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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Habecks Industriestrategie: Die Zukunft möglich machen

Der Wirtschaftsminister will die Industrie in ihrer ganzen Vielfalt erhalten. Und damit auch das, was in Deutschland keine Zukunft hat. Reicht das auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Ein Kommentar von Felix Kiefer

Sehnsüchtig wurde sie erwartet, nun liegt sie vor – die neue Industriestrategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Während sein Vorgänger Peter Altmaier für sein Papier aus dem Jahr 2019 sowohl inhaltlich als auch verfahrenstechnisch heftig kritisiert wurde – der CDU-Politiker stellte seine Strategie vor, ohne vorab die Wirtschaftsverbände zu konsultieren –, fällt das Urteil bei Habeck weitaus positiver aus.

Die Industrie zeigt sich gar begeistert, die mächtigen Verbände BDI und VCI sehen „ein klares Bekenntnis zur Industrie als Basis des Wirtschaftsstandorts Deutschland“.

Das ist die Strategie tatsächlich, wie sich an Habecks Ankündigung ablesen lässt, die Industrie in ihrer ganzen Vielfalt erhalten zu wollen. Doch gleichzeitig richtet der Minister den Blick in Teilen leider auf die Vergangenheit statt in die Zukunft. Noch dazu fehlt ihm der politische Rückhalt, um die Maßnahmen umzusetzen. Wie lässt sich die Strategie also bewerten?

Die Problemanalyse ist zutreffend

Deutschland muss seine Wirtschaft zukunftsfähig machen. Dafür müssen zunächst die Probleme auf den Tisch. Die Infrastruktur wurde jahrzehntelang heruntergewirtschaftet und braucht mehr öffentliche Investitionen. Die Verfahren zur Planung und Genehmigung von neuen Windrädern oder Schienen dauern zu lange und müssen digitaler und dadurch unbürokratischer werden. Deutschland altert und kann seinen zukünftigen Bedarf an Arbeitskräften nur durch qualifizierte Zuwanderung sichern.

All das ist nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zumindest zu erhalten. Habecks Problemanalyse ist insofern zutreffend und er setzt die richtigen wirtschaftspolitischen Schwerpunkte.

Doch gleichzeitig zementiert er mit seiner Zusage, die gesamte industrielle Wertschöpfungskette in Deutschland halten zu wollen, bestehende Strukturen, die hierzulande keine Zukunft haben. Das gilt vor allem für die energieintensive Industrie.

Deutschland hat die Energiewende verschlafen. Man hat sich abhängig gemacht von russischem Öl und Gas, sich von der Kernkraft verabschiedet und den Kohleausstieg beschlossen. Der Ausbau der Erneuerbaren hat zwar Fahrt aufgenommen, doch geht er zu langsam, um den durch mehr Elektrifizierung wachsenden Energiebedarf zu stillen.

Mit dem erneuten Bekenntnis, energieintensiven Branchen Strom vergünstigt zur Verfügung zu stellen, steigt das Risiko, dass öffentliche Mittel in Bereiche fließen, die Deutschland langfristig nicht mehr helfen. Es wäre noch dazu schädlich, wenn alle anderen Branchen dadurch höhere Energiekosten hätten und im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen gerieten. Gleichzeitig ist fraglich, inwiefern diese Subventionen nach europäischem Wettbewerbsrecht zulässig sind. Die Bundesregierung muss solche Beihilfen anmelden und genehmigen lassen. Brüssel sieht das Instrument kritisch und die Umsetzung könnte für die Ampel schwierig werden.

Die Strategie muss Veränderung ermöglichen

Alle energieintensiven Industrien in Deutschland in ihrer jetzigen Größe erhalten zu wollen, ist nicht realistisch. Vorprodukte zu importieren, statt sie unter teuren Bedingungen hierzulande selbst herzustellen, macht den Standort nicht kaputt, sondern sichert seine Zukunftsfähigkeit. Wo die Verlagerung von Produktion nicht verhindert werden kann, sollten wir sie zulassen und gleichzeitig darauf achten, neue Abhängigkeiten zu vermeiden.

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Die Bundesregierung sollte stattdessen den Aufbau von Kompetenzen genau in den Bereichen fördern, in denen es ökologisch, technologisch und geoökonomisch sinnvoll ist. Etwa in der Elektronik, bei Batterien und Halbleitern oder der Medizintechnik. Das sind die Wachstumsmotoren von morgen. Der Schlüssel zur zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit liegt in der Förderung von Innovation: Deutschland braucht neue Ideen – und neue Unternehmen.

Dass Habeck Forschung und Entwicklung betont, ist daher begrüßenswert. Doch beides kostet Geld. Und für die Finanzierung seiner Vorhaben, allen voran der Brückenstrompreis, hat der Wirtschaftsminister in der Koalition keinen Rückhalt. Dafür braucht es zunächst Einigkeit unter den Ampel-Partnern. Die ist auf Basis der bisherigen Bilanz der Koalition nicht absehbar. Solange das so ist, bringt uns auch die beste Analyse nicht weiter. Und das Ziel der Schaffung eines klimaneutralen Wirtschaftsstandortes rückt in weite Ferne.

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