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In der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen in Baden-Württemberg warten warten Asylbewerber in einer Schlange vor der Essensausgabe.

© dpa/Stefan Puchner

„Menschenrechtlicher Dammbruch“: Pro Asyl empört über Pläne für Verfahren an den EU-Außengrenzen

Auf EU-Ebene wird geprüft, ob über Asylanträge bereits an den Grenzen der EU-Staaten entschieden werden kann. Menschenrechtler appellieren an die Bundesregierung.

Nach der Ankündigung der EU-Kommission, Aufnahmeverfahren von Flüchtlingen neu zu regeln, kommt von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl scharfe Kritik. Dies sei „ein menschenrechtlicher Dammbruch“, sagte der Leiter der Europaabteilung von Pro Asyl, Karl Kopp, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es gibt keine fairen, rechtsstaatlichen Verfahren in haftähnlichen Lagern fernab an den Rändern Europas“, kritisierte er.

Die „Blaupause“ für solche Verfahren könne seit Jahren auf den griechischen Inseln beobachtet werden, sagte Kopp. „Die Vorstellung, dass es diese Entrechtung Schutzsuchender bald europaweit geben wird, ist schlimm.“ Schon jetzt sei der Druck von rechtspopulistischen Strömungen auf die Abschaffung des Asylrechts enorm.

Die Bundesregierung dürfe dem Vorhaben der EU-Kommission auch deshalb nicht zustimmen, forderte Kopp. Letztlich gehe es um die „Grundsatzfrage“, ob die Ampel-Koalition bereit sei, „Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Menschenwürde – die Fundamente der EU – zu verteidigen“, sagte Kopp.

Die Landkreise brauchen dringend eine verlässliche Perspektive zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen.

Reinhard Sager,  Präsident des Landkreistages

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte dafür plädiert, die europäische Migrationspolitik stärker auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen auszurichten. „Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen“, sagte Faeser.

Verhandelt werde auf EU-Ebene „über Verfahren an den EU-Außengrenzen, um dort binnen kurzer Fristen über den Schutz von Menschen mit geringer Aussicht auf Asyl in der EU zu entscheiden“. Damit könnten abgelehnte Asylbewerber „schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden.“

Vor dem für den 10. Mai geplanten Migrationsgipfel hat auch der Deutsche Landkreistag klare Entscheidungen von Bund und Ländern gefordert. „Die Landkreise brauchen dringend eine verlässliche Perspektive zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen, zur Intensivierung der Rückführungsbemühungen und zur Finanzierung“, sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.

Vor allem die Bundesregierung sei gefordert. Auf Bundesebene passiere in der offenen Flüchtlingsfrage zu wenig, kritisierte Sager. „Wir erwarten, dass der Bund alles dafür tut, um den Zustrom von Flüchtlingen deutlich zu reduzieren“, sagte er. Neben einer Begrenzung der Einwanderungszahlen müssten zudem geflohene Menschen stärker in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, forderte Sager.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, sprach sich unterdessen dafür aus, Flüchtlingen in Deutschland schneller Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. „Ich bin dafür, dass Geflüchtete, die den Kommunen zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus“, sagte der Oberbürgermeister von Münster den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Städtetag fordert für Flüchtlinge schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt

Dies erfordere eine Änderung des Integrationsrechts. Zudem müssten Qualifikationen viel unbürokratischer anerkannt werden, sagte Lewe. Er sehe eine „Win-Win-Situation für alle Seiten, auch wenn es kein Allheilmittel für den Fachkräftemangel in Deutschland ist“. Asylbewerber dürfen hierzulande in der Regel erst nach drei Monaten arbeiten. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine müssen kein Asylverfahren durchlaufen und bekommen eine Arbeitserlaubnis direkt mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hält den Vorschlag von Bodo Ramelow (Linke) für grundsätzlich überlegenswert.
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hält den Vorschlag von Bodo Ramelow (Linke) für grundsätzlich überlegenswert.

© picture alliance/dpa/Carmen Jaspersen

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sieht in der Asyl-Idee des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) grundsätzlich positive Ansätze, mahnt aber die Einhaltung von geltenden Asyl-Regeln an. Eine pauschale Anerkennung von Asylbewerbern dürfe es nicht geben, sagte Bovenschulte dem TV-Sender „Welt“.

Ramelow hatte angeregt, dass alle unbescholtenen Asylbewerber seit 2014 ihren juristischen Status ändern können und dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten dürfen. Diese Grundidee begrüßte Bovenschulte, warnte aber zugleich vor einer Aufweichung des Asylrechts:

Ramelow plädiert für Änderung des Asylrechts

„Man muss vor allem denjenigen eine Perspektive geben, die hier schon längere Zeit leben und sich gut integriert haben. Dieser Gedanke ist ja ein völlig richtiger, weil wir die Menschen brauchen. Sie sind hier und sie wollen sich einbringen. Und sie müssen sich einbringen. Aber eine undifferenzierte, pauschale Anerkennung? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Es gebe geltende Regelungen des Asylrechts – und die könnten nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. „Der Grundgedanke ist allerdings, wenn Menschen hier lange leben, sich gut integriert haben, dann muss es auch möglich sein, dass sie ganz schnell einen gesicherten Status bekommen. Mit diesem Grundgedanken kann ich natürlich etwas anfangen.“

Dass man damit en passant auch das Fachkräfteproblem gleich mit löst, wie von Ramelow suggeriert, glaubt Bovenschulte nicht. „Also, ganz nebenbei geht das natürlich nicht“. Um das zu beheben, „sind ganz, ganz viele Maßnahmen notwendig. Dazu gehört auch gezielte Zuwanderung“. Aber dennoch könnten auch „Menschen, die hier schon sind aus anderen Gründen, die gar nicht mal hierhergekommen sind, um zu arbeiten“ dabei helfen, den Fachkräftemangel zu lindern. Das sei ein „völlig richtiger, pragmatischer Gedanke“. (lem)

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