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© Carlo - stock.adobe.com/carlo prearo

Krise im Wohnungsbau: Wann wird in Deutschland wieder mehr gebaut?

Die Wohnungsnot in Deutschland wird immer größer. Die Bundesregierung hält mit einem „Baugipfel“ und einem „Bau-Turbo-Pakt“ dagegen. Drei Experten erklären, ob die Maßnahmen ausreichen.

Von
  • Matthias Günther
  • Michael Voigtländer
  • Tobias Just

Der Blick auf den Wohnungsmarkt ist düster. Stark gestiegene Bauzinsen, immer höhere Materialkosten und ein Dickicht an Regulierungsvorschriften hemmen den Wohnungsbau. Die Folge: Immer weniger Menschen können sich eine eigene Immobilie leisten. Auch für Investoren rechnen sich immer weniger Bauprojekte. Laut dem Mieterschutzbund fehlt es Deutschland bereits jetzt an 700.000 zusätzlichen Wohnungen. Gleichzeitig belasten steigende Mieten immer mehr Haushalte.

Als die Ampel-Koalition vor zwei Jahren die Regierungsgeschäfte übernahm, setzte sie sich das mehr als ambitionierte Ziel, pro Jahr den Bau von 400.000 neuen Wohnungen zu ermöglichen. Erreicht hat sie dieses Ziel nie. Laut dem Statistischen Bundesamt entstanden 2022 immerhin knapp 300.000 Wohnungen. In diesem Jahr werden es wohl weniger sein.

Ende September versuchte die Bundesregierung mit dem „Baugipfel“ und einem 14-Punkte-Plan die Wende. Darunter eine Absenkung des Energiestandards bei Neubauten, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und mehr Förderprogramme. Anfang November folgte beim Bund-Länder-Treffen ein „Bau-Turbo-Pakt“, mit dem die rechtlichen Vorgaben für den Wohnungsbau gelockert werden sollen. Selbst die Rückkehr der Plattenbauviertel wird nicht mehr ausgeschlossen.

Doch reichen diese Maßnahmen aus, um den Wohnungsbau in Deutschland wieder anzuschieben? Drei Experten schätzen die Lage ein. Alle Teile des Formats „3 auf 1“ finden Sie hier.


Helfen würden niedrigere Zinsen, mehr Flächen und weniger Regulierung

Von der Baurezession ist vor allem der Hochbau, und hier insbesondere der Wohnungsbau betroffen. Im Tiefbau nahmen die Auftragseingänge zuletzt sogar zu. Der Wohnungsbau ist deswegen so stark belastet, weil ein Dreiklang aus konjunktureller Schwäche, steigenden Zinsen sowie hohen Baupreisen für Anbieter gerade in Ballungsräumen verhindert, auskömmliche Verkaufspreise zu erzielen. Wohnungsmieten und Wohnungspreise passen noch nicht zu dem neuen Zinsumfeld, und daher werden Aufträge storniert, um Zeit zu gewinnen.

Insofern ist ein „Turboprogramm“, das Bauaktivitäten beschleunigen soll, zwar dem Grunde nach sinnvoll; es ist aber eher ein Vorratsprogramm, das dann unterstützend wirkt, wenn die Kostenbelastungen verschwunden oder die Mieten hinreichend stark gestiegen sind.

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Stimulierend würde aktuell am ehesten eine Zinssenkung oder eine Förderung der Finanzierung wirken sowie ein Aussetzen von verteuernden Regulierungsmaßnahmen. Entspannend wirkt zudem, dass die Baupreise in den nächsten Monaten angesichts der schrumpfenden Bauaktivitäten sinken werden.

Eine Ausweitung von Grundstücksflächen kann ebenfalls helfen, die Grundstückspreise zu drücken. Doch diese Maßnahme kann nur dann helfen, wenn es auch Abnehmer für diese Grundstücke gibt. Kurzum, eine rasche Erholung ist für den Wohnungsbau noch nicht in Sicht. 


Die Sonderabschreibung im Bau ist eine verpasste Chance

Angebot und Nachfrage passen im Wohnungsbau nicht mehr zueinander: Die Zahlungsbereitschaft der Nachfrage ist aufgrund der Zinsen gefallen, angesichts hoher Baukosten müssten die Projektentwickler aber sogar höhere Preise durchsetzen. Die Folge ist ein Einbruch des Wohnungsbaus, und dies in einer Phase steigenden Bedarfs, vor allem aufgrund starker Zuwanderung.

Die Folge: Die Neuvertragsmieten steigen stark, und in einigen Jahren werden sie so hoch sein, dass auch das Bauen wieder attraktiv wird.

Mit den Maßnahmen des Wohngipfels versucht man dem gegenzusteuern, doch einen großen Effekt wird es nicht geben. Neue Wohnbauimpulse wird die Sonderabschreibung (Sonder-Afa) von sechs Prozent für Kapitalanleger generieren, doch diese machen nur einen Teil der Neubaunachfrage aus. Wohnungsunternehmen sowie institutionelle Investoren wie Versicherungen profitieren nicht von der Sonder-AfA und werden deshalb mit Investitionen warten.

Besonders problematisch ist aber, dass Selbstnutzer vernachlässigt werden, denn die Unterstützung für diese Gruppe fällt wesentlich geringer aus als für Kapitalanleger. Damit wurde wieder eine Chance verpasst, die Wohneigentumsbildung zu stärken, aber auch den Wohnungsbau schneller anspringen zu lassen.


Der Wohnungsbau bräuchte viel mehr Geld

„Bündnis bezahlbarer Wohnraum“, „14-Punkte-Plan“ oder „Der Bau-Turbo-Pakt für Deutschland“: Schöne Worte für wenig Initiative und Inhalt. Wohnungen fehlten bereits beim Start der Bundesregierung vor gut zwei Jahren. Die Ankündigung des Wohnungsbauziels von 400.000 Wohnungen pro Jahr – davon 100.000 Sozialwohnungen – war ambitioniert und wäre nur mit einer starken Ausweitung des Bauens im Bestand erreichbar gewesen. Dafür hätte die Politik handeln müssen.

Wer mehr Wohnungsbau will, muss die Rahmenbedingungen verbessern und mehr Geld ins System geben. Wer mehr sozialen Wohnungsbau will, muss noch mehr Geld geben.

Erhöhte Standards, gestiegene Zinsen, hohe Materialpreise und eine teils sprunghafte, überwiegend aber zögerliche Politik sind für die aktuelle Wohnungsbaukrise verantwortlich. Bauen braucht Kontinuität. Wenn es den Regierenden in Bund und Ländern nicht gelingt, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, wird der Wohnungsbau trotz wachsender Bevölkerung weiter zurückgehen.

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