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Das Braunkohlekraftwerk Kraftwerk Jänschwalde.

© dpa/Soeren Stache

Kohleausstieg in Brandenburg : Zittern um die zugesicherten 1,7 Milliarden Euro für die Leag

Mit dem Kohleausstieg bis 2038 sicherte die Bundesregierung der Leag eine Entschädigung von 1,7 Milliarden Euro zu. Darf das Geld nicht überwiesen werden, weil Brüssel ein Veto einlegt?

In Brandenburg wächst die Sorge vor neuen Verwerfungen in der Lausitz, weil die von der Bundesregierung dem Bergbauunternehmen Leag zugesagte Entschädigung von 1,7 Milliarden Euro für den Kohleausstieg bis 2038 in Gefahr gerät. Und zwar wegen möglicher Kürzungen oder gar eines Vetos aus Brüssel.

Die Kenia-Regierung unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und alle demokratischen Parteien im Landtag in Potsdam haben am Dienstag beunruhigt darauf reagiert, dass die EU-Kommission jetzt allein die 2,7 Milliarden Euro für den RWE-Konzern für den Kohleausstieg im rheinischen Revier bis 2030 als Beihilfe genehmigt hat – und darauf, dass das bisher parallele Leag-Verfahren für Ostdeutschland nun mit ungewissem Ausgang weiter läuft. Nach Tagesspiegel-Recherchen gibt es tatsächlich Genehmigungshürden für den Lausitzer Antrag, auch wegen des Kohleausstiegstermins 2038.

Sollte die Milliarden-Entschädigung nicht fließen dürfen, hätte dies auch Folgen für die ohnehin schwierige Stimmung in der Lausitz, wo die AfD schon bei letzten Wahlen mancherorts über 40 Prozent holte. „Das wäre eine Vollkatastrophe für die Demokratie. Dann braucht sich dort kein Politiker mehr blicken lassen“, warnt etwa Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter.

Beide Anträge, von RWE und Leag, waren 2021 parallel eingereicht worden. Es sei dringend notwendig, dass nach RWE auch das zweite Verfahren zur Leag„sehr zügig zu Ende geführt wird“, sagte Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) dem Tagesspiegel. „Die LEAG und auch das Land brauchen hier Sicherheit.“ Die Entscheidung sei deshalb so wichtig, weil es auch um Sozialleistungen wie Weiterbildungskosten für die Beschäftigten, um die Erstattung von Mehrkosten für die Rekultivierung bisheriger Tagebauflächen in den Jahren 2038 bis 2045 und entgangene Gewinne durch ein vorzeitiges Ende des Bergbaus und des Kraftwerksbetriebes gehe.

Das wäre eine Vollkatastrophe - für die Demokratie. Dann braucht sich dort kein Politiker mehr blicken lassen.

Sebastian Walter, Partei- und Fraktionschef der Linken in Brandenburg

Anders als beim RWE-Konzern, der über einen gesonderten Vertrag bis 2030 aussteigt, ist für die ostdeutschen Reviere ein Kohleausstieg für 2038 vereinbart. Damit die 1,7 Milliarden Euro vom Staat fließen dürfen, muss die Leag gegenüber Brüssel entgehende Gewinne für den Zeitraum von 2038 bis 2045 plausibel nachweisen. RWE, das den Ausstieg bis 2030 vollzieht, hatte für die früheren Zeiträume kein Problem. Für die LEAG ist das objektiv schwierig, soweit im Voraus, und weil mit den immer teureren Kohlendioxidzertifikaten absehbar die Verlustzone näherrückt. Das Kraftwerk Jänschwalde gehört zu denen mit dem höchsten Kohlendioxid-Ausstoß in Europa.

In diese Richtung äußerte sich am Dienstag Michael Kellner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (beide Grüne). „Das Leag-Verfahren ist aber deutlich komplexer als das RWE-Verfahren, weil die Stilllegungszeitpunkte so weit auseinander sind. Wir wollen, dass es auch für die LEAG eine gute Lösung gibt“, sagte Kellner. „Die Beihilfe dient nicht nur für Investitionen in grüne Energie in der Lausitz, sondern auch für die Absicherung der Ewigkeitslasten des Bergbaus.“ Es mache „natürlich einen Riesen-Unterschied, ob man wie bei der RWE spätestens 2030 oder eben wie bei der Leag spätestens 2038 aus der Braunkohle aussteigt“.

Leag-Konzernbetriebs pocht auf Verträge

Auf der anderen Seite stehen die Beschlüsse zum Kohleausstieg von Bundesregierung und Bundestag. „Wir verlangen jetzt eine positive EU-Entscheidung über die per Gesetz und Vertrag garantierten 1,75 Milliarden Euro Entschädigung für die Leag“, erklärten Leag-Konzernbetriebsratschef Uwe Teubner und dessen Vize Toralf Smith am Dienstag. „Wir erwarten und verlangen, dass die Bundesregierung Wort hält zum zugesicherten sozial verträglichen Kohleausstieg. Und zwar ohne Wenn und Aber. Das bedeutet: ohne Nachverhandeln bei den Abschaltdaten, ohne Hinterzimmergeschäfte und Nebenvereinbarungen.“

Grünen warnen vor falscher Ost-Debatte

„Brandenburg darf nicht anders und schlechter behandelt werden“, sagte auch CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Das Geld sei wichtig, damit die Leag ihren Verpflichtungen für die Rekultivierung der Bergbaufolgelandschaften nachkommen könne. Für die Freien Wähler forderte der Abgeordnete Matthias Steffke, dass die Landesregierung „volles Rohr“ Druck gegenüber Brüssel macht. Linke-Chef Walter führte die Probleme auch auf mangelnde Ost-Interessenvertretung der Ampel-Bundesregierung zurück – und textete: „Nehmt den Wessis das Kommando!“ Beihilfeschwierigkeiten seien von Beginn an absehbar gewesen, mahnte hingegen Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. „Da hat man voreilige Versprechungen gemacht. Die Ost-West-Debatte ist der Versuch, davon abzulenken.“

Brüssel hat die Sorgen aus der Lausitz im Blick. „Der Kommission ist in vollem Umfang bewusst, dass die Herausforderungen angegangen werden müssen, die sich aus dem Kohleausstieg für die betroffenen Gebiete und die Arbeitnehmer in Ostdeutschland ergeben“, heißt es in der EU-Erklärung zum unterschiedlichen Vorgehen bei RWE und Leag. „Sie arbeitet eng mit den deutschen Behörden zusammen, um zu praktikablen Lösungen für die Herausforderungen aus dem Kohleausstieg zu kommen.“

Die AfD reagierte auf die Schlagzeilen so: „Das ist schlimm. Aber es ist der Fluch der bösen Tat“, sagte Fraktionschef Christoph Berndt. „Das ganze Unheil beginnt mit der unsinnigen Energiewende, mit dem vorzeitigen Kohleausstieg, mit dem Sich-abhängig-Machen von Entscheidungen in Brüssel.“

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