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Carsten Linnemann fortert schnellere Bestrafungen.

© Carsten Linnemann fortert schnellere Bestrafungen.

Update

Gewalttaten in Freibädern schneller bestrafen?: SPD und Grüne werfen Linnemann Populismus vor

Nach den jüngsten Vorfällen in Berliner Freibädern plädiert der CDU-Generalsekretär für beschleunigte Verfahren. Das sei juristisch nicht sauber, heißt es nicht nur aus anderen Parteien.

Ein Carsten Linnemann verliert keine Zeit: Erst seit einer Woche ist bekannt, dass der Wirtschaftspolitiker als neuer CDU-Generalsekretär auf Mario Czaja folgen soll – und schon jetzt will er seinem Ansinnen, das Parteiprofil der Union zu schärfen, mit allen Mitteln Ausdruck verleihen.

Mehr Law and Order, so lautet seine Devise, die die Umfragewerte der Union wieder nach oben kurbeln soll. Linnemanns neuster Coup:

Nachdem jüngst Berliner Freibäder, vor allem in Neukölln und Kreuzberg, wegen Massenschlägereien bundesweit für Schlagzeilen sorgten, fordert der Betriebswirt, Gewalttaten in Freibädern noch am selben Tag zu ahnden.

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Linnemann fordert Schnellverfahren für Gewalttäter

„Es braucht Schnellverfahren gegen Gewalttäter, das Justizsystem muss entsprechend organisiert werden“, sagte Linnemann der „Bild am Sonntag“.

Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. Auch am Wochenende.“ Die Strafprozessordnung gebe das her. Auch das Strafmaß müsse voll ausgeschöpft werden, bis hin zu Haftstrafen.

Der starke Rechtsstaat funktioniere nur mit Abschreckung. Was derzeit in den Freibädern passiere, sei zudem „schlicht unsozial“, sagte Linnemann.

„Familien, die sich keinen Urlaub oder keinen Pool im eigenen Garten leisten können, müssen im Freibad mitansehen, wie junge Männer, oft mit Migrationshintergrund, gewalttätig werden. Sie haben den Eindruck, dass der Staat nur zuschaut.“

Justiz ist überlastet

„Der Vorschlag des neuen CDU-Generalsekretärs ist Populismus pur, verkennt rechtsstaatliche Grundsätze und die Realität in der Justiz“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede, dem Tagesspiegel.

Der Vorschlag des neuen CDU-Generalsekretärs ist Populismus pur, verkennt rechtsstaatliche Grundsätze und die Realität in der Justiz.

Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Ob beschleunigte Verfahren anwendbar seien, könne nicht nach politischem Willen eines CDU-Generalsekretärs beurteilt, sondern müsse im Einzelfall durch ein Gericht entschieden werden.

Staatsanwaltschaften können nach der Strafprozessordnung Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren stellen, wenn die Sache zur sofortigen Verhandlung aufgrund eines einfachen Sachverhalts oder einer klaren Beweislage dafür geeignet ist.

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„Das wird kaum bei jeder Straftat im Freibad der Fall sein. In solchen Schnellverfahren kann maximal ein Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden.“

Widerspruch auch von den Grünen

Strafe allein schrecke nicht ab, dies sei seit langem belegt und werde im ersten Semester Kriminologie gelehrt. „Warum gerade Gewalttaten im Freibad anders sanktioniert werden sollten als etwa häusliche Gewalt, erschließt sich nicht. Was wir brauchen, ist vor allem mehr Prävention und Sozialarbeit“, sagte Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel.

„Einfach nur eine Forderung in den Raum zu werfen, ist populistisch, zumal es in einem Rechtsstaat nicht Aufgabe von Politikern ist, den Richtern Vorgaben zum Strafmaß zu machen.“

Deutsche Richterbund ist nicht überzeugt

Der Deutsche Richterbund blickt ebenfalls kritisch auf die Äußerungen Linnemanns. „Es ist wenig überzeugend, wenn Politiker am Sonntag mit entschlossener Pose nach dem starken Rechtsstaat rufen, Montag bis Samstag aber zu wenig dafür tun“, sagte Sprecher Sven Rebehn dem Tagesspiegel.

Es sei zwar richtig, dass eine Strafe der Tat möglichst auf dem Fuße folgen müsse, um für die Täter abschreckend zu wirken. 

„Allerdings muss die Politik, die öffentlichkeitswirksam nach einer zügigen Strafverfolgung ruft, die Justiz dann auch deutlich besser ausstatten.“

Berliner Justiz reagiert skeptisch

Auch die Berliner Justizverwaltung reagierte am Sonntag verhalten auf die Vorschläge von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Eine Sprecherin der Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos, für CDU) sagte dem Tagesspiegel: „Beschleunigte Verfahren nach der Strafprozessordnung kommen nur bei einfachen Sachverhalten mit eindeutiger Beweislage in Betracht.“

Gerade bei Jugendlichen könnten sie nicht angewendet werden. Die Staatsanwaltschaften prüfe im Einzelfall, ob die Voraussetzungen hierfür vorlägen. „Am Ende entscheiden aber allein die Gerichte über die Durchführung beschleunigter Verfahren.“

Strafverteidiger-Verein nennt Vorschlag „populistisch und dumm“

Der „Verein Berliner Strafverteidiger*innen“ bezeichnete den Vorschlag Linnemanns als „populistisch und dumm“. Eine Art Strafgericht für besondere Täter sei verfassungsrechtlich fragwürdig und praktisch undurchführbar.

Das habe sich bereits im Umgang mit den Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ gezeigt. Bei einem Strafverfahren gehe es immer um komplexe Fragen, die sich nicht mal eben einfach so an einem Nachmittag klären ließen. Auch sei bei einem solchen Schnellverfahren eine angemessene anwaltliche Verteidigung nicht zu gewährleisten.

In der Vergangenheit waren bereits Bemühungen gescheitert, Aktivisten der „Letzten Generation“ per beschleunigten Verfahren zu verurteilen: Die Richterin erklärte den Fall einer Straßenblockade in Berlin als nicht geeignet für ein beschleunigtes Verfahren. Sie setzte die Verhandlung gegen den Angeklagten aus.

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