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Manuel Neuer (links) und Julian Nagelsmann sollen kein sonderlich enges Verhältnis pflegen.

© IMAGO/Sascha Walther

Der FC Hollywood ist zurück: Manuel Neuer geht es vor allem um Manuel Neuer

In einem Interview kritisiert der Nationaltorwart den FC Bayern München scharf. Dass ihn die Tapalovic-Entlassung trifft, ist verständlich. Doch Neuer vermischt Privates und Berufliches.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Man kann die Geschichte auch positiv sehen. Nach 17 Jahren im Profifußball zeigt sich Manuel Neuer in der Öffentlichkeit mal von seiner menschlichen Seite. Anstatt in aller Sachlichkeit wie ein Sprechroboter Phrasen herunterzubeten, ist er verletzlich, emotional, ja, sogar wütend. Diese Erkenntnis ist allerdings nur ein winziger Randaspekt des Interviews, das der mehrfache Welttorhüter der „Süddeutschen Zeitung“ und „The Athletic“ an seinem Verein vorbei gegeben hat.

Neuer kritisiert den FC Bayern darin offen – und auch wenn er das nicht so explizit sagt: vor allem Trainer Julian Nagelsmann. Auslöser ist die Entlassung von Toni Tapalovic. Der war nicht nur für mehr als ein Jahrzehnt Torwarttrainer von Neuer, sondern auch ein enger Freund und dessen Trauzeuge. „Für mich war das ein Schlag, als ich bereits am Boden lag. Ich hatte das Gefühl, mir wird mein Herz rausgerissen, das war das Krasseste, was ich in meiner Karriere erlebt habe“, sagte Neuer.

Dass das Aus von Tapalovic den Nationaltorhüter persönlich mitnimmt, ist absolut verständlich. Allerdings sollte Neuer mit seinen 36 Jahren die nötige Reife besitzen, um Persönliches und Berufliches zu trennen. Der Weg über die Medien ist definitiv ein sehr riskanter – und kurz vor dem wichtigen Achtelfinale in der Champions League gegen Paris St. Germain bringt er sehr viel Unruhe in den Verein.

Seit Philipp Lahms legendärem Interview 2009 haben die Aussagen eines Bayern-Profis nicht mehr für so viel Wirbel gesorgt. Allerdings gibt es einen deutlichen Unterschied. Lahm hatte mit seiner Kritik an der Transferpolitik und der fehlenden Spielphilosophie des Vereins eine konstruktive Intention. Nach durchwachsenen Jahren sehnte er sich nach einer international wettbewerbsfähigen Mannschaft.

Neuer handelt vor allem egozentrisch. Auch wenn er sagt, dass alle Torhüter von Tapalovics Entlassung schockiert gewesen seien, gilt das in erster Linie für ihn selbst. Dass das Verhältnis des Mannschaftskapitäns zu Nagelsmann nicht sonderlich eng ist, ist bekannt. Besser dürfte es nach diesem öffentlichen und für Neuer vermutlich sehr teuren Rundumschlag nicht werden. Vielleicht dämmert es Neuer langsam, dass sich seine Zeit beim FC Bayern dem Ende zuneigt – und zwar nicht nur wegen seines Alters.

Der Skiunfall, der ihn die gesamte Rückrunde gekostet hat, wirkt wie ein Beschleuniger. Nach und nach bröckelt seine unangreifbare Position. Mit Yann Sommer haben die Münchner einen der besten Torhüter der Liga als Ersatz verpflichtet, mit Alexander Nübel haben sie einen weiteren hochveranlagten Keeper unter Vertrag. Mit Tapalovic wusste Neuer stets einen Vertrauten an seiner Seite, in der kommenden Saison muss er sich erstmals einem echten Konkurrenzkampf stellen. Sofern die Lage in den folgenden Monaten nicht noch weiter eskaliert und es zu einer vorzeitigen Trennung kommt.

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