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Volker Beck, von 1994 bis 2017 für die Grünen Mitglied des Bundestages

© Erik Marquardt

Exklusiv

Volker Beck zum Selbstbestimmungsgesetz: „Ich rate zu mehr Geschmeidigkeit in der Strategie“

Er kämpfte einst in vorderster Reihe für die Ehe für alle. Nun rät Volker Beck dazu, im Streit um Trans*-Rechte Druck rauszunehmen.

Er war jahrzehntelang als grüner Bundestagsabgeordneter Vorkämpfer dafür, die Ehe für Homosexuelle zu öffnen. Nun meldet sich Volker Beck im Streit um das geplante Selbstbestimmungsgesetz zu Wort. „Wir müssen aufpassen, dass wir die Gesellschaft mitnehmen. Mit dem Kopf durch die Wand lässt sich Respekt für Trans* nicht durchsetzen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich rate allen, die für Trans-Rechte streiten, zu mehr Geschmeidigkeit in der Strategie.“

Kürzlich haben Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) einen Entwurf für das geplante Gesetz vorgelegt. Kernpunkt ist, dass transsexuelle Menschen künftig ihren Geschlechtseintrag deutlich leichter als bisher ändern können und sich dafür keiner psychologischen Begutachtung mehr unterziehen müssen. Auch für Minderjährige soll dies unbürokratisch möglich werden. Gesellschaftlich ist hoch umstritten, ob das der richtige Weg ist.

Beck hat Verständnis für Verunsicherung „in der Mitte der Gesellschaft“

„Angesichts der Schärfe der Auseinandersetzung und der Denunziation des Anliegens von Rechts ist in der Mitte der Gesellschaft Verunsicherung entstanden. Darauf muss man reagieren. Das ist im Interesse aller, für die dieses Gesetz gemacht wird“, sagt nun Beck. Den vorliegenden Vorschlag nennt er „eine wichtige Brücke, zum Beispiel auch zur Position der FDP“.

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

© imago/photothek/Felix Zahn

Auf Betreiben der FDP wurde zum Beispiel eine Passage zum Hausrecht in den Entwurf aufgenommen. Dabei geht es etwa um Umkleideräume oder Saunen für Frauen. Umstritten ist, ob diese durch die Neuregelung als Schutzräume in Gefahr geraten könnten.

Beck hält es für wahrscheinlich, dass die neuen Möglichkeiten des Gesetzes nicht nur von jenen genutzt werden, für die sie gedacht sind. „Es ist damit zu rechnen, dass Menschen aus der rechten Ecke die Möglichkeiten des Gesetzes nutzen werden, nur um es ad absurdum zu führen“, sagte Beck.

Aus Sicht der Betroffenenverbände geht der Entwurf nicht weit genug. Sie stören sich zum Beispiel an einer Regelung zum so genannten Offenbarungsverbot. Künftig soll es mit einem Bußgeld bestraft werden können, etwa eine transgeschlechtliche Person gegen deren Willen zu outen, wenn dies sie schädigt. Von dieser Regel sollen aber zum Beispiel frühere Ehepartner oder das andere Elternteil eines gemeinsamen Kindes ausgenommen werden.

Beck ist gegen Strafzettel für ungewollte Outings

Betroffenenverbände wehren sich gegen diese Ausnahme, ebenso wie der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), der gleichzeitig parlamentarischer Staatssekretär im Familienministerium ist. Lehmann plädiert dafür, dass zum Beispiel auch ein früherer Ehemann mit einem solchen Bußgeld belangt werden könnte.

Auch hier spricht sich Beck für eine Strategie des langsamen Wandels aus. „Bei den Ausnahmen vom Offenbarungsverbot etwa für Ehepartner rate ich dazu, in Ruhe einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Wenn ein früherer Ehepartner eine Transperson gegen deren Willen outet, ist es nicht das richtige Mittel, dass das Ordnungsamt mit einem Strafzettel anrückt.“

Ohnehin hält Beck die Debatte für überhöht. „Schon heute ist der Wechsel des Geschlechtseintrags möglich, künftig soll das ohne Schikane gehen. Das ist ein wichtiger Schritt, aber kein Paradigmenwechsel“, sagte er. Mit der Öffnung der Ehe sei die jetzige Debatte nicht zu vergleichen. „Was haben wir damals nicht alles gehört: Die Menschen würden keine Kinder mehr bekommen, Heteros nicht mehr heiraten. Von nichts davon ist heute noch die Rede.“

Beck regt an, in das Gesetz eine Evaluierungspflicht aufzunehmen. „Der Gesetzgeber sollte etwa in vier Jahren die Erfahrungen auswerten und dafür schon jetzt eine Evaluierungspflicht ins Gesetz aufnehmen. Dann ließe sich auf Basis realer Erfahrungen neu bewerten, was noch verbessert werden muss oder kann“, sagte er.

Volker Beck war von 1994 bis 2017 für die Grünen Mitglied des Bundestages und zeitweise Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Er wurde besonders bekannt für seinen langjährigen Einsatz für die Ehe für alle, die schließlich im Juni 2017, kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Parlament, beschlossen wurde. Seit 2022 ist er Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Die Opposition hat ohnehin Zweifel, ob die Pläne der Regierung der richtige Weg sind. Kritisch sieht das Gesetz beispielsweise Silvia Breher, stellvertretende CDU-Vorsitzende und familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag.

Der Entwurf schade mehr als dass er nütze, sagte Breher dem Tagesspiegel. „Die Regelungen zu Kindern und Jugendlichen sind zu Recht höchst umstritten, Frauenrechte und die Notwendigkeit von Schutzräumen werden ignoriert, wichtige Entscheidungen werden auf das Personal vor Ort abgewälzt. Gleichzeitig wird der Entwurf von vielen transsexuellen Menschen als nicht weitgehend genug empfunden.“ Sie fordert, dass der Entwurf noch einmal gründlich beraten wird.

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