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© Getty Images

„Verbraucher fühlen sich im Supermarkt im Stich gelassen“: Oberste Verbraucherschützerin fordert Einmalzahlung und mehr Transparenz

Die Inflation kühlt sich zwar ab, beim Kauf von Lebensmitteln müssen viele weiterhin sparen. Die Chefin der Verbraucherzentrale fordert konkrete Entlastungen und einen Warnhinweis für Mogelpackungen. 

Die Bundesregierung unternimmt zu wenig gegen weiter steigende Lebensmittelpreise. Diesen Vorwurf erhob die Vorständin der Verbraucherzentrale (vzbv), Ramona Pop, am Mittwoch in Berlin. Während sich die Inflation im September insgesamt weiter abkühlt, verteuerten sich Lebensmittel um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

„Verbraucher:innen fühlen sich mit den ständig steigenden Preiserhöhungen im Supermarkt im Stich gelassen“, sagte Pop. In den Verbraucherzentralen mehrten sich die Beschwerden, vor allem auch zu versteckten Preiserhöhungen. „Es wird Zeit, dass die Bundesregierung den steigenden Lebensmittelpreisen Einhalt gebietet“, sagte Deutschlands oberste Verbraucherschützerin.

Pop stellt an die Bundesregierung drei Forderungen: Es brauche mehr Transparenz bei der Preisbildung, eine neue Sektoruntersuchung des Kartellamts sowie eine Einmalzahlung an Verbraucherinnen und Verbraucher.

Mehr Transparenz bei Preisfindung

Während sich sowohl die Preise insgesamt und für Energie als auch die Weltmarktpreise für Weizen und andere Rohstoffe im Agrarsektor wieder normalisieren, steigen die Endkundenpreise im Lebensmittelhandel weiter auf hohem Niveau. Die Verbraucherzentrale fordert daher die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle nach dem Vorbild Frankreichs. Dadurch solle die Preisbildung über die gesamte Wertschöpfungskette transparenter werden – von der Herstellung über den Transport bis zum Verkauf.

Ramona Pop fordert mehr Hilfen von der Bundesregierung.
Ramona Pop fordert mehr Hilfen von der Bundesregierung.

© dpa/Britta Pedersen

Insgesamt will die Verbraucherzentrale mehr Transparenz über die die Wettbewerbsbedingungen im Lebensmittelmarkt. Laut der letzten Untersuchung des Kartellamts aus dem Jahr 2014 machen die vier größten Händler rund 85 Prozent des Gesamtumsatzes aus und nutzen diese strukturellen Vorteile auch in der Preisverhandlung mit Herstellern.

Darüber hinaus will der vzbv Händler verpflichten, ihre Preise im Internet öffentlich verfügbar machen. Da Preise ohnehin elektronisch erfasst würden, wäre das technisch unmittelbar umsetzbar. In Israel gibt es eine derartige Verpflichtung schon seit einigen Jahren. Studien zufolge sind die Preise dort dadurch signifikant zurückgegangen, vor allem für teure Produkte.

Um versteckte Preiserhöhungen, etwa in Form von kleineren Verpackungen bei gleichbleibenden Preisen, zu verhindern, spricht sich die Verbraucherzentrale außerdem für einen Warnhinweis für Mogelpackungen aus. Hersteller sollen demnach verpflichtet werden, Änderungen von Gewicht oder Verpackungsgröße innerhalb der letzten sechs Monate zu kennzeichnen.

Wirksame finanzielle Entlastung

Trotz sinkender Preisdynamik müssen Umfragen zufolge rund 44 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der gestiegenen Preise weiter sparen. Pop sprach von einem „Alarmsignal für eine gesunde und auskömmliche Ernährung“.

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Die Verbraucherzentrale fordert daher eine Einmalzahlung, angelehnt an die Energiepreispauschale. Diese wurde im September 2022 ausgezahlt und betrug vor Steuern 300 Euro. Auf Nachfrage sagte Pop, die geforderte Einmalzahlung könne etwa in gleicher Höhe liegen. Für die Auszahlung der Pauschale sieht sie zwei Möglichkeiten, wovon eine schneller und die andere zielgerichteter wäre.

Es wird Zeit, dass die Bundesregierung den steigenden Lebensmittelpreisen Einhalt gebietet.

Ramona Pop, Vorständin Verbraucherzentrale

Analog zur Energiepreispauschale könnte die Einmalzahlung über die Arbeitgeber an Menschen ausgezahlt werden. Zielgerichteter und für den Bundeshaushalt günstiger wäre die direkte Zahlung an Bürgerinnen und Bürger. Die technischen Voraussetzungen dafür will Bundesfinanzminister Lindner 2024 schaffen. Auch das Klimageld soll darüber ausgezahlt werden.

Wie viel die vorgeschlagenen Maßnahmen insgesamt kosten, hat die Verbraucherzentrale nach eigenen Angaben noch nicht errechnet. Am teuersten wäre Pop zufolge die Einmalzahlung. Nimmt man die Energiepreispauschale des Bundes als Annäherung, würde diese Maßnahme rund 10,4 Milliarden Euro kosten.

Drei Hilfspakete der Bundesregierung

Infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stellten vor allem die stark gestiegene Preise für Heizen und Kraftstoffe private Haushalte vor große Belastungen. Die Bundesregierung hat daher seit Anfang 2022 drei Entlastungspakete verabschiedet, die zudem die Teuerung dämpfen sollen.

So müssen Stromkunden seit Juli 2022 keine Ökostromumlage mehr entrichten. Sie wurde seit der Jahrtausendwende für die Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus erhoben. Der Wegfall der EEG-Umlage hat die Strompreisentwicklung leicht gedämpft.

Dazu verabschiedete die Ampel-Regierung im Mai 2022 mit dem Tankrabatt und dem 9-Euro-Ticket zwei temporäre Maßnahmen, um Mobilität erschwinglicher zu machen. Die zeitweise Senkung der Mineralölsteuer wurde Studien zufolge weitestgehend an Kundinnen und Kunden weitergegeben. Die im Juni, Juli und August bundesweit gültige Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr wurde über 50 Millionen Mal verkauft und hat die Teuerung etwas abgeschwächt.

Das dritte Entlastungspaket vom September 2022 umfasste etwa die Inflationsausgleichsprämie von bis zu 3000 Euro durch Arbeitgeber, die temporäre Reduzierung der Mehrwehrsteuer für Gas und Fernwärme auf sieben Prozent und die Einmalzahlung für Erdgas- und Wärmekunden (Dezember-Soforthilfe). Die seit 2023 geltenden Gas- und Strompreisbremsen haben die Preisentwicklung allerdings zur teilweise begrenzt, da einige Versorger im Januar ihre Preise erhöhten.

Insgesamt haben diese Maßnahmen und vor allem die verschärfte Zinspolitik der Zentralbank dafür gesorgt, dass sich die Dynamik der Preissteigerungen spürbar abschwächt. Auf das Gesamtjahr gesehen rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose mit einer Inflation von 6,1 Prozent. Im kommenden Jahr soll sich die Teuerung dann deutlich auf 2,6 Prozent abkühlen.

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