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Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD für Europa.

© dpa/Daniel Löb

Umstrittener Spitzenkandidat Krah: Das Brüsseler AfD-Bündnis wackelt

Die AfD dürfte bei den Europawahlen zulegen. Gleichzeitig wird die Luft für die Partei im EU-Parlament dünner. Denn auch im rechten Lager wird ihr radikaler und Moskau-freundlicher Kurs abgelehnt.

Bei der Europawahl im Juni zeichnet sich ein Rechtsruck ab. Einer Umfrage der Plattform „Europe elects“ zufolge kann die AfD bei der Abstimmung am 9. Juni mit einem Stimmenanteil von 15,1 Prozent rechnen – vier Prozentpunkte mehr als bei der Europawahl vor fünf Jahren.

Dennoch könnte die AfD nach der Europawahl bei der Suche nach Bündnispartnern in Brüssel und Straßburg, wo die monatlichen Plenarsitzungen des Parlaments stattfinden, Probleme bekommen.

Das liegt nicht zuletzt am Spitzenkandidaten der Partei: Maximilian Krah aus Dresden, der zum völkisch-nationalistischen Flügel der AfD zählt.

In Brüssel gehört die AfD gemeinsam mit dem französischen „Rassemblement National“ (RN) und der italienischen Lega zur Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID). Vor allem französische RN-Abgeordnete haben mit Krah ein Problem, seit er im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2022 ausgerechnet die Rechtsextreme Marion Maréchal lobte. Deshalb wurde Krah, der seit 2019 im EU-Parlament sitzt, auch vorübergehend von der Fraktionsführung der ID suspendiert.

Marion Maréchal ist die Nichte der französischen RN-Führungsfrau Marine Le Pen, die im Jahr 2027 die Nachfolge des derzeitigen französischen Staatschefs Emmanuel Macron antreten will. Aber trotz der Familienbande der beiden Frauen besteht zwischen ihnen eine politische Erzfeindschaft. Während Maréchal in der Vergangenheit zunehmend nach rechtsaußen abgedriftet ist, gibt sich ihre Tante Marine Le Pen mehr und mehr als gemäßigte Politikerin.

Bei deren Projekt zur Machtübernahme im Pariser Élysée-Palast, dem Amtssitz des Präsidenten, wirkt die Nähe zur deutschen AfD im EU-Parlament spätestens als Hindernis, seit das Medienunternehmen „Correctiv“ über das Potsdamer Treffen vom vergangenen November berichtet hat. Bei dem Treffen waren auch AfD-Politiker bei einer Erörterung einer Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland dabei.

Diese Strategie hat ihr zu einem Stimmenanteil von 42 Prozent verholfen.

Nicolas Lebourg, französischer Historiker, über den Kurs der Mäßigung von Marine Le Pen

Der Historiker und Extremismus-Experte Nicolas Lebourg von der Universität Montpellier erinnerte daran, dass der bei dem Potsdamer Treffen verwendete Begriff der „Remigration“ in Frankreich schon in den 1990er Jahren von Bruno Mégret verwendet wurde, einer damaligen Führungsfigur des RN-Vorläufers „Front National“.

Auch wenn das Konzept bis heute von etlichen Parteimitgliedern des „Rassemblement National“ unterstützt werde, distanziere sich Marine Le Pen bewusst davon, um ihre Präsidentschafts-Ambitionen nicht zu gefährden, sagte Lebourg dem Tagesspiegel. „Diese Strategie hat ihr zu einem Stimmenanteil von 42 Prozent verholfen“, fügte er hinzu.

Aus diesem Grund stellte Le Pen bereits im Januar die Brüsseler Fraktionsgemeinschaft mit der AfD infrage. Auch ein persönlich an Marine Le Pen gerichtetes Erklärungsschreiben, das die AfD-Vorsitzende Alice Weidel im vergangenen Monat verfasste, erzielte nicht die von der Deutschen erhoffte Wirkung. „Da bleiben viele Fragen ungeklärt“, sagte Le Pen vergangene Woche in Paris.

Wie lange das Brüsseler Zweckbündnis zwischen dem „Rassemblement National“ und der AfD noch hält, wird sich wohl erst endgültig nach der Europawahl zeigen. Derzeit ist die ID die zweitkleinste Fraktion im Europaparlament. Doch das könnte sich ändern, weil Umfragen auf Zuwächse bei den beiden Parteien aus Deutschland und Frankreich hindeuten. Dagegen muss sich die „Lega“ aus Italien wohl auf Einbußen gefasst machen.

Auf Zugewinne bei der Europawahl richtet sich wiederum die postfaschistische italienische Regierungspartei „Brüder Italiens“ ein, die von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni geführt wird. Ähnlich wie es in Frankreich Marine Le Pen praktiziert, ist auch Meloni in ihrem Heimatland auf einen Kurs Richtung Mitte eingeschwenkt.

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni.
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni.

© Reuters/Guglielmo Mangiapane

Prognosen zufolge könnten die „Brüder Italiens“ künftig 27 Europabgeordnete stellen. Gegenwärtig sind es neun. Die Abgeordneten der „Brüder Italiens“ sind im EU-Parlament in der rechtskonservativen Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) organisiert, die nicht ganz so weit rechts steht wie die AfD und ihre „Identität und Demokratie“.

Im Fall von Melonis „Brüdern Italiens“ zeigt sich in Brüssel die zweite Bruchlinie, die sich vor den gegenwärtig neun AfD-Abgeordneten auftut. Es geht hier um das Verhältnis zu Moskau und Kremlchef Wladimir Putin.

Die Vertreterinnen und Vertreter der AfD haben sich auch im Angesicht der russischen Aggression ein ums andere Mal für ein enges Verhältnis zu Moskau eingesetzt. So gehörte auch AfD-Chef Tino Chrupalla zu denen, die im Mai des vergangenen Jahres an einem Empfang der russischen Botschaft in Berlin zum Jahrestag des Sieges über Nazideutschland teilnahmen.

Dass Meloni als Gefolgsfrau Putins auftritt, lässt sich hingegen nicht behaupten. Sie stellte sich nach ihrer Amtsübernahme im Jahr 2022 an die Seite des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Dies ist unser Zuhause und wir werden es verteidigen“, sagte Meloni jüngst bei einem Besuch in Kiew zum zweiten Jahrestag des Kriegsbeginns.

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