zum Hauptinhalt
01_Gesetze_Wirrwarr_Bundesrat.jpg

© Gestaltung: Tagesspiegel; Fotos:Imago, dpa, freepik (2)

Ampel musste im Bundesrat zittern: Warum die Union beim Wachstumschancengesetz eingelenkt hat

Bis in die Sitzung der Länderkammer hinein haben CDU und CSU zugunsten der Bauern gepokert. Aber den Zorn der Industrieverbände fürchten auch sie.

Die Union hat es bis zuletzt spannend gemacht, am Freitag im Bundesrat. SPD, Grüne und FDP sollten ruhig ein bisschen zittern. Noch in einer Probeabstimmung vor Beginn der Sitzung der Länderkammer kam keine Mehrheit für das Wachstumschancengesetz in seiner im Vermittlungsausschuss zusammengestauchten Version zustande.

Die Spitzen von CDU und CSU hatten ihre Verweigerungshaltung in den Ländern bis zuletzt damit begründet, das Projekt der Ampelkoalition zugunsten der Wirtschaft sei ja ohnehin nur noch ein Torso und bringe wenig. Im Übrigen hatte CDU-Chef Friedrich Merz eine Zustimmung daran gebunden, dass entweder die Kürzung der Subventionen für Agrardiesel fallen müsse – oder ersatzweise ein üppiges Entlastungspaket zugunsten der Landwirtschaft vorgelegt werden solle.

Ob das, was die Bundesregierung dann formell am Vorabend der Bundesratssitzung vorgelegt hat, üppig ist oder nicht – darüber kann nun gestritten werden. Zehn Punkte umfasst das Papier, die Nichtkundigen in der Steuer- und Landwirtschaftspolitik eher wenig sagen.

Agrarpaket in zehn Punkten

Die Aussetzung der obligatorischen Flächenstilllegung in diesem Jahr findet sich dort, eine Tarifglättung bei der Einkommensteuer, die Anpassung des „Agrarorganisationen-Lieferketten-Gesetzes“ - und einiges an Bürokratieabbau, etwa bei „Ohrmarken bei gekoppelten Prämien“ und zur „Entschlackung bei bestehenden Ökoregelungen“.

Ob das Paket die Subventionskürzung (etwa eine halbe Milliarde Euro im Jahr) ausgleicht, daran hatten die Länder zwar weiterhin Zweifel. Die im Übrigen nicht nur auf Seite der Union bestehen, sondern auch in der SPD verbreitet sind, die sich nicht als Anti-Bauern-Partei qualifiziert wissen möchte.

3
Milliarden Euro

Aber in der Hauptabstimmung stimmte die Union dem Wachstumschancengesetz zu – und damit praktisch auch dem Agrarentlastungspaket der Ampel. Wie ein Krimi sei der Prozess der Annäherung in der Nacht zu Freitag gewesen, meinte einer der Beteiligten am Freitag. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der das Gesetz auf den Weg gebracht hatte, nannte es einen ersten Schritt für die von ihm ausgerufene Wirtschaftswende.

Cem Özdemir schaut voraus

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, zusammen mit seinen Grünen das Hauptziel der Bauernproteste seit Dezember, reagierte erleichtert. „Die Landwirtschaft ist mehr als nur ein Spielball parteipolitischer Interessen“, sagte er. „Sie deckt uns täglich den Tisch – dies soll sich auch in der entsprechenden Anerkennung niederschlagen. Die Landwirtinnen und Landwirte haben mit ihren berechtigten Protesten viel erreicht, jetzt ist aber die Zeit gekommen, in der das Erreichte gemeinsam mit dem Berufsstand umgesetzt werden muss.“

Erleichtert ist auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Der Spitzenverband der Wirtschaft hatte am Donnerstag in einer kurzen Presseerklärung gefordert, das Wachstumschancengesetz müsse „jetzt endlich“ verabschiedet werden. „Nach monatelanger Verzögerung brauchen die Unternehmen dringend ein Signal, dass die Politik ihre Sorgen ernst nimmt.“

Wenn der BDI grantig wird ...

Das Signal war natürlich an die Union gerichtet – und wenn der BDI grantig wird, dann ist auch Merz nicht mehr ganz so widerspenstig. Aber die kleine Provokation mit der Probeabstimmung, die durfte noch sein.

Die Wirtschaft erwartet nun mehr Unterstützung – sowohl von der Ampel als auch von der Union.  Im harten steuerpolitischen Standortwettbewerb sei das Gesetz mit seinen Fördermaßnahmen im Volumen von gut drei Milliarden Euro im Jahr nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer forderte, es müsse noch vor der Sommerpause „eine konkrete Reformagenda“ kommen, mit Entlastungen, „die schnell im betrieblichen Alltag ankommen“.

Der Chemieverband VCI schrieb, das Gesetz sei insgesamt nur ein „Trippelschritt zu mehr Wirtschaftswachstum“, da das finanzielle Volumen durch den Vermittlungsausschuss um über die Hälfte reduziert worden sei. Der Abstand zu Wettbewerbern wie den USA und China werde immer größer, warnte der Verband.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false