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Ein Ausstellungsstück eines Taurus KEPD 350 Marschflugkörpers ist im Showroom des Rüstungsunternehmens MBDA ausgestellt.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Bauernproteste, Taurus-Debatte, Europawahl: So will Moskau den Diskurs in Deutschland manipulieren

Nach Einschätzung des Europäischen Auswärtigen Diensts wird das Thema der Waffenlieferungen an die Ukraine von russischer Seite taktisch zur Informationsmanipulation genutzt. Auch für die Europawahl besteht ein Risiko.

In der EU-Kommission herrscht die Sorge, dass die bevorstehenden Europawahlen zum Ziel von Desinformations-Kampagnen werden könnten. „Es gibt ein Risiko, und dieses Risiko müssen wir angehen“, sagte Lutz Güllner vom Europäischen Auswärtigen Dienst am Dienstag in Berlin. Es gebe eine „Verletzbarkeit“ mit Blick auf die Europawahlen, die vom 6. bis 9. Juni in den 27 EU-Staaten stattfinden, fügte er hinzu. Der Wahltermin in Deutschland ist der 9. Juni.

Güllner leitet im Auswärtigen Dienst der EU (EAD) die Abteilung für Strategische Kommunikation, die Desinformationskampagnen aus dem Ausland aufdeckt. Der EAD unterstützt den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. In Güllners Team sind 42 Mitarbeiter tätig, das Jahresbudget beträgt elf Millionen Euro.

Nach der Einschätzung von Güllner gebe es inzwischen eine „qualitative Weiterentwicklung der Informationsmanipulation“. Als Beispiel nannte er geklonte Websites von Nachrichtenportalen, die prorussische Fake-News verbreiten. Dies sei das Herzstück einer Kampagne, die aus Russland gesteuert werde.

Durch Veränderungen an der http-Adresse von Websites ließen sich die Seiten von Nachrichtenportalen klonen und anschließend die Inhalte verändern. Dank der scheinbaren Glaubwürdigkeit der Quelle würden Fake-News dann in hoher Reichweite verbreitet, warnte Güllner.

Destabilisieren und Unruhe stiften

Als jüngstes Beispiel für ein Thema, das für die Verbreitung von Desinformation instrumentalisiert werde, nannte er die Bauernproteste. Hier seien Bruchlinien in der Gesellschaft von externen Akteuren bewusst verstärkt worden. Güllner nannte zudem den taktischen Einsatz von Desinformation und Informationsmanipulation bei bestimmten Themen wie den Waffenlieferungen an die Ukraine. Zuletzt hatte die russische Propaganda-Plattform RT eine brisante Tonaufnahme eines abgehörten Online-Gesprächs von Bundeswehroffizieren über einen möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern veröffentlicht. 

Gleichzeitig sprach Güllner von einem langfristig-strategischen Einsatz von Informationsmanipulation und Desinformation. Hier gehe es darum, zu destabilisieren, Unruhe zu stiften und Vertrauen erodieren zu lassen. So hätten russische Staatsmedien während der Corona-Zeit in ihren Berichten über die Pandemie den Subtext verbreitet, „dass liberale Demokratien gar nicht in der Lage sind, mit dem Thema umzugehen“.

Hinter Desinformation und Informationsmanipulation stünden im Fall Russlands nicht immer zwangsläufig staatliche Akteure, schilderte Güllner weiter. Vielmehr handele es sich um ein vielschichtiges System mit fließenden Übergängen, das vom Kremlchef Wladimir Putin über die staatlich kontrollierten Medien bis in eine Grauzone reiche, zu der beispielsweise die „Newsfront“-Internetseite gehöre. Über diesen Kanal werde Kreml-Propaganda unter anderem auf der von Russland besetzten Krim in mehreren Sprachen verbreitet.

Bei der Europawahl wird mit Zugewinnen von Parteien am rechten Rand gerechnet. Laut einer Projektion der Plattform „Europe elects“ kann die Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), zu der auch die AfD gehört, nach gegenwärtigem Stand im Europaparlament mit 92 Mandaten von demnächst insgesamt 720 Sitzen rechnen. Gegenwärtig verfügt die ID-Fraktion über 59 von insgesamt 705 Abgeordneten.

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