zum Hauptinhalt
Gaskraftwerke sollen Stück für Stück durch Erneuerbare ersetzt werden.

© imago/Jochen Tack

Ampel einigt sich auf Kraftwerksstrategie: Wird der Strom jetzt teurer?

Mit vielen Milliarden Euro will die Ampel die Stromversorgung auch in Zeiten garantieren, in denen Wind und Sonne wenig produzieren. Wie soll das klappen – und was ändert sich für Verbraucher?

Von

Für Robert Habeck (Grüne) ist es „ein guter Tag“. Immerhin musste der Wirtschaftsminister lange auf eine Einigung bei der Kraftwerksstrategie warten. Erst hatte es im vergangenen Sommer beihilferechtlichen Ärger mit der EU, dann – nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November – Probleme mit dem Geld gegeben. Ein „fehlendes Puzzlestück“ liege jetzt vor, freut sich Habeck am Montag.

Warum braucht es eine Kraftwerksstrategie?

Um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, muss der Energiesektor radikal umgebaut werden. Doch Wind- und Sonnenkraft allein werden dafür nicht reichen. In Zeiten, in denen mit den erneuerbaren Energien wenig Strom erzeugt wird – sogenannte Dunkelflauten – braucht es Alternativen.

Bislang stehen dafür klimaschädliche Kohle- und Gaskraftwerke zur Verfügung. Diese will die Bundesregierung schrittweise aus dem Markt drängen und dafür nun Kraftwerke bauen lassen, die erst mit Gas und perspektivisch auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Nach den Plänen der Ampel sollen die neuen Kraftwerke Kapazitäten von zehn Gigawatt haben. Zum Vergleich: In der Spitze verbraucht Deutschland aktuell 80 bis 90 Gigawatt.

Da die neuen Kraftwerke jedoch nur selten laufen und zwischen 2035 und 2040 auf Wasserstoff umgerüstet werden sollen, sind sie für Betreiber unwirtschaftlich. Hier kommt nun die Bundesregierung ins Spiel. Sie will mit ihrer Strategie sowohl den Bau als auch den Betrieb der Anlagen fördern. Die Kosten dafür: rund 20 Milliarden Euro.

Worüber wurde gestritten?

Große Einigkeit herrscht in der Koalition und auch in der Energiebranche, dass Kohleausstieg und Dekarbonisierung nur gelingen können, wenn die Stromerzeugung aus Wind und Sonne abgesichert ist. FDP und SPD hatten aber gerade angesichts der Haushaltsnotlage die Kosten von ursprünglich bis zu 60 Milliarden Euro besonders scharf im Blick.

24
Gigawatt sollten die Kraftwerke ursprünglich bereitstellen, doch Habeck musste seine Pläne reduzieren.

Von einst geplanten 24 Gigawatt hat man sich nun auf eine Schmalspur-Variante mit zehn Gigawatt Kapazität geeinigt. Um die Stromversorgung zu garantieren, setzt die Ampel auf einen sogenannten Kapazitätsmechanismus (s. u.) und streicht experimentelle Kraftwerke, die dazugekommen wären, weitgehend. 

Wird der Strom dadurch teurer?

Der Einigung zufolge werden die Zuschüsse für Bau und Betrieb der Kraftwerke aus dem Bundeshaushalt kommen und sollen etwa eine Milliarde Euro pro Jahr ausmachen. Über den Strompreis wird also nicht abgerechnet. Die neuen Kraftwerke werden aber häufig an der Strombörse preissetzend sein und maßgeblich den Großhandelspreis bestimmen. Viel hängt also davon ab, wie teuer erst einmal Gas und CO₂-Emissionszertifikate sind.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Später dann bestimmt maßgeblich der Preis von Wasserstoff die Strompreise. Wie hoch er ausfallen wird, ist noch weitgehend offen. Das hängt davon ab, welche Regeln für emissionsfreien Wasserstoff gelten, also zum Beispiel, ob das CO₂ abgeschieden werden darf oder ob es weitgehend grünes H2 sein muss. Zweitens, wie groß das heimische Angebot ist, für das neue Ökostromkapazitäten und zusätzlich Elektrolyseure gebaut werden müssen. Drittens ist unklar, wie viel und zu welchem Preis Wasserstoff und Wasserstoffderivate importiert werden können. 

