zum Hauptinhalt
Gerettet, aber auch geheilt? Überlebende der Ebola-Epidemie in Freetown, Sierra Leone kurz vor ihrer Entlassung.

© AFP

Nachwirkungen der Epidemie: Ebola macht den Überlebenden weiter zu schaffen

Tausende haben Ebola überlebt. Doch das Virus kann sich in ihrem Körper verstecken – etwa im Sperma, in Gelenken und im Gehirn. Viele leiden an Spätfolgen. Besonders hart traf es die schottische Ebola-Krankenschwester Pauline Cafferkey.

Als Pauline Cafferkey Ende Januar aus dem Royal Free Hospital in London entlassen wurde, lächelte sie erschöpft in die Kameras. Die Krankenschwester hatte Ebola überlebt, anders als viele Patienten, die sie bei ihrem Einsatz für „Save the Children“ in Sierra Leone kennengelernt hatte und die ihr nicht mehr aus dem Kopf gingen. Einmal stand sie einer sterbenden Frau bei und bemerkte, dass ein kleiner Junge sie durch das Fenster beobachtete. Es war seine Mutter, erzählte er ihr später. Er hatte bereits Vater und Schwester verloren. Kurz darauf infizierte Cafferkey sich selbst und rang drei Wochen in London mit dem Virus.

Monate nach der Ebola-Infektion erneut krank

Mehr als neun Monate später ist die 39-Jährige zurück auf der Isolierstation. „Ihr Zustand hat sich verschlechtert und ist nun kritisch“, teilte das Krankenhaus am Mittwoch mit. Sie leide an einer ungewöhnlichen Spätfolge ihrer Ebola-Infektion. Ob das Virus im Hirnwasser monatelang überdauert hat oder in einer anderen Körperflüssigkeit nachweisbar ist, geht daraus nicht hervor. 58 Menschen hatten mit Cafferkey Kontakt, als sie sich krank fühlte. Deren Gesundheit wird vorsichtshalber 21 Tage überwacht. Ihr Ansteckungsrisiko sei aber äußerst niedrig, betonen die britischen Behörden. 25 Kontaktpersonen bekamen auf Wunsch den experimentellen VSV-Ebola-Impfstoff.

Sicher ist: Ebola kann sich nach der Heilung in einigen Ecken des Körpers verstecken, die das Immunsystem nicht oder nur schlecht erreicht. Das Innere des Auges ist ein Beispiel, ebenso Gehirn, Hoden, Eierstöcke, Plazenta, Brustdrüsen und Gelenke. Spätfolgen sind unter Überlebenden in Westafrika keine Seltenheit.

Von 17000 Überlebenden klagt die Hälfte über Spätfolgen

28 454 Ebola-Kranke zählte die WHO dort seit 2013, etwa 17 000 haben überlebt. Nach ersten Schätzungen klagt etwa die Hälfte über heftige Schmerzen in den Gelenken, die sie ans Haus fesseln können. Ein Viertel hat Sehstörungen, teilweise ist ein Auge akut entzündet. Untherapiert kann das zur Erblindung führen. Viele fühlen sich monatelang extrem schwach und können sich nicht konzentrieren. Sie haben Ausschläge, Kopf- und Gliederschmerzen, sie hören schlecht oder sind taub. „Post-Ebola-Syndrom“ nennen das Experten inzwischen. Hinzu kommen Depression und posttraumatische Belastungsstörung, Ausgrenzung und Armut. „Ihr Immunsystem ist außerdem so geschwächt, dass sie anfälliger für Malaria sind“, sagt Katherine Owen, die Direktorin von „Goal“ in Sierra Leone. Die Hilfsorganisation betreibt Augenkliniken für Überlebende.

„Ebola ist anders als andere Seuchen“, sagt der Infektiologe Timo Wolf, der in der Isolierstation in Frankfurt am Main einen Ebola-Patienten betreut hat. „Wir können nicht aus Westafrika verschwinden, nur weil es im Moment keine neuen Fälle gibt.“ Zum einen brauchen die Überlebenden Spezialisten, die sie behandeln. Zum anderen müsse das medizinische Personal infektiologisch gut geschult sein und die Risiken kennen. „Es gibt viele offene Fragen zu dieser Krankheit und ihren Spätfolgen. Jetzt kann man Daten sammeln, um sie zu beantworten“, sagt Wolf.

