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Solidarität mit Israel: Rund 300 Menschen kamen am Sonntagmittag auf den Alten Markt in Potsdam.

© Andreas Klaer

Solidarität mit Israel: Auch in Potsdam wächst die Angst vor Antisemitimus

300 Potsdamer bekunden ihre Solidarität mit Israel. Wenige Meter entfernt von der Kundgebung auf dem Alten Markt sind Israel-Fahnen dagegen unerwünscht.

Die Solidaritätskundgebung für Israel auf dem Alten Markt war am Sonntagmittag schon eine Weile beendet, da kehrten zwei Teilnehmer der Demo zurück und berichteten von einem Vorfall in einer nur wenige Meter entfernt liegenden Gaststätte.

Sie habe das kleine Israel-Fähnchen bewusst neben sich auf die Bank am Tisch gelegt, erzählte Edith Kammer. „Der Kellner hat schon so komisch geguckt“, sagte sie. Schließlich habe er sie gebeten, das Fähnchen „besser wegzunehmen“. Gäste und Mitarbeiter würden sich dadurch gestört fühlen. „Dabei saß niemand neben uns“, sagte Edith Kammer.

Sie und ihr Begleiter Milan Strnad hätten das Restaurant daraufhin verlassen. „Wir haben unsere Getränke bezahlt und die Bestellung storniert. Mir war der Appetit vergangen“, sagte die Potsdamerin.

Einige Minuten zuvor hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) auf der Bühne vor knapp 300 Teilnehmenden der Kundgebung berichtet, dass es auch in der jüdischen Gemeinde Potsdams eine neue Angst vor Antisemitismus gebe. „Das Gefühl der Sicherheit der jüdischen Bürgerinnen und Bürger auch in unsere Stadt ist nicht mehr da“, sagte Schubert. „Wir lassen alle, die sich mit Israel verbunden fühlen, nicht allein.“

Es sei unerträglich, dass jüdische Menschen Angst haben müssen. Doch leider, so Schubert, sei der Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft nie verschwunden gewesen, sondern wie ein unsichtbares Geschwür gewuchert.

Enttäuscht über Teilnehmerzahl

Aras-Nathan Keul, Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die zur Kundgebung aufgerufen hatte, sprach von den Ängsten vieler Juden und Israelis. „Sie sprechen nicht mehr Hebräisch in der Öffentlichkeit, tragen keinen sichtbaren Davidstern oder melden sich für das Uber-Taxi mit anderem Namen an“, sagte Keul den PNN.

Die Leute gehen für so viele Themen auf die Straße, aber das hier ist ein Armutszeugnis.

Aras-Nathan Keul, Bundesvorsitzender des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft

Er zeigte sich enttäuscht von der Solidarität mit Israel. Für die Kundgebung auf dem Alten Markt hätte er sich eine viel größere Beteiligung gewünscht. „Wo waren die jungen Menschen, die Eltern mit Kindern, die Schulklassen?“, fragte er. „Die Leute gehen für so viele Themen auf die Straße, aber das hier ist ein Armutszeugnis.“ Für ihn sei es vorerst die letzte Demonstration gewesen, die er vorbereitet habe.

Solidarität mit Israel: Rund 300 Menschen kamen am Sonntagmittag auf den Alten Markt in Potsdam.

© Andreas Klaer

Keul berichtete von fehlenden Informationen und mangelnder Medienkompetenz. Muslimisch geprägte Jugendliche würden deutsche Nachrichten ablehnen und sich über arabische TV-Sender oder emotionale TikTok-Videos mit Fakenews-Inhalten informieren. Er fordert mehr Beschäftigung mit der Geschichte Israels in Schulen und mehr Austauschprogramme mit Israel.

Aras-Nathan Keul sprach von mangelnder Solidarität mit Israel – nicht nur nach den Terrorangriffen der Hamas, sondern auch jetzt bei der Selbstverteidigung des Landes. Vor allem vermisse er Demonstrationen gegen die Hamas. „Wo ist der Hass gegen die Hamas?“, fragte er. Die Terroristen hätten den Palästinensern „16 Jahre lang nur Elend gebracht und jeden Cent in ihr Tunnelsystem gesteckt“.

Zuvor hatte der Gesandte der israelischen Botschaft, Aaron Sagui, berichtet, wie die Hamas die palästinensische Bevölkerung bekämpfe und als Schutzschild benutze, gleichzeitig aber eine Dämonisierung Israels stattfinde. Sagui wurde sehr persönlich, als er davon berichtete, dass „unsere Töchter und Söhne gerade jetzt in Gaza“ seien. Sein eigener Sohn ist für die israelische Armee dort im Einsatz.

Israel-Fähnchen wurden während der Kundgebung verteilt. In einem nahe gelegenen Restaurant waren sie unerwünscht.

© Andreas Klaer

Dieter Starke, stellvertretender Vorsitzender der DIG Berlin und Brandenburg, berichtete den PNN von den in Tel Aviv lebenden Schwestern Regina und Ruth Steinitz. Die in Berlin aufgewachsenen Zwillinge überlebten den Holocaust und wähnten sich seit 1948 in Israel in Sicherheit.

Damit ist es seit dem 7. Oktober vorbei. Die 93-jährigen Schwestern mussten nach einem Raketenalarm ihre Wohnungen verlassen und zeitweilig im Süden Israels unterkommen. Noch dazu seien alle Enkelkinder für den Armeedienst eingezogen worden. Für Regina Steinitz, deren 2019 verstorbener Mann Zwi drei Konzentrationslager und einen Todesmarsch überlebt hatte, sei eine Welt zusammengebrochen, berichtet Starke.

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) sprach im Anschluss an die Kundgebung von unzureichender Solidarität mit Israel. Die deutsch-israelische Unternehmerin und Aktivistin Vika Kanar beklagte fehlende Solidarität aus der Kulturszene. „Wo sind die Künstler, denen Menschenrechte sonst so wichtig sind?“, fragte sie und bat um Solidaritätsbekundungen. „Das ist uns so wichtig.“

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