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Carlos Alcaraz spielte ein emotionales erstes Wimbledon-Finale und war am Ende stärker als Novak Djokovic.

© dpa/Kirsty Wigglesworth

Grandioses Männer-Finale in Wimbledon : Carlos Alcaraz entthront Novak Djokovic

Einen Satz lang braucht der junge Spanier, um seine Nervosität abzulegen. Dann hält er immer besser mit und hat am Ende mehr Reserven als sein 36 Jahre alter Gegner.

Eine gute halbe Stunde war gespielt und Carlos Alcaraz hatte gerade zum dritten Mal in Folge einen Satz mit 1:6 gegen Novak Djokovic verloren. In Paris war der 20 Jahre alte Spanier seinem 16 Jahre älteren Kontrahenten physisch nicht gewachsen und verlor seinerzeit im Halbfinale der French Open nach zwei ausgeglichenen ersten Sätzen das Match am Ende deutlich.

Im Finale von Wimbledon am Sonntagnachmittag schien sich diese aus Sicht von Alcaraz traurige Geschichte fortzusetzen. Djokovic machte anfangs alle wichtigen Punkte, war seinem Gegner vor allen Dingen mental deutlich überlegen. Doch im zweiten Durchgang steigerte sich Alcaraz, wehrte im Tiebreak gar einen Satzball ab und hatte dem serbischen Überspieler damit vorübergehend den Zahn gezogen. 1:6, 7:6 (8:6), 6:1, 3:6, 6:4 hieß es letztlich in einem teilweise atemberaubenden Duell der beiden derzeit besten Tennisspieler der Welt.

„Ich dachte, auf Sand würde ich gegen dich Probleme bekommen, aber nicht unbedingt auf Rasen“, sagte Djokovic bei der Siegerehrung auf dem Platz und erinnerte auch an die vielen epischen Endspiele, die in der Vergangenheit zu seinen Gunsten verlaufen waren. „Ein paar Finals hätte ich verlieren müssen, die ich trotzdem gewonnen habe. Vielleicht ist das ausgleichende Gerechtigkeit.“

Der Serbe hatte zuvor 34 Matches in Serie beim wichtigsten Tennisturnier gewonnen, seit 2012 und unglaublichen 45 Spielen war er auf dem Centre Court ungeschlagen. Sieben Titel hatte er gewonnen und wollte nun zu Roger Federer aufschließen, der mit acht Siegen den Wimbledon-Rekord hält. Doch daraus wurde nichts, weil Alcaraz nicht nur seinen jugendlichen Elan gewinnbringend einsetzen konnte, sondern in den entscheidenden Momenten auch Nervenstärke bewies und damit genau jene Tugend, die Djokovic selbst so auszeichnet.

Im Publikum verfolgten neben Prinz William und dem spanischen König Felipe unter anderem James-Bond-Darsteller Daniel Craig und der britische Tennisliebling Andy Murray ein Match, in dem es unzählige spektakuläre Ballwechsel gab, in dem beide Spieler um jeden Punkt kämpften, sich mit Stopps und knallharten Grundschlägen immer wieder abwechselten. Es war das beste Wimbledon-Endspiel seit 2019, als Djokovic gegen Federer mit 13:12 im fünften Satz gewann.

Djokovic bleibt bei 23 Grand-Slam-Titeln stehen

Dabei bewies der Serbe einmal mehr seine unglaubliche Zähigkeit. Nach dem verlorenen zweiten Durchgang hatte Alcaraz das berühmte Momentum auf einer Seite. Er legte in Satz drei ein Break vor und gewann dann auch das epische fünfte Spiel zum 4:1, bei dem insgesamt 32 Punkte gespielt wurden. Wenig später hieß es 6:1 für den Spanier, danach verschwand der 23-malige Grand-Slam-Champion erst einmal in der Kabine.

Als Djokovic nach fast acht Minuten wieder bereit war, schien er körperlich an der Grenze zu sein – nur, um dann doch wieder geheime Reserven zu mobilisieren. Und so ging es tatsächlich in den fünften Satz, in dem eigentlich alles für den Routinier sprach: Zehn seiner elf Fünf-Satz-Matches in Wimbledon hatte Djokovic vor diesem Finale gewonnen, die letzte Niederlage 2006 kassiert. Da war sein aktueller Gegner gerade mal drei Jahre alt.

Novak Djokovic hatte seit 2012 nicht mehr auf dem Centre Court von Wimbledon verloren.
Novak Djokovic hatte seit 2012 nicht mehr auf dem Centre Court von Wimbledon verloren.

© Reuters/Dylan Martinez

Alcaraz bewies jedoch unglaubliche Coolness und bestätigte all jene, die ihn für ein Talent vom Kaliber der großen drei – Federer, Djokovic und Nadal – halten. Ihm gelang das frühe Break zum 2:1, Djokovic malträtierte daraufhin den Netzpfosten mit seinem Schläger. Alcaraz war obenauf, auch körperlich war er anders als in Paris absolut auf der Höhe mit dem Fitnessfanatiker auf der anderen Seite.

Mit dem 24. Grand-Slam-Titel hätte Djokovic den Rekord von Margaret Court egalisiert und damit einen weiteren Meilenstein erreicht. Noch glaubte er daran, auch der Traum vom Kalender-Grand-Slam lebte noch. Immer wieder blickte der Serbe zu seiner Box, zuweilen auch hilflos. Das Publikum stand mehrheitlich aufseiten seines Gegners, wie so oft in der Karriere von Djokovic. Diesmal konnte er daraus aber keine zusätzliche Kraft mehr ziehen.

Beim Stand von 5:4 schlug Alcaraz zum Wimbledon-Titel auf. Eine Nervenprobe, die gerade gegen einen Novak Djokovic wohl kaum größer sein könnte. Doch an diesem Tag setzte sich Jugend gegen Erfahrung durch, nach 4:42 Stunden verwandelte Alcaraz seinen ersten Matchball und sank danach ungläubig auf den heiligen Rasen von Wimbledon nieder. Einen größeren Sieg kann ein Tennisspieler kaum erringen, das war in diesem Moment nicht nur Carlos Alcaraz klar. „Ein Traum wird wahr. Hier auf dieser Bühne zu spielen, das ist fantastisch. Ich bin sehr, sehr stolz auf mich“, sagte er wenig später. Da hatte er schon den Siegerpokal in den Händen.

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