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Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig von der SPD. (Archivbild)

© Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Schwesig und Schneider zum Tag der Deutschen Einheit: Wir können Krisen und Phasen großer Veränderung meistern – gemeinsam, solidarisch

Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Tag der Freude. Doch gleichzeitig ist unsere Gegenwart geprägt von großen Herausforderungen. Ein Gastbeitrag.

Von
  • Manuela Schwesig
  • Carsten Schneider

Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Tag der Freude – über das voranschreitende Zusammenwachsen zwischen Ost und West, über die erkämpfte Freiheit, über die gewonnene Demokratie.

Doch gleichzeitig ist unsere Gegenwart geprägt von großen Herausforderungen, wie es sie selten zuvor gegeben hat: Krieg, Pandemie, Inflation, Gasknappheit, Energiekrise. Viele Menschen blicken mit Sorge und Angst in die Zukunft. Es gibt die Sorge, dass das, was in 33 Jahren unter großen Anstrengungen aufgebaut wurde, jetzt wieder in Gefahr gerät. Die Lage ist ernst.

Der Blick zurück auf die vergangenen 32 Jahre – insbesondere auf die Leistung vieler Ostdeutscher - kann uns jedoch in dieser schwierigen Zeit Kraft geben. Nach der Friedlichen Revolution und der der Deutschen Einheit änderte sich für die Menschen in der ehemaligen DDR innerhalb kürzester Zeit alles.

Während für die Menschen in den alten Bundesländern der Alltag normal weiterging, waren die Ostdeutschen mit einem zusammenbrechenden Staat und Wirtschaftssystem, dem Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen, einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und der Abwanderung von Millionen Menschen konfrontiert.

Es gibt im Osten keine Familie, die davon nicht betroffen war. Auch unsere Väter verloren ihre Arbeit.

Wir haben uns ein Leben aufgebaut und manchmal auch neu erfunden. 

Dritte Generation Ostdeutschland

Die meisten von uns haben damals Wege gefunden, mit den Unsicherheiten, Traumata und Verlusten dieser Zeit umzugehen. Wir hatten weder Kontakte noch Geld, aber haben Chancen ergriffen, uns ein Leben aufgebaut und manchmal auch neu erfunden. Nicht wenige, auch wir, sind in die Politik gegangen, weil sie gestalten wollten – getreu Regine Hildebrandts Motto „Man kann nur etwas verändern, wenn man sich dafür einsetzt.“

Ein jubelnden Paar am Tag der Deutschen Einheit mit einer DDR-Fahne (Archivbild vom 03. Oktober 1990 in Berlin).
Ein jubelnden Paar am Tag der Deutschen Einheit mit einer DDR-Fahne (Archivbild vom 03. Oktober 1990 in Berlin).

© dpa

Auf das, was wir seit 1989 aufgebaut haben – auch innerlich – können wir stolz sein. Wir haben den Aufbruch gewagt. Darauf müssen wir uns jetzt besinnen. Wir können Krisen und Phasen großer Veränderung meistern. Gemeinsam. Solidarisch. In einem vereinten Deutschland.

Ostdeutschland als attraktiver Wirtschaftsstandort

Viele Teile Ostdeutschlands haben sich hervorragend entwickelt. Der Osten ist ein attraktiver Wirtschaftsstandort, den auch Weltkonzerne wie Tesla in Grünheide oder Intel in Magdeburg für sich entdeckt haben. In Rostock wird der Hafen zu einem neuen Energiehafen ausgebaut. Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen.

Die Zivilgesellschaft ist aktiv wie nie zuvor und gestaltet ein lebendiges Miteinander vor Ort. In Kunst und Kultur werden ostdeutsche Perspektiven deutlich sichtbar.

Lohnungleichheit muss überwunden werden

Andererseits existieren gerade im Osten weiterhin große Herausforderungen, die politische Antworten erfordern. Die aktuell unsichere Energieversorgung und die stark gestiegenen Preise sind für die hiesige Bevölkerung besonders bedrohlich: Noch immer bekommt ein ostdeutscher Arbeitnehmer im Schnitt mehr als 600 Euro im Monat weniger als ein westdeutscher – in einzelnen Berufsgruppen sogar bis zu 1000 Euro.

Entsprechend haben die Bürgerinnen und Bürger weniger Rücklagen und Vermögen. Diese Lohnungleichheit muss überwunden werden.

Ungleichheit wird durch Erbschaft zementiert

Die meisten jungen Menschen im Osten sind Kinder einer Elterngeneration, die in den vergangenen 30 Jahren wenig zurücklegen konnten. Deshalb wird im Osten traditionell weniger vererbt.

