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Per Sirene könnte eine Zivilschutzübung ankündigt werden.

© dpa/Jens Büttner / Bearbeitung Tagesspiegel

Vorstoß für Zivilschutzübungen an Schulen: Sollen sich Kinder für den Krieg vorbereiten?

Junge Menschen müssten die Bedrohungen der Freiheit kennen, sagt Stark-Watzinger. Zivilschutzübungen in der Schule sollen sie etwa für Pandemien oder Kriege bereitmachen.

Von
  • Miriam Schröder
  • Ria Schröder
  • Thomas Jarzombek

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich dafür ausgesprochen, dass junge Menschen in Schulen auf Krisen und den Kriegsfall vorbereitet werden. „Die Gesellschaft muss sich insgesamt gut auf Krisen vorbereiten – von einer Pandemie über Naturkatastrophen bis zum Krieg“, sagte die FDP-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die jungen Menschen müssten die Bedrohungen der Freiheit kennen und mit den Gefahren umgehen können, fügte Stark-Watzinger hinzu.

Drei Experten erörtern die Frage, ob sich Kinder an Schulen für den Krieg vorbereiten sollen. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Nicht von den eigentlichen Problemen der Schulen ablenken

Der Vorstoß von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zum Zivilschutz an Schulen ist nicht mehr als der Versuch, von den eigentlichen Problemen in unseren Schulen abzulenken. Jedes vierte Kind verlässt die Grundschule, ohne richtig Lesen und Schreiben zu lernen. Das ist das zentrale Problem und hier müssen wir ran! Wir brauchen vor allem ein verpflichtendes Vorschulprogramm und hier wird Frau Stark-Watzinger ihrer Aufgabe nicht gerecht.

Zum Thema Zivilschutz: Die Bundesministerin hat das Thema zwei Jahre lang verschlafen. Währenddessen haben die Länder bereits Schulgesetze geändert, Jugendoffiziere der Bundeswehr kommen in die Schulen und werden sogar an den Instituten für Lehrerbildung qualifiziert.

Vor allem müssen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, eigenständig zu denken und vermeintliche Gewissheiten kritisch zu hinterfragen. Das alles passiert bereits, unaufgeregt. Und so sollten wir das Thema auch angehen: Pragmatisch in der Sache, ohne die jungen Menschen in Angst und Panik zu versetzen.“


Stärker durch Vorbereitung

Die Bedrohung von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa ist Realität. Viele junge Menschen fühlen Unsicherheit und Ohnmacht. Aber Angst verschwindet nicht durch gutes Zureden, sondern indem man offen und panikfrei darüber spricht, was passieren kann und wie man darauf reagiert.

In Chile und Japan gibt es Erdbeben-Trainings, in Bhutan können Freiwillige sich zu „Hütern des Friedens“ ausbilden lassen, Finnland und Schweden sind nicht nur der Nato beigetreten, sondern stärken auch den Zivilschutz. Es ist höchste Zeit, dass wir uns als Gesellschaft auf Krisen und Katastrophen so vorbereiten, als könnten sie tatsächlich eintreten.

An Schulen kann das mit Unterstützung von Jugendoffizieren, aber auch THW und Rotem Kreuz stattfinden. Wenn Gefahren thematisiert, Krisenverhalten geprobt und Erste-Hilfe-Schulungen durchgeführt werden, dann macht uns das stärker, nicht ängstlicher. Bereiten wir uns auf das Schlimmste vor und tun alles dafür, dass es nicht eintritt.


Die wahren Gefahren liegen im Netz

Wenn es nach Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger geht, lernen Deutschlands Schülerinnen und Schüler noch nicht genug, jedenfalls nicht das Richtige. Wer wollte ihr da widersprechen. Nur, braucht es wirklich Zivilschutzübungen, um das Curriculum upzudaten? Offiziersbesuche in der Schule und „ein unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“?

Die wahren Gefahren liegen heute noch woanders: im Netz, wo der Informationskrieg längst auch in Westeuropa angekommen ist und wo die Jugend aufmerksamer zuhört als in der Schule. Schülerinnen und Schüler immun zu machen gegen Fake News und Manipulation, ihnen zu helfen, sich in der Informationsflut zurechtzufinden und resilient zu werden, das sollte die dringendste Sorge einer Bildungsministerin sein.

Der Digitalpakt für die Schulen aber wäre kürzlich fast gescheitert, erst ein Krisengespräch zwischen Bund und Ländern sicherte die notwendigen Milliarden. Einen Vorschlag, wie man hier mehr Praktiker in die Klassenzimmer bekommt, würde man sich von Stark-Watzinger wünschen.

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