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Ein Großteil des Gasnetzes werde überflüssig, glaubt das Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck.

© dpa/Christian Charisius

Pläne von Wirtschaftsminister Habeck: Kunden könnten vom Gasnetz genommen werden

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen laut einem Papier des Wirtschaftsministeriums Gasnetze stillgelegt und abgebaut werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) treibt die Wärmewende weiter voran. Nach Einführung des lange umstrittenen Heizungsgesetzes und der Pflicht für Kommunen zur Erstellung einer Wärmeplanung will das Ministerium nun die Infrastruktur fürs Heizen umbauen.

Bislang wird rund jeder zweite Haushalt in Deutschland mit Gas versorgt. Doch um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss damit spätestens 2045 Schluss sein. In einem 23-seitigen Ideenpapier (ein sogenanntes „Green-Paper“) gehen Habecks Beamte davon aus, dass dafür ein Großteil des mehr als 500.000 Kilometer langen Gasnetzes abgebaut wird.

500.000
Kilometer lang ist das deutsche Gasnetz momentan.

„In welchem Umfang diese Gasverteilernetze nach dem Jahr 2045 noch benötigt werden, wird unter anderem davon abhängen, inwieweit sie zur Verteilung von Wasserstoff verwendet werden können und sollen“, heißt es in dem Papier. Technisch wäre dies möglich, doch die Autoren im Wirtschaftsministerium klingen skeptisch und sprechen von „aufwendigen Modifikationen“, damit der Wasserstoff fließen könnte. Man gehe daher von einem „starken“ Abbau des Gasnetzes aus.

Immer geht’s bei Grünen nur um Ausstieg, nie um den notwendigen Einstieg.

CDU-Politiker Jens Spahn fordert den Hochlauf von Wasserstoff.

Das habe vor allem ökonomische Gründe, argumentiert das Haus von Habeck: „Bei abnehmender Zahl der Gasverbraucher und/oder der Abnahmemenge von Erdgas sind die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung des Gasverteilernetzes von zunehmend immer weniger Kunden zu tragen. Ohne Gegensteuerung ergäben sich sehr stark steigende Netzentgelte für den Gasnetzbetrieb.“

Das Wirtschaftsministerium will daher nun Regeln erarbeiten, wie die Gasnetzbetreiber die Rohre stilllegen und abbauen können. Dazu soll auch ein Kündigungsrecht gehören, denn bislang ist das nur schwer möglich, und selbst ein Neuanschluss kann nicht so einfach verweigert werden. „Eine Verweigerung des Netzanschlusses ist derzeit nur möglich, wenn der Netzanschluss dem Netzbetreiber aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Das gilt sowohl für Neuanschlüsse also auch für Verdichtungen im Bestandsnetz“, heißt es in dem Papier. 

Mit dem Vorhaben des Wirtschaftsministeriums würde Deutschland eine Vorgabe der EU umsetzen. Wichtig scheint den Beamten, dass Bürgerinnen und Bürger früh genug informiert werden. „Falls Erdgasnetze stillgelegt werden, müssen die angebundenen Kunden einen hinreichenden Vorlauf haben, um ihre Energieversorgung umzustellen“, heißt es etwa in dem Papier.

Kritik an den Überlegungen kommt prompt aus der Opposition: „Die Ampel verunsichert einmal mehr viele Millionen Heizungsbesitzer“, sagt Jens Spahn, stellvertretender Faktionsvorsitzender der CDU im Bundestag. Er kritisiert die Ideen von Habeck grundsätzlich: „Immer geht’s bei Grünen nur um Ausstieg, nie um den notwendigen Einstieg“, sagte er dem Tagesspiegel.

Spahn forderte, die Ampel solle nicht den Rückbau des Gasnetzes planen, sondern den Wasserstoff-Hochlauf starten. „Um eine Wasserstoff-Wirtschaft zu werden, müssen wir die Infrastruktur erhalten und ausbauen.“

Branche zufrieden mit ersten Plänen

Doch in der Branche kommen die Überlegungen aus dem Hause Habeck gut an. „Es ist gut, dass die Bundesregierung das Thema endlich angeht, denn die Herausforderungen für die Gasnetze durch die Transformation sind enorm“, sagte etwa die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae.

Die frühere Grünen-Politikerin sieht einen vielfältigen Regelungsbedarf. „Ziel muss es sein, die Gasnetze volkswirtschaftlich möglichst effizient und somit sozialverträglich an das neue Energiesystem anpassen zu können“, sagte Andreae dem Tagesspiegel. Sie lobte, dass in dem Papier auch das Thema Biogaseinspeisung berücksichtigt worden sei.

Allerdings hat auch die BDEW-Geschäftsführerin eine Warnung, die angedachte gesetzliche Verpflichtung zum Weiterbetrieb des Netzes durch den Altkonzessionär betreffend: „Es darf nicht passieren, dass Unternehmen gegen ihren Willen zum Weiterbetrieb für sie unwirtschaftlicher Netze verpflichtet werden können“, sagte Andreae.

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