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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: Er kritisiert den Umgang mit der AfD. Vor einer Regierungsbeteiligung hätte er „persönlich Angst“.

© imago images/Martin Müller

„Maximal destruktive“ Politik : Zentralrat der Juden warnt vor Kooperationen mit der AfD

Josef Schuster kritisiert sowohl CDU-Chef Merz als auch die Ampelregierung für deren Umgang mit der AfD. Und appelliert an unzufriedene Bürger, ihre Wahlentscheidung zu überdenken.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat in einem Interview mit der „Welt“ andere Parteien davor gewarnt, auf „Stimmungslagen“ der AfD eingehen. Mit Sorge schaute Schuster auf die Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene.

Auch wenn Merz seine Aussagen im Nachgang „wieder geradegerückt“ habe, stelle „sich die Frage, ob die Brandmauer löchrig sei und nicht mehr das hielte, was sie ursprünglich versprochen hat“, sagte Schuster der „Welt“.

Auf lokaler Ebene könne ein „vernünftiger“ Vorschlag nicht nur deshalb abgelehnt werden, weil er von der AfD komme. „Aber: Sich hier mit der AfD gut zustellen und mögliche Kooperationen vorzubereiten, gar auf Stimmungslagen der AfD einzugehen, ist in meinen Augen der vollkommen falsche Weg“, sagte Schuster.

Wir erleben derzeit einen Schlagabtausch zwischen den Parteien, der als maximal destruktiv erlebt wird.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Schuster wirft Regierung und Opposition gleichermaßen Fehler im Umgang mit der AfD vor. Eine Lernkurve im Umgang mit der AfD sehe er nicht, „ganz im Gegenteil“, sagte Schuster. Es gebe „unabhängig von der AfD derzeit eine Politik, die die Menschen verschreckt“, ergänzte er und kritisierte einen „maximal destruktiven“ Schlagabtausch zwischen den Parteien. 

Die „übers Knie gebrochene“ Energiewende und Inflation lösten Existenzängste aus, auch die Opposition böte keine Alternative an. „Und dann denken sich zu viele Wähler, jetzt geht alles den Bach runter, es spielt alles keine Rolle mehr, da kann ich auch gleich die AfD wählen.“

Stattdessen sprach er sich dafür aus, Menschen in Deutschland aufzuzeigen, dass es keine existenziellen Bedrohungen gebe - trotz aller Probleme. Der Zentralratspräsident appellierte an die Regierungsparteien und die demokratische Opposition, „gemeinsame Wege“ zu finden.

„Wir erleben derzeit einen Schlagabtausch zwischen den Parteien, der als maximal destruktiv erlebt wird - dem jeweils anderen wird ständig das Allerschlechteste unterstellt“, kritisierte Schuster. 

Nicht alle AfD-Anhänger seien rechtsradikal

Schuster sagte, er sehe nicht alle AfD-Anhänger als rechtsradikal an. „Es gibt einen Prozentsatz, der aber tatsächlich rechtsradikal ist.“ Schuster verwies auf unzufriedene Wähler, die mit der Arbeit der derzeitigen Regierungskoalition nicht einverstanden seien, aber auch kein Gegenangebot von der Union bekämen.

Diese Gruppe sei die Mehrheit. „Sie sollten sich fragen, ob all die Probleme und Unsicherheiten, die sie haben, es wirklich rechtfertigen, eine solche Partei zu wählen.“

Dennoch eröffnet der Zentralratspräsident die Frage, „ob jüdisches Leben in diesem Land noch gewollt ist“, sollte die AfD an einer Regierung - insbesondere auf Bundesebene - beteiligt sein. Er habe „persönlich Angst“ vor der Situation. Religionsfreiheit sei für die Partei „ein völliges Fremdwort“, sie kämpfe bewusst dagegen an, vor allem, wenn sie von muslimischer oder jüdischer Seite wahrgenommen werde.

Ein erfolgreiches Verbotsverfahren würde ihn sehr freuen, „aber bei den Hürden, die Verfassungsgerichte vor ein Parteiverbot stellen, sehe ich das eher skeptisch“, erklärte Schuster. Ein abgelehntes Verbotsverfahren würde das Gegenteil bewirken, „die AfD würde als vermeintlicher Märtyrer nur weiter gestärkt werden.“ 

Der Zentralratspräsident empfahl den Parteien, von sich aus Themen zu setzen, Probleme anzusprechen und Lösungen anzubieten. „Sie dürfen dabei weder von der AfD getrieben werden, noch aus Angst vor einer möglichen Vereinnahmung Probleme ignorieren.“ Auch müssten sich die Kirchen stärker engagieren. 

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