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Catharina Weiss im Spiel gegen Spanien

© IMAGO/Beautiful Sports

Rollstuhlbasketballerin Catharina Weiß über die EM: „Dass wir es nicht geschafft haben, ist einfach scheiße“

Für die deutschen Frauen ist bei einem großen Turnier zum vierten Mal in Folge im Halbfinale Schluss. Nun soll wenigstens Bronze her – und im April die Paralympics-Qualifikation.

Von Benjamin Apitius

| Update:

Frau Weiß (Bild oben mit Ball), die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen hatten den Finaleinzug bei der EM – und die damit verbundene Qualifikation für die Paralympics in Paris – fest vor Augen. Dann setzte es am Mittwochabend im Halbfinale gegen Großbritannien eine überraschend deutliche Niederlage. Wie war die Stimmung in der Kabine?
(Überlegt) Die Stimmung war schon sehr niedergeschlagen, sehr deprimiert. Das ist unglaublich bitter und traurig. Man muss aber sagen: Wir waren einfach das schlechtere Team.

Woran haperte es gegen die Engländerinnen, gegen die Ihre Mannschaft in der Vorrunde noch gewonnen hatte?
Da hatten wir auch besser gespielt! Im Halbfinale waren wir defensiv einfach nicht stark genug, wir konnten nicht dagegenhalten. Und offensiv lief nach dem ersten Viertel auch einfach gar nichts mehr. Wir haben keine guten Chancen kreiert, und wenn, dann haben wir die Bälle nicht reinbekommen. Wir hatten eine so schlechte Trefferquote, da hast du dann keine Chance.

In der Gruppenphase haben zunächst alle Mannschaften gegeneinander gespielt. Deutschland gewann vier von fünf Spielen und landete auf Platz zwei. Ist das nicht ungerecht jetzt?
Wir haben eine unglaublich starke Gruppenphase gespielt. Natürlich ist das irgendwie ungerecht, aber es zählen halt die K.-o.-Spiele, da musst du dann deine Leistung bringen – und das haben wir einfach nicht geschafft. Wir haben es einfach nicht geschafft, unsere Leistung aufs Parkett zu bringen.

Was hatte sich das deutsche Team vorgenommen für die EM? Was waren die Ziele?
Unser Ziel war natürlich die Direktqualifikation für die Paralympics nächstes Jahr – dafür hätte der Finaleinzug gereicht. Es ist wirklich bitter, dass wir das nicht geschafft haben. Jetzt wollen wir aber natürlich noch Bronze gewinnen und mit einem Erfolgserlebnis nach Hause fahren.

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Gruppenspiele konnte die deutsche Mannschaft gewinnen. Nur gegen die Turnierfavoritinnen aus den Niederlanden setzte es eine Niederlage.

Im April gibt es bei einem Turnier in Osaka dann die letzte Möglichkeit, sich den Paralympics-Start zu sichern.
Genau, da müssen wir dann unter die ersten Vier kommen. Aber es ist so unnötig, dass wir da hinmüssen. Dass wir es nicht geschafft haben, hier die Qualifikation klarzumachen, ist einfach scheiße.

Das bringt wahrscheinlich auch die ursprünglich geplante Vorbereitung auf die Paralympics gehörig durcheinander oder?
Ja definitiv. Es lässt das Jahr mit der Nationalmannschaft einfach schon viel früher starten, als wir uns das erhofft hatten. Normalerweise wäre das Team über Ostern selektiert worden … das passiert nun schon im Januar. Erschwerend kommt hinzu, dass Spielerinnen zu dem Zeitpunkt des Qualifikationsturniers noch in ihrer Vereinssaison stecken. Meine Spielzeit zum Beispiel geht bis irgendwann im Mai. So kannst du für die Nationalmannschaft eigentlich auch keine vernünftige Vorbereitung haben.

Macht es sich bemerkbar, dass die Paralympics in Tokio um ein Jahr verschoben worden waren und nun nur drei – statt wie gewohnt vier – Jahre zu den Spielen in Paris liegen?
Dieses Jahr ist wirklich voll, allein von der Verschiebung der Weltmeisterschaft von November auf Juni – das waren mit der EM jetzt zwei Riesenturniere in einem Jahr. Die Belastung ist einfach unglaublich hoch. Und jetzt kommt auch noch das Qualifikationsturnier hinzu!

Frau Weiß, die vergangenen drei Europameister-Titel gingen an die Niederländerinnen, die als amtierende Paralympics-Siegerinnen und Weltmeisterinnen auch dieses Jahr wieder im Finale stehen. Wie lässt sich der Erfolg unseres kleineren Nachbarlandes erklären?
Die haben einfach definitiv ein besseres Programm. Sie trainieren ein, zwei Mal in der Woche als Nationalmannschaft zusammen, da gibt es mehrere Trainingsstützpunkte im Land. So etwas haben wir bei uns gar nicht. Wir treffen uns hier nur vereinzelt zu den Lehrgängen über das ganze Jahr verteilt. Die Möglichkeiten sind in Holland einfach viel besser und professioneller.

Auch die deutschen Männer haben bei der Europameisterschaft in Rotterdam das EM-Finale und damit auch die vorzeitige Qualifikation für die Paralympics verpasst. Im Spiel um Platz drei geht es nun am Samstag um Bronze.

© IMAGO/Beautiful Sports

Wann sehen Sie Ihre Kolleginnen aus der Nationalmannschaft denn das nächste Mal wieder?
Erst nächstes Jahr! Bis dahin trainieren wir halt in unseren Vereinsmannschaften. Und das ist für Holland schon ein enormer Vorteil uns gegenüber. Wir müssen uns jedes Mal spielerisch erst wieder finden, wenn wir zusammenkommen.

Die diesjährige EM ist Teil der European Para-Championchips, bei denen in Rotterdam in insgesamt zehn Sportarten die Europameister gesucht werden. Blieb für Sie Zeit, mal bei anderen Wettkämpfen vorbeizuschauen?
Wir haben uns tatsächlich gar nichts anschauen können. In so einem normalen Turnierrhythmus haben wir ein Training und ein Spiel pro Tag, hinzu kommen Teammeetings. Da bleibt einfach keine Zeit. Es ist aber alles wahnsinnig schön aufgebaut, ein Riesenkomplex mit allen Sportarten. In der Athletenlounge trifft man viele andere Sportler, das ist schon ein bisschen wie eine kleine Version von den Paralympics.

Bereits bei den vergangenen drei großen Turnieren – 2021 den Paralympics und der EM sowie im zurückliegenden Juni der WM – hatte die deutsche Mannschaft ihr Halbfinalspiel verloren – und anschließend auch das Spiel um Platz drei. An diesem Freitag geht es bei der EM nun gegen Spanien (17.30 Uhr) um Bronze. Wie gehen Sie da ran?
Wir werden als Team um diese Medaille kämpfen und wollen uns zum Abschluss belohnen – auch wenn wir unser Ziel mit der Qualifikation für die Paralympics verpasst haben. Spanien liegt uns, in der Gruppenphase haben wir gegen sie eine sehr gute Teamleistung gezeigt, das gibt uns Aufschwung und ich bin da sehr zuversichtlich.

Gibt es denn dann noch eine Abschiedsparty? Sie sehen sich ja erst nächstes Jahr wieder.
Puh, keine Ahnung. Eigentlich schon. Ich würde sagen, wir lassen uns da überraschen.

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