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Gegen Fidschi im Viertelfinale wackelten die Engländer kurzeitig, setzten sich am Ende aber dann doch durch.

© Imago/MaxPPP

Halbfinale bei der Rugby-WM: England setzt gegen Südafrika auf die Wagenburg

Den Erwartungen zum Trotz steht England im Halbfinale der Rugby-WM. Gegen Titelverteidiger Südafrika braucht es nichts weniger als eine Sensation.

Vor einigen Jahren lief im Vorfeld des Six-Nations-Turniers ein Werbespot bei der BBC. Rugby-Fans aus allen europäischen Nationen blickten in die Kamera und sagten das Wort „England“. Die Pointe kam ganz am Ende. Bei den Six Nations gehe es nicht nur darum, wen man gewinnen sehen möchte, so hieß es. Sondern vor allem darum, wen man am liebsten verlieren sehe. 

So war es eben schon immer mit England und dem internationalen Rugby. In keiner anderen Sportart juckt die englische Hochmütigkeit mehr, und in keiner anderen Sportart machen es die Engländer derart zum Stolz. Einen Hauch des FC Millwall muss man haben, wenn man das weiße Trikot mit der roten Rose trägt. „No one likes us, and we don’t care.” 

So in etwa stellt man sich nun auch vor dem WM-Halbfinale gegen Südafrika am Sonnabend (21 Uhr/ProSieben Maxx) auf. Eigentlich sollte diese WM zum Desaster werden für die Engländer. Die Vorbereitung war missglückt, die Monate davor eher von Krisen und internen Streitereien geprägt. Der alte Trainer Eddie Jones war gescheitert, der neue Trainer Steve Borthwick wirkte noch zu grün. Sogar vom Aus in der Gruppenphase war bei manchen die Rede. In Australien, Wales, Irland oder anderswo hätte man sich darüber wohl gefreut. 

Stattdessen steht England jetzt im Halbfinale und das als einzig ungeschlagenes Team bei dieser Weltmeisterschaft. „Viele sagten, wir würden nicht so weit kommen, vielleicht sind einige von ihnen hier heute Abend“, sagte Borthwick nach dem Viertelfinalefolg gegen Fidschi. „Es ist mir wirklich egal, was andere über uns denken. Mein einziger Fokus ist die Entwicklung dieser Mannschaft.“

Wie der Guardian in dieser Woche berichtete, soll sich der Nationalverband RFU nicht unbedingt an dieser Wagenburgmentalität erfreuen. Zu sehr erinnert es wohl an Borthwicks Vorgänger, dessen Amtszeit im Chaos endete. Doch es hat funktioniert. Auch auf dem Platz verteidigt England wie eine Wagenburg: gegen Fidschi beschrieb ein Kommentator die Angriffe der Gegner wie „Wellen, die gegen weiße Felsen brechen“. 

Ähnlich kampfbereit müssen die Engländer sich nun gegen Südafrika präsentieren. Gegen den Titelverteidiger, der seit seinem Sieg gegen Gastgeber Frankreich und dem Ausscheiden von Irland nun auch als klarer Titelfavorit gilt. Gegen die Mannschaft, die England im letzten Finale 2019 regelrecht überrollt hat

Es ist mir egal, was andere über uns denken.

Steve Borthwick, Englands Rugby-Nationaltrainer

Das ist jetzt vier Jahre her, und trotzdem glauben wenige Experten an eine Sensation. „Wenn Südafrika verliert, kippe ich um”, schrieb der frühere Weltmeister Joel Stransky in seiner BBC-Kolumne, und tatsächlich wäre ein Sieg der Springboks auch ganz im Sinne dieses Turniers. Eigentlich sollte diese WM für Überraschungen sorgen, doch bisher hat es vor allem die altbekannten WM-Narrativen geliefert.

Bis auf Fidschi haben die kleineren Nationen eher enttäuscht. Frankreich und Irland haben trotz sehr hoher Qualität ihre Chance nicht genutzt. Und im Halbfinale stehen nun die üblichen Verdächtigen. Neuseeland, Südafrika, England. Nur Argentinien, das immerhin bei zwei der letzten vier Weltmeisterschaften das Halbfinale erreicht, bietet vielleicht Hoffnung auf etwas Neues. 

Und doch ist das Unterfangen nicht vollkommen aussichtslos für das Mutterland des Rugbys. Denn zu den altbekannten WM-Narrativen gehört eben auch, dass England das Halbfinale doch irgendwie übersteht. Insgesamt fünf Mal stand England unter den letzten vier bei einem Weltturnier, nur einmal haben sie Endspiel nicht erreicht. Auch diesmal glauben sie fest an das Weiterkommen. „Südafrika ist Weltmeister, hat eine gute Mannschaft. Aber wir reden hier nicht von einer Mannschaft, die ohne Schwäche ist und nie verliert. Sie sind gut, aber wir sind es auch”, sagte Englands Mario Itoje am Freitag. 

Trotz ihrer Stärke sind die Springboks alles andere als unschlagbar. Bei dieser WM hat das Irland schon gezeigt, und in den vergangenen Jahren gab es auch gegen deutlich kleinere Nationen als England die eine oder andere Niederlage. Unvergessen bleibt zum Beispiel immer noch, wie Südafrika 2015 sensationell gegen Japan verlor.  Damals hieß der japanische Trainer noch Eddie Jones. Zu seinem Trainerteam gehörte ein gewisser Steve Borthwick. 

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