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Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, geht zu Beginn seiner mehrtägigen Reise nach Skandinavien am 5. März 2024 zum Airbus A400M der Luftwaffe.

© dpa/Kay Nietfeld

„Opfere nicht meine besten Offiziere für Putin“ : Pistorius will in Abhöraffäre die Gemüter beruhigen

Die Kommunikation der Bundeswehr ist sicher, der Fehler war ein individueller – das schließt der Verteidigungsminister aus ersten Untersuchungen. Nun will er Moskau keine Propagandaerfolge mehr gönnen.

Was genau passierte am 19. Februar, als vier hochrangige Bundeswehr-Offiziere in einer Schalte über Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine sprachen und dabei abgehört wurden?

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat am Dienstag die Öffentlichkeit darüber informiert, was die ersten Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes ergeben haben. Obwohl die forensische Untersuchung aller benutzten Geräte noch aussteht, kam er bereits zu einem klaren Urteil: „Unsere Kommunikationssysteme sind nicht und wurden nicht kompromittiert.“

So kam das 38-minütige Gespräch dem Geheimdienst zufolge technisch über Server in Rechenzentren der Bundeswehr in Deutschland zustande, die jedoch nicht angezapft wurden. Ihm lägen keine Erkenntnisse über weitere Lauschangriffe vor, sagte der Minister.

Er vertraue auch weiterhin dem Videodienst Webex, den die Truppe nicht in der öffentlichen, sondern in einer zertifizierten Version mit zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen nutzt. Trotzdem sollen die Sicherheitsmaßnahmen verschärft werden.

„Zufallstreffer“ bei Luftfahrtmesse in Singapur

Das Einfallstor lag laut Pistorius bei einem „individuellen Anwendungsfehler“ eines aus Singapur zugeschalteten Offiziers. Frank Gräfe, ein Brigadegeneral der Luftwaffe, befand sich dort für eines der weltweit größten Branchentreffen der Luftfahrtindustrie.

Weil auch viele Militärs die Gelegenheit nutzen, um Kontakte zu Herstellern zu pflegen, sagte der Minister, die Veranstaltung sei „für russische Geheimdienste nachvollziehbar ein gefundenes Fressen“. Dass ihnen dabei ein hochrangiger Bundeswehrangehöriger ins Netz ging, bezeichnete Pistorius als „Zufallstreffer“.

Ob sich Gräfe per Handy oder über einen Rechner in die nur mit Ton zustande gekommene Schalte einwählte, ließ Pistorius offen. Nach Tagesspiegel-Informationen handelte es sich um eine Mobilfunkverbindung.

Der Offizier habe sich jedenfalls leichtsinnigerweise „nicht an das vorgeschriebene Einwahlverfahren gehalten“, so der Verteidigungsminister, als er mit Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz und zwei weiteren Teilnehmern zu der virtuellen Besprechung zusammenkam.

Über Gräfes Verbindung kam es zum Datenabfluss – und der russische Propagandaapparat konnte verbreiten, deutsche Generäle planten einen Angriff auf Russland. Die vom CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter am Wochenende verbreitete Hypothese, ein fünfter Teilnehmer könne sich Zugang verschafft haben, ist laut Pistorius widerlegt.

Geheimnisverrat laut Pistorius „überschaubar“

Gegen alle vier Beteiligten sind disziplinarrechtliche Vorermittlungen eingeleitet worden. In deren Zuge soll auch juristisch untersucht werden, mit welchen Aussagen über die Taurus-Marschflugkörper oder die Anwesenheit verbündeter Militärs in der Ukraine möglicherweise gegen den vorgeschriebenen Grad der Vertraulichkeit verstoßen wurde.

Minister Pistorius betonte erneut, dass aus seiner bisherigen Sicht kein schwerer Geheimnisverrat vorliegt und die Voruntersuchung nicht bedeute, dass ein Dienstvergehen festgestellt wurde. Falls nicht noch deutlich gravierendere Erkenntnisse zutage gefördert würden, werde er, Pistorius, „ganz sicher niemand meiner besten Offiziere für Putins Spielchen opfern“.

Den größten Schaden durch die Veröffentlichung sieht der Verteidigungsminister nicht im Abhörvorgang selbst. Auch das Verhältnis zu den Nato-Partnern bezeichnete er nach mehreren Gesprächen als „nicht beschädigt“.

Das größte Problem sei, dass der russische Präsident mit der Aufnahme einen Keil in die deutsche Gesellschaft sowie die Parteienlandschaft treibe. Das Thema bestimme nun die öffentliche Agenda in Deutschland und lenke von wichtigeren Themen ab, weil „willfährige Büchsenspanner“ bei der AfD oder der Linken Putins Erzählungen verbreiteten.

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