im Stein

Die Forscher interessierte vor allem ein Knistern im Sandstein – Geräusche, die entstanden, nachdem sie Wasser ins Gestein gepresst hatten, aber noch bevor es brach. Das Knistern war ein guter Indikator für Stellen, an denen es bald zu beben begann. Marco Bohnhoff sagt: „Wir können jetzt genauer prognostizieren, an welchen Stellen es wahrscheinlich zu größeren Erdbeben kommen wird.“

Im nächsten Schritt geht es darum, die Erkenntnisse aus dem Labor auf das Erdbebenmonitoring in seismisch hochaktiven Regionen wie etwa Istanbul oder Teheran anzuwenden. Ihre Forschungsergebnisse haben die Potsdamer Forscher im Fachblatt „PNAS“ veröffentlicht.

Auch die FU Berlin beschäftigt sich mit menschengemachten Beben: Ein Team um den Geophysiker Mohammad Moein veröffentlichte kürzlich eine Zusammenfassung physikalischer Prozesse, die auftreten, wenn der Mensch Flüssigkeiten in die Erde presst oder Stoffe aus ihr extrahiert. Die Überblicksstudie im Fachblatt „Nature Reviews Earth & Environment“ soll helfen, negative Auswirkungen von Energiewende-Technologien zu minimieren.

„Wir haben uns Hunderte vom Menschen induzierte seismische Ereignisse angesehen, die in der öffentlichen Datenbank HiQuake dokumentiert sind, und die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Fällen zusammengefasst“, sagt Mohammad Moein. Dabei konzentrierte sich das Team unter anderem auf das Monitoring von Erdbeben und ihre Risikobewertung. Außerdem versuchte es, die Erkenntnisse zu nutzen, um die Stärke von Erdbeben besser berechnen zu können.

„Sind die Ergebnisse wichtig? Für die Forschenden sicher sehr“, kommentiert Wolfgang Friederich, Professor für Geophysik an der Uni Bochum, die Studien der Berliner und Potsdamer Kollegen. „Für die Gesellschaft eigentlich auch, weil sie helfen, die Akzeptanzdebatte auf eine rationale Grundlage zu stellen.“

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