So beträgt die durchschnittliche Höhe einer Erbschaft in Mecklenburg-Vorpommern 52.000 Euro, in Bayern hingegen fast vier Mal so viel – nämlich 176.000 Euro. Damit wird über die Generationen hinweg die Ungleichheit zwischen Ost und West zementiert.

Studien belegen Unzufriedenheit mit Politik

Kein Wunder also, dass Energieknappheit und die steigenden Preise besonders auch die ostdeutsche Gesellschaft unter Stress setzt – und dass in dieser Situation die Zufriedenheit mit der Politik und der Demokratie sinkt.

Das bestätigt eine aktuelle repräsentative Umfrage im Auftrag des Ostbeauftragten der Bundesregierung. Dem „Deutschland-Monitor“ zufolge sind nur noch 42 Prozent aller Befragten mit der politischen Situation in Deutschland alles in allem zufrieden (2020 waren es 52 Prozent), und mit der Demokratie, wie sie in Deutschland funktioniert, nur noch 55 Prozent (2020: 62 Prozent).

Wichtig dabei: Zwar sind die Menschen im Osten weniger zufrieden, doch auch in Westdeutschland sinken die Werte deutlich, wenn auch von einem höheren Anfangswert kommend. Die Unzufriedenheit mit Demokratie und Politik ist also kein Ost-, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen.

Politikverdrossenheit als Handlungsauftrag

Diese Zahlen sind beunruhigend. Die Ursachen sind eindeutig – und wir können und müssen als Politik und Zivilgesellschaft etwas dagegen tun. Mit der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland ist nur noch weniger als ein Viertel der Menschen im Osten und ein Drittel im Westen (eher) zufrieden.

Zugleich ergibt der Deutschland-Monitor, dass die Politikverdrossenheit bei denjenigen Menschen besonders hoch ist, die über niedrige Einkommen verfügen und ihre Lebensbedingungen vor Ort schlecht bewerten. Die vorliegenden Zahlen sind für uns ein Handlungsauftrag zu einer pragmatischen Politik der Sicherheit, des sozialen Ausgleichs und des Respekts.

Mit Entlastungspaketen durch die Energiekrise

Dafür haben Bund und Länder in den vergangenen Monaten schon viel getan – von der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ab Oktober 2022 bis zum neuen Wohngeld. Die drei bisherigen Entlastungspakete haben ein Volumen von fast 100 Milliarden Euro.

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Wir setzen alles daran, Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zu unterstützen und das Land sicher durch die Energiekrise zu führen. Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, damit die Preise für Strom und Gas sinken. Dafür hatten sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Bund und Ländern stark gemacht, auch aus Mecklenburg-Vorpommern.

Zugleich erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns, dass die längerfristigen Aufgaben im Strukturwandel jetzt nicht unter den Tisch fallen. Unabhängig von der aktuellen Krise bleibt das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für die Politik in Bund und Ländern. Noch immer bedarf es eigener Strategien, um Wirtschaft und Gesellschaft im Osten zu stärken.

Im Idealfall gelingt es, die Politik der Krisenbewältigung mit Zukunftsimpulsen zu verbinden. So wird die sicherheitspolitische „Zeitenwende“ zu massiven Investitionen in die Bundeswehr führen, die ohnehin notwendig gewesen wäre. Auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien war schon fest geplant, er kommt nur jetzt mit höherer Geschwindigkeit.

Die LNG-Terminals, die derzeit mit Hochdruck errichtet werden, sollen mittelfristig für die Zukunftsenergie Wasserstoff genutzt werden. Und die Investitionen in die Raffinerie Schwedt und die Häfen Rostock und Lubmin an der Ostseeküste leiten einen Transformationsprozess ein, der sonst vielleicht Jahrzehnte gedauert hätte. All das ist Fortschritt in der Krise.

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In Krisenzeiten mehr miteinander sprechen

Aktuell wird von uns allen viel gefordert – aber wir haben die Stärke und das Wissen, diese Situation zu meistern. Der Tag der Deutschen Einheit erinnert uns daran, was Menschen gemeinsam leisten können, wenn sie solidarisch zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen.

Die Ostdeutschen haben damals einen Weg gefunden, mit den Unsicherheiten und Verlusten dieser Zeit umzugehen. Darüber sollten wir im wiedervereinigten Deutschland mehr miteinander sprechen, gerade in diesen Krisenzeiten.

Es geht darum, Erfahrungen und  Erlebnisse zu teilen, aber auch: gemeinsam aus Fehlern zu lernen – ob in der Berliner WG-Küche, im Bautzner Café, am Strand von Warnemünde oder in der Kantine in Nürnberg. Denn dann wachsen wir nicht nur weiter zusammen, sondern auch über uns hinaus.

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