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14.09.2023, Thüringen, Erfurt: Mario Voigt (CDU), Fraktionschef, spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtag. Die Abgeordneten wollen an diesem Tag in erster Lesung den Haushalt für 2024 beraten. Außerdem will die Opposition eine Steuersenkung gegen die rot-rot-grüne Minderheitskoalition durchsetzen. Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Martin Schutt

Update

Reaktionen auf Votum von CDU und AfD in Thüringen: „Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politik-taktischen Spielen“

Der Chef der Thüringen-CDU verteidigt das gemeinsame Votum mit der AfD. FDP-Chef Lindner sieht darin „kein gutes Signal“, die SPD kritisiert eine „irrlichternde“ CDU. Die AfD bejubelt die Abstimmung.

| Update:

Nach der mit Hilfe der AfD beschlossenen Steuersenkung in Thüringen steht die CDU im Feuer der Kritik, verteidigt aber ihre Entscheidung. SPD, Grüne und Linke sind empört.

Der FDP-Vorsitzende Christian Linder, dessen Partei im Landtag mit CDU und rechtsextremer AfD gestimmt hatte, wies den Christdemokraten die alleinige Verantwortung zu. Nur die CSU steht zu ihrer Schwesterpartei.

Der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt verteidigte die Durchsetzung einer Steuersenkung im Land mit Stimmen der AfD als eine Maßnahme, um unzufriedene Wähler wieder von der rechtsextremen Partei zurückzugewinnen.

Der Kompass der CDU ist klar: Wir arbeiten nicht zusammen mit der AfD.

Thüringens CDU-Vorsitzender Mario Voigt

„Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politik-taktischen Spielen. Sondern was sie wollen, ist: Dass man sich tatsächlich um ihre Sorgen kümmert“, sagte der Landtagsfraktionschef am Donnerstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ mit Blick auf Forderungen, generell keine Politik mit Unterstützung der AfD zu machen. „Wir müssen mit Inhalten die Menschen überzeugen, dann gewinnen wir sie auch von den Rändern zurück.“

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Zugleich bekräftigte Voigt: „Der Kompass der CDU ist klar: Wir arbeiten nicht zusammen mit der AfD.“ Seine Partei mache eine konstruktive Oppositionsarbeit, sagte er offensichtlich darauf bezogen, dass die CDU auch Vorhaben der Minderheitsregierung unterstützt hat.

Den Kritikern warf er eine Doppelmoral vor: „Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat mehrere Beschlüsse in diesem Parlament nur mit den Stimmen der AfD hinbekommen und hat dadurch die Mehrheit erhalten. Und das zeigt, dass diese Doppelstandards nicht funktionieren.“

SPD spricht von Tabubruch

Bundesinnenministerin Nancy Faeser warf der CDU einen „irrlichternden Umgang mit der AfD“ vor. „Die CDU reißt die Brandmauer nach rechts außen immer weiter ein“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Der gemeinsame Beschluss mit der von Thüringer AfD unter Björn Höcke im Landtag sei „ein gefährlicher Beitrag zur Normalisierung von Rechtsextremen“. Faeser warf die Frage auf, ob man sich in diesem für die Demokratie so wichtigen Punkt noch auf die CDU und ihren Vorsitzenden Friedrich Merz verlassen könne.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil schloss sich der Kritik an. „(CDU-Chef) Friedrich Merz hat immer wieder gesagt, es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Heute hat man sich gemeinsam auf den Weg gemacht“, sagte er in der ARD.

SPD-Chef Klingbeil beim Politischen Frühschoppen Gillamoos Anfang September.

© dpa/Daniel Löb

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht ein Tabu gebrochen: „Wenn das in der CDU Schule macht, dann wird der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein. Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen.“

Die oppositionelle CDU hat im Landtag eine Senkung der Grunderwerbsteuer durchsetzen können, weil die rechtsextreme AfD, die FDP und fraktionslose Abgeordnete zustimmten.

Linkspartei-Chefin Janine Wissler warf der CDU vor, die AfD „salonfähig“ zu machen. „Der deutsche Konservatismus war schon mal Steigbügelhalter des Faschismus. Auch damals begann es in Thüringen“, sagte sie am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Statt daraus gelernt zu haben, geht die CDU einen brandgefährlichen Weg“, fügte sie hinzu.

Sie bezog sich damit auf Ereignisse vor 93 Jahren, wie ein Parteisprecher auf Nachfrage bestätigte. Am 23. Januar 1930 wurde der spätere Reichsinnenminister Wilhelm Frick als erstes NSDAP-Mitglied Minister in einer deutschen Landesregierung - der von Thüringen. Der Koalition gehörten damals außerdem die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), die Deutsche Volkspartei (DVP), die Wirtschaftspartei und der Thüringer Landbund an.

Wer Faschisten normalisiert, mit ihnen zusammenarbeitet, ihre Forderungen übernimmt, ebnet ihnen den Weg zur Macht“, sagte Wissler.

FDP streitet über eigenen Kompass

FDP-Chef Christian Lindner hat die gemeinsame Abstimmung der CDU, seiner Partei und der AfD kritisiert, allerdings der Union die Schuld zugewiesen. Dass der Antrag mit den Stimmen der AfD beschlossen worden ist, sei „kein gutes Signal“, sagte Lindner auf einer Live-Interviewveranstaltung der „Augsburger Allgemeinen“ am Donnerstagabend in Augsburg.

