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Kanzler Olaf Scholz mit den MPK-Vorsitzenden, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (links) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (rechts), im Oktober 2022.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Länder-Gipfel mit Kanzler Scholz: Bloß kein Streit über Migration – aus Furcht vor der AfD

Im November verhandelten die Länderchefs mit Kanzler Scholz bis tief in die Nacht über die Migrationspolitik. Dieses Mal wollen sie das vermeiden – aus Sorge, die AfD könne davon profitieren.

Die Forderung ist strategisch platziert. Eine Obergrenze für Geflüchtete brauche es, fordert Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) einen Tag vor dem Treffen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit dem Kanzler am Mittwoch. „50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr – mehr können das erst mal für die nächsten Jahre nicht sein, weil wir so eine große Integrationsanstrengung haben“, sagt er der „Bild“.

Im November hatten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zuletzt mit Olaf Scholz bis in die Nachtstunden über Verschärfungen in der Migrationspolitik verhandelt. Am Ende hatte man sich auf die Bezahlkarte, Leistungskürzungen für Asylbewerber, eine Verlängerung der Grenzkontrollen, die Begrenzung des Familiennachzugs und eine stärkere Beteiligung des Bundes bei den Kosten geeinigt.

Ginge es nach Michael Kretschmer, soll nun auch noch früher die von der CSU geforderte Obergrenze folgen, die bis 2030 gelten soll.

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SPD und Grüne kritisieren Obergrenze

Doch die Aussichten dafür gehen gegen null, die Kritik an Kretschmer ist groß. Die Forderung laufe auf eine Abschaffung des Grundrechts auf Asyl hinaus, kritisiert die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Filiz Polat: „Die Union muss intern klären, ob sie tatsächlich die Lehren, die das Grundgesetz aus der nationalsozialistischen Verfolgung gezogen hat, und die internationalen Verpflichtungen Deutschlands aufkündigen will.“

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte vor neuem Streit. Man sei bei vielen Punkten vorangekommen. „Polarisierende Diskussionen über neue Forderungen, bevor auch nur die Wirkung der getroffenen Beschlüsse abschätzbar sind, helfen dagegen nicht, allenfalls denjenigen, die am rechten Rand fischen“, sagte Weil der Deutschen Presse-Agentur.

Viel Luft ist dann ja auch nicht mehr bis zur Obergrenze Null, die die AfD Sachsen propagiert.

Marco Wanderwitz (CDU) kritisiert die Forderung seines Parteikollegen Michael Kretschmer.

Selbst in den Reihen der Union halten viele den Vorstoß für ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vor den sächsischen Landtagswahlen im Herbst. „Viel Luft ist dann ja auch nicht mehr bis zur Obergrenze Null, die die AfD Sachsen propagiert“, kritisiert der frühere Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) Kretschmer auf X.

Große Teile der CDU wollen das Thema Migration vor den Europawahlen nicht mehr zu laut bespielen. Sie fürchten, dass Debatten über Geflüchtete am Ende nur die AfD stärken könnten.

Und so findet sich in einem neunseitigen Entwurf eines gemeinsamen Beschlusspapiers zum Thema Migration keine neue Forderung der Länder. Allgemein heißt es nur: „Zwar sind die Zugangszahlen derzeit – auch witterungsbedingt – zurückgegangen, aber noch nicht im erforderlichen Maße.“ Zudem werden im Entwurf die Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und neue Migrationsabkommen gefordert.

Weniger illegale Einreisen, mehr Festnahmen von Schleppern

Die Bundesregierung sieht die Länder am Zug. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, dass sich seit dem letzten Treffen von Scholz mit der MPK vieles verbessert habe. Die Zahl der unerlaubten Einreisen sei von 21.000 im September auf knapp 7000 im Januar zurückgegangen. Seit Oktober habe die Bundespolizei zudem 560 Schlepper festgenommen. Die Zahl der Rückführungen sei 2023 um 25 Prozent gewachsen. „Das wollen wir weiter steigern“, sagte der Sprecher. Dies liege aber in der Verantwortung der Länder.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, betont die umgesetzten Beschlüsse der Ampel, etwa das Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder das Rückführungsverbesserungsgesetz. „Wichtig ist jetzt, GEAS voranzutreiben und eine effektive Kontrolle der europäischen Außengrenzen sicherzustellen“, sagte Thomae zu den Verhandlungen der EU-Staaten für ein gemeinsames Asylsystem.

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Die Grünen wollen dagegen den Fokus verändern und mehr über Integrationskurse und Zugänge für den Arbeitsmarkt sprechen. Das bringe nur Vorteile, argumentiert Filiz Polat: „Für die Geflüchteten, die sich eine Perspektive aufbauen können, für die Unternehmen, die dringend Mitarbeitende suchen, und für die Kommunen, die so entlastet werden.“

Auch um Wirtschaft geht es

Strittiger dürfte dagegen das Thema Wirtschaft sein, das die Länderchefs aber ohne den Kanzler besprechen, der nur für zwei Stunden in die hessische Landesvertretung kommen wird. Die SPD-geführten Länder wollen erneut eine Reform der Schuldenbremse thematisieren, um so die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Das aber dürfte, trotz einiger Lockerungsübungen vor allem in der CDU, auf Widerstand der Unions-Seite stoßen.

Die Länder mit CDU- und CSU-Ministerpräsidenten wollen dagegen Änderungen am Steuersystem. Doch weil dafür das Geld fehlt, neue Schulden aber (noch) tabu sind, ist eine gemeinsame Linie der MPK nicht zu erwarten. Ob es in der Runde eine Verständigung gibt, wie es im Bundesrat am 22. März mit dem im Vermittlungsverfahren verkleinerten Wachstumschancengesetz weitergeht, ist unklar. Auch hier wartet die SPD-Seite auf eine Erklärung aus der Union, warum sie einerseits Entlastungen für die Wirtschaft fordert, andererseits aber die in dem Gesetz enthaltenen Verbesserungen für die Unternehmen blockiert.

Auf eine gemeinsame Linie könnten sich die Ministerpräsidenten eher beim Thema „Pakt für Beschleunigung“ verständigen – und damit Druck auf Scholz und die Ampelkoalition ausüben. Schneller Verfahren, zügigere Planungen, weniger Bürokratie – bisher ist auch SPD-Länderchefs zu wenig passiert. Sie warten auf Gesetzesvorschläge des Bundes.

Eine neuerliche Nachtsitzung wollen die Beteiligten dem Vernehmen nach vermeiden. Auch aus pragmatischen Gründen für ihre Mitarbeiter: Ab 2 Uhr nachts hat die Bahn Streiks angekündigt.

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