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Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Die Linke

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Ungeklärte Machtfragen, Streit ohne Ende: Kriegt die Linke noch die Kurve?

Die Linke steht vor großen Herausforderungen. Hält sie zusammen oder zerbricht sie in mehrere Lager? Und welche Rolle spielt Sahra Wagenknecht? Drei Meinungen von Experten.

Zwei Tage war die Linke in Klausur, eine neue Fraktionsspitze fehlt ihr jedoch noch immer und die Gefahr einer Spaltung durch Sahra Wagenknecht birgt zusätzliches Spannungspotenzial. Kriegt die Partei noch die Kurve? Drei Expert:innen geben ihre Einschätzung. Alle Folgen der Kolumne „3 auf 1“ finden Sie hier.


Es braucht Geschlossenheit

In mehrfacher Hinsicht ist die Linke bereits aus der Kurve geflogen. Bei allen Bundes- und Landtagswahlen der letzten Jahre hat sie zumeist herbe Niederlagen eingefahren. Für die Landtagswahlen im Oktober in Hessen und Bayern sieht es ähnlich düster aus.

Bei den Flügeln der Partei prallen die Gemäßigten unversöhnlich auf die Anhänger Sahra Wagenknechts, die von einer Art Sowjetsozialismus träumen. Und schließlich gibt es einen heftigen Personalverschleiß, der in diesen Tagen seinen Höhepunkt erreicht: Es ist niemand bereit, den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu übernehmen. Schlimmer geht es kaum.

Vermutlich hätte eine von Wagenknecht neu gegründete Partei mehr Erfolg als die bisherige Linkspartei, aber zum neuen linken Erfolgsmodell würde sie nicht avancieren.

So bleibt nur die historische Einsicht: Die Linke in Deutschland jenseits der Sozialdemokratie war immer schon eine parteipolitische Randerscheinung und in Flügelkämpfen verfangen. Jetzt wäre also programmatische und innerparteiliche Geschlossenheit gefragt.


Die Implosion der Linken ist nur eine Frage der Zeit

Die Linke ist nicht mehr fahrtüchtig. Ihre Implosion ist nur noch eine Frage der Zeit. Und die Krise ist hausgemacht.

Die erste Ursache ist die Struktur der Partei: Sie ist nicht basisdemokratisch. Kandidaten werden von oben vorgeschlagen, Personalien in Hinterzimmern ausgekungelt. Die Linke besteht außerdem aus fragmentierten, dogmatisch agierenden Gruppen, die sich gegenseitig aufs schärfste bekämpfen. So kann sich eine Partei nicht von innen erneuern.

Auch inhaltlich hat sich Die Linke entkernt. Klassische linke Themen wie globale Gerechtigkeit, Migration, Arbeitnehmerrechte für alle, das Streben nach einer pluralistischen Gesellschaft und die sozial-ökologische Frage tauchen kaum noch in den Debatten auf.

Drittens fehlt ein starkes Team an der Spitze, das die Partei konzeptionell neu aufstellt und bei relevanten Themen inhaltliche Impulse setzt. Eine moderne Linke müsste politisch ihrer Zeit voraus sein und Visionen für eine alternative Politik formulieren. Das geschieht aber nicht.

Die deutsche Parteienlandschaft braucht eine moderne und undogmatische Linke, die den politischen Diskurs nach links verschiebt. Denn sonst werden die demokratischen Parteien darum wetteifern, wer die Themen, die die AfD vorgibt, am besten bedient.


Es braucht eine klare Neuaufstellung

„Die Linke am Limit“ schrieb ich Anfang 2022. Geändert hat sich nichts. Weiterhin dominieren Personaldebatten und erbitterte Lagerkämpfe die Partei. Dabei liegen linke Themen nahezu auf der Straße: bezahlbarer Klimaschutz und Wohnraum, soziale Gerechtigkeit, Vermögensverteilung.

Die Linke hätte zudem mit Blick auf die Bundesregierung Potenzial. Dort müssen SPD und Grüne viele Kompromisse eingehen. Erst jüngst erteilte FDP-Finanzminister Lindner weiteren sozialpolitischen Reformen eine Absage.

Will Die Linke den herben Wahlverlusten der letzten Jahre in Zukunft entgehen, bräuchte es eine klare Neuaufstellung. Dass die Partei in den letzten Jahren etwa in Berlin und in Krisenzeiten geräuscharm mitregiert hat, nutzt sie bislang nicht für sich – auch, weil sich die Bundespolitiker der Partei kaum engagieren.

Eine Parteigründung durch Sahra Wagenknecht wäre hart und eine große Herausforderung, aber womöglich zugleich heilsam, indem sie den notwendigen Raum für einen Neustart böte.

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