Christian Lindner spricht mit Friedrich Merz und Alexander Dobrindt.

© dpa/Michael Kappeler

Dem guten Anliegen, die Grunderwerbsteuer zu senken, damit Menschen leichter Eigentum leichter erwerben können, sei damit kein Gefallen getan worden, so der Bundesfinanzminister weiter.

Kritik am Abstimmungsverhalten der FDP wollte er nicht geltend lassen und machte stattdessen die Union verantwortlich:. „Jetzt wollen wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Es war ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion“, sagte Lindner: „Deshalb ist das jetzt die Verantwortung der CDU.“

Es gebe „keinerlei Unterstützung der Bundespartei“, sagte die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die die FDP im kommenden Jahr in den Europawahlkampf führen soll, dem „Spiegel“. Strack-Zimmermann erinnerte dabei an die umstrittene Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, der 2020 in Thüringen mit Unterstützung von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. Er trat kurz darauf auch auf Druck der Bundes-FDP wieder zurück. Seither gilt das Verhältnis zwischen der FDP im Bund und in Thüringen als schwierig.

Die Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale, Franziska Brandmann, richtet zwar auch den Hauptvorwurf an die CDU. „Es verbietet sich für aufrechte Demokraten, politische Initiativen zu starten, deren Gelingen von der Unterstützung durch Rechtsextreme abhängig ist“, sagte sie der ARD.

Brandmann betonte zugleich: „Bürgerliche Politik muss ohne die AfD gemacht werden. Punkt. Diesen Grundsatz zu vertreten und zu verteidigen, liegt in besonderem Maße in der Verantwortung von Union und der FDP als bürgerlichen Parteien - in Thüringen, wo das heute nicht funktioniert hat und über Thüringen hinaus.“

Mit der völkisch-rassistischen AfD gibt es keine Zusammenarbeit.

Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP

Deutlichere Worte fand Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP. Er sagte dem Tagesspiegel: „Mit der völkisch-rassistischen AfD gibt es keine Zusammenarbeit. Ihr eigenes Verhalten sollten sich Demokraten nicht von der AfD diktieren lassen - sonst würde ausgerechnet diese Partei die politische Agenda bestimmen.“

Weidel frohlockt

Die AfD reibt sich nach der Abstimmung die Hände. „Merz’ Brandmauer ist Geschichte - und Thüringen erst der Anfang“, schrieb Partei- und Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel auf der Plattform X, vormals Twitter. Die AfD ist in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft. Die Regierungskoalition hat keine eigene Mehrheit.

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, spricht Anfang September beim Politischen Frühschoppen Gillamoos.

© dpa/Pia Bayer

CDU-Bundeschef Merz hatte bereits vorher gesagt, die CDU bringe in mehreren Landtagen eine Senkung der Grunderwerbssteuer ein und mache sich dabei nicht von anderen Fraktionen abhängig.

CSU-Chef Söder findet das richtig: „Da hat er Recht“, sagte der bayerische Ministerpräsident bei RTL. „Im Übrigen läge es an den anderen demokratischen Parteien, diese gute Idee einer Steuersenkung zu unterstützen, denn Entlastung für Bürger ist ja nichts Extremes, sondern sinnvoll.“

Die Aufregung von links zu Thüringen ist ziemlich scheinheilig.

Brandenburgs CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien sagte im Deutschlandfunk, es sei „fast schon infam“, der CDU zu unterstellen, eine Nähe zur AfD zeigen oder gar deren Normalisierung zu betreiben. Es wäre Aufgabe der Landesregierung gewesen, mit der CDU in konstruktive Gespräche zu gehen. „Die CDU muss ihr Ding machen“, sagte Prien.

„Die Aufregung von links zu Thüringen ist ziemlich scheinheilig“, schrieb Brandenburgs CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann am Donnerstag auf der Plattform X (früher Twitter). Schließlich habe die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen die Kommunalordnung auch nur mit AfD-Stimmen ändern können, meinte er. „Die Senkung der Grunderwerbsteuer ist CDU pur, daran ändert sich nichts durch Zustimmung anderer.“

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte das Vorgehen seiner Partei in Thüringen ebenfalls. „Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht Maßstab sein“, sagte Linnemann am Freitag der „Rheinischen Post“. „Die CDU konzentriert sich auf Sacharbeit. Uns geht es um die richtigen Weichenstellungen für unser Land und nicht um taktisches Geplänkel“, fügte er hinzu. Deswegen sei es richtig gewesen, einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer in den Thüringer Landtag einzubringen. Damit würden gerade junge Familien entlastet und die Wirtschaft angekurbelt.

Parteikollege Daniel Günther sieht die Sache anders. Er mahnt eine konsequente Haltung seiner Partei gegenüber der AfD an. „Die Haltung der CDU Schleswig-Holstein ist klar: Ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist ausgeschlossen“, sagte Günther am Freitag. „Das gilt auch für eigene Initiativen, die absehbar nur mit Hilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg haben“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident.

Bodo Ramelow, einziger Regierungschef der Linkspartei in einem Bundesland, sprach von einem „Pakt mit dem Teufel“. Der Linke hat mit seiner rot-rot-grünen Koalition im Landtag keine Mehrheit und ist grundsätzlich auf Hilfe aus der Opposition angewiesen.

Die Grunderwerbsteuer wird beim Immobilienkauf fällig. Sie ist in Thüringen mit am höchsten und sinkt nun von 6,5 auf 5 Prozent. (dpa)

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