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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Cum-ex-Affäre ist eine Belastung für ihn.

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Exklusiv

Streit um Cum-ex-Untersuchungsausschuss: Kanzleramt gibt Union teilweise recht

Die Union will in Karlsruhe die parlamentarische Aufklärung der Warburg-Affäre um Olaf Scholz einklagen. Ein Regierungsgutachten zeigt: Ganz daneben liegt sie nicht.

In der Steueraffäre um die Hamburger Warburg-Bank hat das Bundeskanzleramt erstmals Einzelheiten zu einem bisher unter Verschluss gehaltenen Gutachten zur Zulässigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses mitgeteilt.

Demnach kommt eine im April 2023 erstellte „verfassungsrechtliche Einschätzung“ des Kanzleramts offenbar zu dem Ergebnis, dass einzelne der 19 Fragen zu dem Sachverhalt, wie die Union sie formuliert hatte, ein tauglicher Gegenstand für eine parlamentarische Aufklärung sein können.

Nach einer presserechtlichen Auskunftsklage des Tagesspiegels vor dem Verwaltungsgericht Berlin (Az.: VG 27 L 337/23) hat das Kanzleramt jetzt auf Fragen zu den Ergebnissen des Gutachtens mitgeteilt, dass es „sowohl Einschätzungen zur Zulässigkeit als auch zur Unzulässigkeit einzelner Fragen trifft“.

Einzelheiten lassen sich nicht rekonstruieren.

Bundeskanzleramt zur möglichen Weitergabe des internen Gutachtens

Ein Gerichtsbeschluss ist in der Sache noch nicht ergangen, verschiedene weitere Anfragen des Tagesspiegels sind nach wie vor unbeantwortet.

In der Warburg-Affäre geht es um eine mögliche Einflussnahme von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem früheren Amt als Hamburger Bürgermeister bei einem Verzicht der Finanzbehörden auf eine Steuerrückforderung wegen krimineller Aktiengeschäfte. Scholz bestreitet dies und betont, es gebe dafür keine Belege.

Die Union verweist jedoch auf aus ihrer Sicht auffällige Erinnerungslücken des Kanzlers zu Treffen mit dem Warburg-Banker Christian Olearius, der sich derzeit wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Bonn verantworten muss.

Daher fordert die Union einen Untersuchungsausschuss im Bundestag, um die Vorgänge aufzuklären. Nachdem die Ampel-Fraktionen einen entsprechenden Antrag wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt haben, ist sie vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.

Wie erst kürzlich bekannt wurde, hatte das Bundeskanzleramt bereits unmittelbar nach dem Unionsantrag im Parlament eine eigene zwölfseitige „verfassungsrechtliche Einschätzung“ zu dem Thema angefertigt.

Wer bekam die Expertise zu lesen? Der SPD-Fraktionsjustiziar schweigt.

Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer kritisierte die Maßnahme als „übergriffig“, da das Kanzleramt damit seine Kompetenz überschreite. Es zeige, dass bei Scholz in der Warburg-Affäre „die Nerven blank liegen“. Zu den offenen Fragen gehört, wie die Expertise verwendet wurde und ob Kanzler Scholz sie persönlich zu Gesicht bekam.

Das Bundeskanzleramt teilt bisher nur mit, das zuständige Fachreferat sei bei der Erstellung „von sich aus“ tätig geworden und habe das Dokument Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) dann „zur internen Information der Hausleitung“ vorgelegt. Weder Scholz noch Schmidt hätten das Gutachten demnach veranlasst.

Wie Schmidt es weiterverwendet hat, ist unbekannt. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Scholz-Vertraute es ganz oder in Auszügen an Mitglieder der SPD-Fraktion oder auch an ausgewählte Journalisten verteilte, um gegen das Unionsvorhaben Stimmung zu machen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer und Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, weicht der Frage aus, ob ihm das Gutachten übermittelt wurde – Druck habe es jedenfalls keinen gegeben, betont er.

19
Einzelfragen zur Aufklärung der Cum-ex-Affäre in einem Untersuchungsausschuss hat die Union in ihrem Einsetzungsantrag gestellt.

Das Kanzleramt nimmt dazu ebenfalls nicht näher Stellung, sondern erklärt lediglich, solcherlei Einzelheiten ließen sich „nicht rekonstruieren“. Ob dies zur Erfüllung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs genügt, muss nun das Verwaltungsgericht entscheiden.

Schmidt ist bekannt dafür, parallel zu seinem öffentlichen Amt für den Kanzler aktiv zu werden – nicht nur, aber gerade auch gegenüber Medien. Sollte das Gutachten außerhalb des Bundeskanzleramts weiterverbreitet worden sein, um den Untersuchungsausschuss zu verhindern, wäre dies dem Unionspolitiker Hauer zufolge „ein weiterer Tiefpunkt im Umgang des Bundeskanzlers mit der Aufarbeitung der Steueraffäre“.

Ob es doch noch in der laufenden Legislaturperiode zu einem Untersuchungsausschuss kommt, ist ungewiss. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet selbst, in welcher zeitlichen Abfolge es über derartige Streitigkeiten von Verfassungsorganen urteilt.

Die Ampel-Fraktionen haben ihre Ablehnung damit begründet, dass die Union mit dem Untersuchungsantrag in eine Länder-Angelegenheit eingreife. Die Union meint dagegen, es gehe bei dem Thema nicht zuletzt um das notwendige Vertrauen in den amtierenden Kanzler.

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