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Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP)

© Imago/Political-Moments

Update

Reaktionen auf Graichen-Aus: „Ich würde mir wünschen, dass dies ein Befreiungsschlag für Habeck ist“

Die Koalitionspartner SPD und FDP begrüßen die Entlassung des Grünen-Staatssekretärs Graichen. Kanzler Scholz äußert sich diplomatisch, die Union fordert restlose Aufklärung.

| Update:

SPD und FDP haben die Entlassung vom Wirtschafts- und Klima-Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) begrüßt.

„Wir haben Robert Habecks Personalentscheidung mit Respekt zur Kenntnis genommen“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem Tagesspiegel. Er sagte weiter: „Mit dem Schlussstrich des Ministers unter eine wochenlange Debatte über sein Haus verbinden wir die Erwartung, dass nun wieder Sachpolitik in den Mittelpunkt rückt.“

Die Hoffnung der Opposition, die Debatte über die Klima- und Energiepolitik nicht inhaltlich, sondern rein personalpolitisch führen zu können, habe sich „nun zerschlagen“, sagte Kühnert: „Es wird Zeit, dass wir wieder um die richtigen Wege ringen, gerechten Klimaschutz zu organisieren.“

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Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) begrüßte den Rückzug Graichens ebenfalls und stellte zudem den Zeitplan für die Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes in Zweifel. „Ich respektiere die Entscheidung zum Rückzug von Patrick Graichen und würde mir wünschen, dass dies ein Befreiungsschlag für Robert Habeck ist, damit sein Ressort wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt“, sagte Kubicki dem Tagesspiegel.

Kubicki fügte hinzu: „Allerdings glaube ich, dass die Turbulenzen der vergangenen Wochen im Ministerium auch Auswirkungen haben könnten auf den Zeitplan des Gebäudeenergiegesetzes.“

Das Wirtschaftsministerium muss die dahinterstehenden Vorgänge weiter aufklären.

Wolfgang Kubicki (FDP), Bundestagsvizepräsident

Wenn die Erklärung stimmen sollte, dass Patrick Graichens Expertise für die Energiewende „unersetzlich“ sei, „dann dürfen wir bedauerlicherweise daran zweifeln, dass das Parlament eine zügige Entscheidungsfindung vornehmen kann“, sagte Kubicki. Der FDP-Politiker forderte eine weitere Aufklärung der Causa Graichen: Der Rückzug des Staatssekretärs entbinde das Ministerium „gleichwohl nicht von der Pflicht, die dahinterstehenden Vorgänge weiter aufzuklären“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte zurückhaltend. Er sei darüber informiert worden und habe das zur Kenntnis genommen, sagte Scholz am Mittwoch am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in der isländischen Hauptstadt Reykjavik auf Nachfrage. „Mit Herrn Graichen selbst habe ich gut zusammengearbeitet und ich gehe davon aus, dass der Wirtschaftsminister jetzt seine Arbeit mit voller Kraft fortsetzt.“ Auf weitere Nachfrage, ob der Schritt zu spät gekommen sei, ging der Kanzler nicht ein. 

CDU mahnt Konsequenzen im Wirtschaftsministerium an

CDU-Generalsekretär Mario Czaja bezeichnete das Ausscheiden Graichens als richtig und überfällig. Endlich ziehe Habeck Konsequenzen, sagte Czaja am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Denn die Vorwürfe gegen seinen engsten Vertrauten wiegen schwer. Sie werfen weitere Fragen nach den Abläufen im Wirtschaftsministerium auf.“ Es brauche nun vollständige Transparenz. Seilschaften und Vetternwirtschaft müssten restlos aufgeklärt werden.

Czaja mahnte mit Blick auf den geplanten Umstieg auf Heizungen mit erneuerbaren Energien, Habeck müsse seine Politik jetzt in die richtigen Bahnen lenken. „Für einen nachhaltigen Klimaschutz ohne soziale Kälte. Und vor allem mit den Menschen und nicht gegen sie. Nur so kann Klimaschutz gelingen.“

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU) sieht hinter der Entlassung Graichens tiefergehender Defizite im Wirtschaftsministerium. „Das ist ein systematisches Problem aufgrund der engen Verflechtungen von Grünen Regierungsmitgliedern, Klimaaktivisten, Lobbyverbänden und Instituten. Diese Vorgänge müssen nun weiter aufgearbeitet werden, damit nicht das komplette Vertrauen in politische Vorgänge und Entscheidungen schwindet“, sagte sie dem „Spiegel“.

„Dass Herr Graichen nicht zu halten ist, war spätestens nach der Sondersitzung vergangenen Mittwoch offensichtlich“, sagte Klöckner. „Der Minister hat nun selbst zugegeben, dass die Compliance-Brandmauer in seinem Ministerium Risse hat und weitere Verstöße offengelegt.“ Als Ministeriumsspitze trage Habeck die Organisationsverantwortung für sein Haus. „Fehler werden gemacht, aber derartige vorsätzliche Verstöße gegen Regeln sind kein Lapsus.“

CSU sieht auch nach Graichen-Aus noch viele offene Fragen

Die CSU im Bundestag sieht weiteren Klärungsbedarf. „Der Rauswurf Graichens ist mehr als überfällig“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

„Der Filz-Skandal im Umfeld von Robert Habeck ist damit allerdings noch lange nicht aufgearbeitet“, ergänzte er mit Blick auf den Grünen-Minister. „Die immer neuen Erkenntnisse über Familienbande und Kumpanei unter Minister Habeck machen die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses immer wahrscheinlicher.“

CSU-Generalsekretär Martin Huber sieht auch nach dem Abgang Graichens viele offene Fragen. „Das Aus für Patrick Graichen war unausweichlich und kommt viel zu spät. Mit dem Festhalten an seinem Filz-Staatssekretär hat Robert Habeck dem Ansehen seines Ministeriums und der gesamten Bundesregierung schweren Schaden zugefügt“, sagte Huber am Mittwoch in München.

Huber sprach von einem grünen „Selbstbedienungsladen“. „Dieser grüne Sumpf ist damit noch längst nicht aufgearbeitet.“ Es müsse geklärt werden, welche Stellen vom „Graichen-Clan“ besetzt und welche Aufträge an wen vergeben worden seien.

Die AfD verlangt nach dem Graichen-Abgang weitere Konsequenzen. Parteichef Tino Chrupalla schrieb am Mittwoch auf Twitter, es reiche nicht aus, dass Habeck seinen Staatssekretär opfere. Er forderte einen Untersuchungsausschuss.

Parteivorsitzende Alice Weidel schrieb: „Zwar mag Graichen zurückgetreten sein, die Ursache für die Versumpfung des Wirtschaftsministeriums hat einen anderen Namen: Habeck. Vor allem er sollte umgehend die Konsequenzen ziehen!“ (mit dpa)

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