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Krankenschwestern feiern das Ende der Ebola-Epidemie

© Ahmed Jallanzo, dpa

Update

Wann ist die Epidemie zu Ende?: Neuer Ebola-Fall in Sierra Leone

Erstmals waren alle Übertragungsketten unterbrochen. Genau einen Tag galt Westafrika als ebolafrei. Nun wird bekannt: In Sierra Leone gibt es erneut einen Ebola-Fall. Auch sonst ist die Arbeit nicht getan, denn viele Überlebende leiden an Spätfolgen.

Sechs Wochen nachdem ein 40-jähriger Mann und sein achtjähriger Sohn aus einem Behandlungszentrum bei Monrovia entlassen wurden, hatte ganz Westafrika Grund zur Freude. Zum ersten Mal seit zwei Jahren galten die drei von der Epidemie am stärksten betroffenen Staaten als ebolafrei, alle bekannten Übertragungsketten waren unterbrochen. Das gab die Weltgesundheitsorganisation WHO am Donnerstag in Genf bekannt. Der Sieg war hart erkämpft. Mehr als 28 600 Menschen haben sich allein in Guinea, Sierra Leone und Liberia mit Ebola infiziert, etwa 11 300 sind gestorben. Unter ihnen waren Hunderte Ärzte und Pflegekräfte.

Die Arbeit sei noch nicht getan, warnte Margaret Chan, Generalsekretärin der WHO. „Wir müssen wachsam bleiben, um neue Ausbrüche zu vermeiden.“ Experten gingen davon aus, dass es weitere Ebolafälle geben wird. Das bestätigte sich in der Nacht zum Freitag. In Sierra Leone, nahe der Grenze zu Guinea, ist eine junge Frau verstorben, bei der nachträglich das Virus gefunden wurde. Nach Informationen des "Guardian" handelt es sich um eine 22-jährige Studentin. Verwandte hatten sie in ein Krankenhaus gebracht, dort wurde die Infektion jedoch nicht erkannt. Sie starb kurz darauf in ihrem Heimatdorf. Die WHO hat den Fall bestätigt - ohne genaue Angaben zu machen. Die Behörden suchen nun dringend nach allen Kontaktpersonen und versuchen, weitere Ansteckungen zu vermeiden.

In Einzelfällen können Überlebende das Virus übertragen

Wie es zu dem neuen Fall kam, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise gab es doch noch eine unbekannte Übertragungskette, möglicherweise hat sich die Patientin bei einem Tier angesteckt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ein Überlebender Ebola übertragen hat. Denn im Körper der Überlebenden kann sich das Virus monatelang verstecken, in Einzelfällen ist es bis zu ein Jahr im Sperma nachweisbar. Seit März 2015 kam es so bereits zehn Mal zu einem erneuten Aufflammen. „Das Risiko nimmt allmählich ab“, sagte Bruce Aylward, der Ebola-Verantwortliche der WHO. Dennoch dürfe jetzt kein einziger Verdachtsfall unbemerkt bleiben. Bis Ende März sollen die Gesundheitsministerien der drei Länder funktionierende Systeme zur Seuchenüberwachung sowie Eingreiftruppen etablieren, die Kranke finden, isolieren und Kontaktpersonen nachverfolgen.

Viele Überlebende leiden an Spätfolgen

Außerdem brauchen die 17 000 Überlebenden psychologische, medizinische und soziale Unterstützung. „Das ist immer noch ein Notfall“, sagte der amerikanische Tropenmediziner Daniel Bausch von der Tulane University. Viele können nicht arbeiten – nicht nur aufgrund von Stigmatisierung, sondern wegen heftiger Gelenkschmerzen, Augenentzündungen oder chronischer Erschöpfung. Wie verbreitet die Spätfolgen sind und wie lange sie anhalten, wird gerade erforscht.

„Die erste Reaktion der Weltgemeinschaft auf den Ebola-Ausbruch war eine Katastrophe: planlos, unkoordiniert und ohne politische Führung“, sagte Michael Elliot, Präsident der Organisation „One“. Die Zusagen an Westafrika dürften nun nicht vergessen werden. „Wir müssen alle aus den Erfahrungen mit Ebola lernen“, betonte auch Joanne Liu, Präsidentin von „Ärzte ohne Grenzen“. Damit die Welt künftig besser auf Pandemien reagieren kann, sollten 4,5 Milliarden Dollar pro Jahr in die Vorsorge investiert werden. Zu diesem Schluss kam die Kommission zur Schaffung eines „Global Health Risk Frameworks“, die von 250 Experten weltweit beraten wurde.

In den nächsten 100 Jahren wird es mindestens eine Pandemie geben

3,4 Milliarden Dollar seien für die Stärkung der Gesundheitssysteme nötig, eine Milliarde Dollar für die Forschung und 155 Millionen Dollar pro Jahr für die WHO. „Wir haben diesen Aspekt der globalen Sicherheit bisher vernachlässigt“, sagte der Kommissionsvorsitzende Peter Sands von der Universität Harvard bei der Vorstellung des Berichts. Dabei werden in den nächsten 100 Jahren mindestens eine, mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit vier Pandemien erwartet. Das könne Millionen Menschen töten und die Weltwirtschaft schwächen.

Die WHO müsse die Führung übernehmen, damit potenzielle Pandemien rechtzeitig erkannt und eingedämmt werden können. Dazu müsse sie sich ändern. Statt mit Verspätung einen internationalen Gesundheitsnotfall auszurufen, sollte sie ihre Mitglieder täglich über besorgniserregende Ausbrüche informieren. Bis Ende 2016 solle sie zudem ein „Center für Health Emergency Preparedness“ schaffen. Den geplanten 100-Millionen-Dollar-Notfallfonds begrüßten die Experten. Dass nur jeder dritte Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen gemäß der internationalen Gesundheitsrichtlinien nachkomme, sei nicht hinnehmbar. Die WHO solle bis Ende 2016 definieren, welche Aspekte der Seuchenüberwachung und Gesundheitsversorgung unverzichtbar seien, die Staaten dann bis 2017 erklären, wie sie ihre Schwächen innerhalb von drei Jahren beseitigen wollen. In labilen oder gescheiterten Staaten könne die UN die Koordination übernehmen und die Weltbank dabei helfen, die nötigen Mittel aufzutreiben. Fortschritte sollten unabhängig überprüft werden. Als Vorbild nannten die Experten Uganda.

Forschung vor Ort ermöglichen

Führende Wissenschaftler sollten zudem in einem Komitee Forschungsschwerpunkte festlegen sowie Ressourcen dafür mobilisieren und verteilen. Sie sollen sich bereits vor einem Ausbruch auf Studienprotokolle und Zulassungsverfahren einigen und abstimmen, welche Impfungen eingelagert werden. Vor allem jedoch soll an den Orten, die Ausgangspunkt einer Pandemie sein können, eine Forschungsinfrastruktur aufgebaut werden.

Die Vorschläge kommen bei der WHO gut an. Bisher war die Organisation vor allem beratend tätig, auch daher das Versagen bei der Ebola-Epidemie. Aylward sagte: „Wenn man einen Pinguin eine Klippe herunterstößt, weiß man, dass er nicht fliegen kann.“

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