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Juan Jesus (links) und Francesco Acerbi (rechts) im Spiel zwischen Neapel und Inter Mailand.

© IMAGO/Ciro De Luca

Rassismus-Vorwürfe gegen Nationalspieler Acerbi: Italiens Fußball wird sein Krebsgeschwür nicht los

Seit Jahren ist das Rassismus-Problem im italienischen Fußball bekannt, doch verbessert hat sich nichts. Zahlen zeigen, dass der Fall von Francesco Acerbi nur die Spitze des Eisbergs ist.

Sollten sich die Dinge tatsächlich so abgespielt haben, wie der brasilianische Innenverteidiger Juan Jesus sie beschreibt und wie auch Videoaufnahmen vom Spiel der SSC Neapel gegen Inter Mailand (1:1) sie nahelegen, hat der italienische Fußball seinen nächsten Rassismus-Skandal. „Hau ab, du bist nur ein Negro“, soll der italienische Nationalspieler Francesco Acerbi am Sonntagabend zu Jesus gesagt haben. Kurz darauf habe er sich bei ihm entschuldigt.

Der Brasilianer hakte die Angelegenheit damit eigentlich ab und sagte nach dem Spiel: „Was auf dem Platz passiert, bleibt auch dort.“ Doch dann stritt Acerbi öffentlich ab, sich rassistisch geäußert zu haben. Das wollte Jesus wiederum nicht unkommentiert lassen, und schrieb auf Instagram: „Ich hätte bevorzugt, nicht noch einmal über eine so hässliche Sache zu reden wie die, die ich erleiden musste, aber heute habe ich eine Erklärung von Acerbi gelesen, die in totalem Kontrast zur Realität steht. Den Rassismus bekämpft man hier und jetzt.“  

Den Rassismus bekämpft man hier und jetzt.

Juan Jesus

Das Sportgericht hat bereits eine Ermittlung eingeleitet; wird Acerbi schuldig gesprochen, beträgt die Mindeststrafe zehn Spiele Sperre. Nationaltrainer Luciano Spalletti hat den 36 Jahre alten Europameister für die kommenden Länderspiele aus dem Kader gestrichen. Mit Vorverurteilungen sollte man grundsätzlich vorsichtig sein, in Bezug auf das System Fußball kann man allerdings zweifellos feststellen: Italien hat ein hartnäckiges Rassismus-Problem.

Affenlaute in Udine

Erst vor zwei Monaten stand ein Spiel von Udinese Calcio kurz vor dem Abbruch, nachdem Zuschauer Mike Maignan, den schwarzen Torhüter des AC Mailand, mit Affenlauten beleidigt hatten. Die Gästemannschaft verließ aus Protest geschlossen das Feld. Nach sechs Minuten kehrten die Mailänder Spieler zurück und setzten das Spiel fort. Das Sportgericht sperrte die Kurve der Udinese-Ultras für ein Spiel.

Kevin-Prince Boateng sprach 2013 vor der UN, nachdem er als Spieler des AC Mailand nach rassistischen Rufen aus dem Publikum das Spielfeld verlassen hatte.
Kevin-Prince Boateng sprach 2013 vor der UN, nachdem er als Spieler des AC Mailand nach rassistischen Rufen aus dem Publikum das Spielfeld verlassen hatte.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Kevin-Prince Boateng, Mario Balotelli, Samuel Eto’o, Sulley Muntari, Kalidou Koulibaly, Moise Kean, Romelu Lukaku – die Liste der Spieler, die in der Serie A wegen ihrer Hautfarbe beleidigt wurden, ließe sich noch lange fortsetzen. Zlatan Ibrahimovic und Dusan Vlahovic wurden oder werden von Zuschauern immer wieder antiziganistisch attackiert. 2013 bezeichnete die damalige Integrationsministerin Cécile Kyenge den Rassismus im italienischen Fußball als „Krebsgeschwür, das herausgeschnitten werden muss“.

Die Situation hat sich seitdem aber eher verschlimmert. Mit Giorgia Meloni ist seit 2022 eine Frau Ministerpräsidentin, die sich früher offen faschistisch geäußert hat und immer noch sehr weit rechts im Parteienspektrum steht. Wie in vielen Ländern Europas ist ein Rechtsruck zu spüren, und der Fußball ist hier keine Ausnahme.

In einer im Februar veröffentlichten Umfrage gab jeder zweite Befragte an, dass es im Stadion in Ordnung sei, Spieler zu beleidigen oder einzuschüchtern. 18 Prozent hielten es für vertretbar, Fußballer wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion zu beleidigen. 16 Prozent sahen es als akzeptabel an, Bananen auf Spieler zu werfen oder Affenlaute zu machen.

Doch rassistisches Verhalten beschränkt sich nicht nur auf den Profifußball und seine Anhänger. Das dem Innenministerium unterstehende Oscad hat laut „Gazzetta dello Sport“ im Jahr 2023 im Jugend- und Amateurfußball 51 Beleidigungen aufgrund der Herkunft oder „Rasse“ erfasst, teilweise begangen von 13 Jahre jungen Kindern.

Dazu kommen 18 Fälle von Antisemitismus und 27 von „territorialer Diskriminierung“. Hierunter fallen Attacken aufgrund der Herkunft innerhalb Italiens. In vielen Stadien Norditaliens singen Zuschauer bei Spielen der SSC Neapel: „Oh Vesuv, wasch sie mit deinem Feuer.“ Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein – und der Fall Acerbi nicht der letzte seiner Art.

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