Ebola überdauert im Sperma

In Sierra Leone beobachten daher Forscher des Gesundheitsministeriums, der WHO und der amerikanischen Seuchenbehörde CDC, wie lange Ebola nach der Heilung in welcher Körperflüssigkeit zu finden ist. Zunächst baten sie 100 überlebende Männer um eine Spermaprobe – und fanden bei der Hälfte von ihnen Viren-Erbgut. Der Prozentsatz schrumpfte von 100 Prozent in den ersten drei Monaten nach der Heilung auf 26 Prozent nach neun Monaten, schreiben die Forscher um Gibrilla Deen vom Connaught-Krankenhaus in Freetown im Fachblatt „New England Journal of Medicine“. Allerdings handelte es sich um kleine Mengen. Forscher vom CDC prüfen nun, ob man Ebola aus dem Sperma isolieren kann und beobachten in Zellkulturen, wie infektiös es ist.

Insgesamt spiele die sexuelle Übertragung keine besondere Rolle, meint der Virologe Stephan Becker von der Universität Marburg. „Sonst wäre die Epidemie anders verlaufen.“ Armand Sprecher von „Ärzte ohne Grenzen“ bestätigt das. Er mahnt, die Überlebenden nicht noch mehr zu stigmatisieren. „Wir dürfen nicht vergessen, dass sie eine schwere Krankheit hinter sich und Verwandte verloren haben. Wenn sie nun als Bedrohung gesehen werden, vergrößern wir ihr Leiden.“

Ansteckung beim Sex ist nicht auszuschließen

Ausgeschlossen ist die Ansteckung beim Sex allerdings nicht. Das zeigt eine zweite Studie, die jetzt im „New England Journal of Medicine“ erscheint. Ein Team um Gustavo Palacios vom Institut für medizinische Forschung der US- Armee in Fort Detrick rekonstruierte einen Fall, der sich im März 2015 in Liberia ereignete. Damals erkrankte eine 44-jährige Frau an Ebola – obwohl das Land als frei von Ebola galt und sie keinen Kontakt zu Patienten gehabt hatte. Sie berichtete lediglich von ungeschütztem Sex mit einem Überlebenden. Er war im Herbst 2014 erkrankt und genesen.

Die Ärzte baten den Mann um eine Blut- und Spermaprobe. Im Blut war kein Virenerbgut mehr nachweisbar, in der Samenflüssigkeit dagegen schon. Anschließend verglichen Forscher das gesamte Ebola-Erbgut, dass sie bei der Frau, dem Mann und dem Bruder des Mannes gefunden hatten. Bei dem Mann und der Frau lagen drei genetische Veränderungen vor, die sonst nie in Westafrika gefunden wurden. Das spreche für eine direkte Ansteckung, schreiben die Forscher. Demnach können infektiöse Ebola-Viren 179 Tage und länger im Sperma überdauern.

Mütter sollen nicht stillen, Männer Kondome benutzen

Auf welche anderen Körperflüssigkeiten das ebenfalls zutreffen könnte, untersuchen seit Oktober die Forscher um Deen in Sierra Leone. Nun geht es um alle Überlebenden. „Wer sich daran beteiligt, tut sich und seiner Familien etwas Gutes“, sagt Yusuf Kabba, der Präsident der Vereinigung für Ebola-Überlebende in Sierra Leone. „Wir mehren das Wissen um die Krankheit.“ Bereits jetzt rät man überlebenden Frauen davon ab, ihre Babys zu stillen. Die Männer sollten so lange Kondome benutzen, bis zwei Tests zeigen, dass ihr Sperma frei von Ebola ist.

„Überlebende brauchen weiterhin erhebliche Unterstützung“, sagt Bruce Aylward, der Ebola-Beauftragte der WHO. In Liberia zum Beispiel haben vier Kliniken eine eigene Station für die Überlebenden. Möglicherweise sei diese Infrastruktur mit höheren hygienischen Standards auch für Geburten und andere Eingriffe nötig, meint Wolf. Zumindest vorübergehend.

Im Allgemeinen sei das Ansteckungsrisiko aber äußerst gering. „Das ist kein Vergleich mit einem akut an Ebola Erkrankten“, sagt er. Schließlich komme man kaum mit Gelenkflüssigkeiten, Hirnwasser oder dem Augen-Inneren in Kontakt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false