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Queere Atleth:innen erfahren oftmals Diskriminierung und viele trauen sich bis heute nicht, offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen.

© IMAGO/Action Plus

Zwischen Pinkwashing und echter Solidarität: Der lange Weg zur Vielfalt im Rugby

Unter dem Motto „Rugby is my Pride“ soll bei der WM ein Zeichen für Vielfalt gesetzt werden. Doch trans Frauen erleben weiterhin Diskriminierung. Wie ernst meint der Weltverband es?

Von Finn-Lukas Hagen

Auf riesigen Plakaten werden mit Slogans der LGBTQIA-Community massive Autos beworben. In den Werbepausen laufen 90-sekündige Spots zum Thema Diskriminierung. Diese Bilder stammen von der Rugby-Weltmeisterschaft, die derzeit in Frankreich stattfindet. Unter dem Motto „Rugby is my Pride“ soll bei dem Turnier ein Zeichen für mehr Akzeptanz im Sport gesetzt werden. Dafür wird nicht nur die Werbetrommel gerührt, sondern auch prominente Spieler erhalten ihren Auftritt.

Gleich beim Eröffnungsspiel gab es einen besonderen Moment, dem sogar Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in der Ehrenloge beiwohnte: Der offen schwule französische Spieler Cyril Leroy trug den ersten Ball ins Stadion und setzte somit ein Zeichen für mehr Offenheit im Rugby. Leroy selbst ist Amateurspieler und nahm nur als Ehrengast an der WM teil. Vor 20 Jahren outet er sich als homosexuell und gründet 2003 die erste schwule Rugbymannschaft Frankreichs, Les Gailliards.

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Gerade im Profisport sind solche Bilder nicht selbstverständlich. Queere Atleth:innen erfahren oftmals Diskriminierung und viele trauen sich bis heute nicht, offen mit ihrer sexuellen Orientierung umzugehen. So erging es auch Leroy lange Zeit. Wie er in einem Interview für die Autokampagne erzählte, habe er den ersten schwulen Rugby-Club damals gegründet aus Sorge, einer heteronormativen Mannschaft beizutreten. Er und 90 weitere Spieler:innen finden nun bei Les Gaillards einen sicheren Ort, um gemeinsam ihrer Leidenschaft für den Sport nachzugehen.

Rugby bietet die Chance, ein Zeichen zu setzen

Die WM stößt auch bei Rugby-Fans in Berlin auf Interesse, obwohl das deutsche Team sich erwartungsgemäß nicht qualifizieren konnte. Viele Spieler:innen der Berlin Bruisers, einem inklusiven Berliner Rugby-Team, verfolgen das Turnier mit. Bruisers-Kapitän Ulrich Stadfeld etwa findet die Kampagnen rund um das Sportereignis sehr gut und ist „ein großer Fan dieser Repräsentanz“. „Diese Kampagne erfüllt alle Kriterien von Pinkwashing. Aber nichtsdestotrotz erzeugt es Sichtbarkeit. Sichtbarkeit für queere Menschen und Sportler:innen, und das bei einem Event, bei dem die gesamte Welt mittlerweile zuschaut.“

Unter Pinkwashing versteht man Marketingstrategien, die durch ein Ansprechen der LGBTQIA-Community bemüht sind, Produkte und Unternehmen besonders progressiv und tolerant wirken zu lassen. Die tatsächliche Unterstützung queerer Menschen bleibt dabei allerdings oft aus.

Gerade in Deutschland ist häufig die Rede davon, dass Sport und Politik voneinander getrennt werden sollten. Dabei bieten Sportarten wie Rugby auch die Chance, politische Zeichen zu setzen und Werte wie Vielfalt zu vermitteln. „Rugby ist eine der am stärksten wachsenden Sportarten weltweit, sowohl im Bereich der Spieler:innen, als auch Zuschauer:innen“, sagt Stadtfeld. „Sobald dieser Sport in die Öffentlichkeit rückt, existiert die Verantwortung, Sichtbarkeit zu erzeugen und queere Menschen zu fördern, welche sonst im Sport zu wenig gesehen werden.“

Kritik am Ausschluss von trans Spielerinnen

Die FFR (Fédération Française de Rugby) sieht das offenbar ähnlich und hat deshalb entsprechende Maßnahmen ergriffen: noch vor dem Viertelfinale fand der sogenannte „Pride Respect Cup“ statt. Ein Turnier unter acht queerfreundlichen Teams, vier davon französisch, vier international. Auch Leroy und seine Gaillards traten an. Des Weiteren fand am internationalen Coming-Out Tag, dem 11. Oktober, eine Konferenz statt, um diskriminierenden Strukturen im Rugby entgegenzuwirken.

Die Berlin Bruisers sind ein inklusives Rugby-Team.
Die Berlin Bruisers sind ein inklusives Rugby-Team.

© Berlin Bruisers e.V.

Diese Maßnahmen wurden von vielen Rugby-Fans als wichtige Schritte in Richtung Gleichstellung gewertet. Zugleich gibt es Kritik daran, dass bei der WM die LGBTIQ*-Flaggen zwar omnipräsent seien, zugleich aber das T für Trans bewusst ignoriert werde. Denn im Jahr 2021 schloss der Weltverband trans Frauen aus Frauenteams aus.

In einem offiziellen Statement des Verbandes heißt es, trans Frauen seien für mehr Verletzungen im Sport verantwortlich als cis Frauen, und stellten daher ein Sicherheitsrisiko dar. Von zahlreichen Vereinen und Verbänden wurde diese Entscheidung kritisiert, unter anderem von den Berlin Bruisers.

Uli Stadfeld sagt: „Wir haben ein riesiges internationales Rugbyevent mit Maßnahmen zur Sichtbarkeit und gegen Diskriminierung im Sport. Gleichzeitig sprechen wir über einen internationalen Rugbyverband, der immer noch aktiv trans Frauen vom Spielbetrieb ausschließt und trans Männer nicht unterstützt.“

Bei der Weltmeisterschaft stehen Ende der Woche die Halbfinal-Spiele an. Argentinien trifft auf Neuseeland und England auf Südafrika. Die Favoriten Frankreich und Irland sind bereits im Viertelfinale ausgeschieden. Jacques Rivoal, Vorsitzender der diesjährigen Rugby-Weltmeisterschaft, wird auf der offiziellen Website der WM zitiert: „Wir sollten die Rugby-Weltmeisterschaft 2023 als besondere Gelegenheit nutzen, um alle LGBTQIA-Feindlichkeiten im Rugby, im Sport und in der gesamten Gesellschaft zu tacklen.”

Womöglich bietet das Turnier die Chance, das Thema Vielfalt nicht nur für Werbezwecke zu nutzen, sondern den Worten auch langfristig Taten folgen zu lassen.

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