Wären Atomkraftwerke billiger gewesen?

Trotz des Atomausstiegs im vergangenen Frühjahr gibt es in Deutschland weiterhin eine große Anhängerschaft der Kernenergie, weil ihre Befürworter sie als klimaneutral bewerten. Im Grundsatzprogramm der CDU wird sogar für den Bau neuer Meiler geworben. Doch diese sind extrem teuer. Rund 30 Milliarden Euro kosten neue Atomkraftwerke – pro Anlage.

Bei der Union gibt es viele Atomkraft-Fans, etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
Bei der Union gibt es viele Atomkraft-Fans, etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

© dpa/Peter Kneffel

Zudem können sie, anders als Kohle- oder Gaskraftwerke, nicht einfach stundenweise hoch- und runtergefahren werden. Die drei zuletzt abgeschalteten Meiler in Deutschland, die wirtschaftlich bereits abgeschrieben waren, hätten jedoch nach einer Wartung und mit neuen Brennstäben preiswerten Strom für die Grundlast produzieren können. Insgesamt deckte die Atomkraft am Ende aber nur noch sechs Prozent des deutschen Stromverbrauchs.

Wir reagiert die Branche?

Die Energiewirtschaft ist seit Monaten schwer genervt von der langen Verzögerung. Denn Planung, Genehmigung und Bau neuer Gaskraftwerke dauern geschätzt sechs Jahre. Habeck hatte vor knapp einem Jahr versprochen, im Herbst sogar schon mit den Ausschreibungen zu starten. Nun gibt es nur die grobe Einigung der Regierungsspitze, und alles beginnt von vorne: Der genaue Plan fehlt noch, er muss beraten werden, die EU-Kommission muss ihn genehmigen; dann folgen Kabinettsbeschluss, die Gesetzgebung in Bundestag und Bundesrat, und schließlich muss die Bundesnetzagentur die Anlagen ausschreiben.

All das noch dieses Jahr zu schaffen, gilt als gewagte Ankündigung. Auf der anderen Seite ist der Vorschlag nun ein guter Kompromiss und eine gute Grundlage, ein dringendes Problem zu lösen. Der größte Energieverband BDEW zum Beispiel spricht von einem „entscheidenden Baustein“. Empört sind hingegen viele Umweltverbände. Für sie hat die Ampel die „Büchse der Pandora“ geöffnet, indem sie prinzipiell den Einsatz von Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (CCS) für Erdgaskraftwerke möglich machen möchte.

Was hat es mit dem Kapazitätsmechanismus auf sich?

Auf der einen Seite viel, denn lange Zeit haben mehrere Bundesregierungen einen Kapazitätsmarkt abgelehnt. Das würde bedeuten, Kraftwerke, aber möglicherweise auch Verbraucher zusätzlich dafür zu belohnen, dass sie gesicherte Leistung vorhalten beziehungsweise den Stromverbrauch auf Zuruf reduzieren.

Im heutigen System wird nur tatsächlich gelieferte elektrische Arbeit vergütet. Doch spätestens die Energiekrise hat gezeigt: Politisch gibt es nur wenige Unterstützer für die Grundidee, die Stromerzeugung im Zweifelsfall auf Kante fahren zu lassen und extreme Preise in Kauf zu nehmen. Auf der anderen Seite ist die Aussicht sehr vage, eine Einigung auf ein bestimmtes System gibt es noch lange nicht. Und: Der unbestimmte „Mechanismus“ soll erst 2028 kommen. Dann ist schon lange eine neue Bundesregierung im Amt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false